sehr ein Ganzes, daß ich auf den ersten Blik den Hals, die Mine, und die Beugung des Mundes, die ein Gallizismus ist, für die Aussteuer des Malers hielt. -- Mit sanften Regungen liegt mein[284] Blik auf dem holden Schatten der geliebten Seele, wenn ich auf dem Klaviere, neben dem er hängt, weichere Traeume um mein5 Herz versamle als ihm die karge Nacht zuschikt.
Jezt zur Antwort auf Ihren Brief! -- Jeder Gedanke sagt es mir, daß vielleicht nie die Freundschaft schönere Rosenstunden zwei Seelen gab als unsere in Berlin finden werden. Ach, Theure, wir werden zu glüklich sein und dan zuviel verlieren, wenn wir10 weinend aus einander gehen! Denn eine Begleitung nach Pommern verbieten mir alle meine Verhaeltnisse durchaus, wenigstens in der nächsten Zeit. Ach mein naeherer Wunsch ist jezt nur der, Sie in Berlin zu sehen. Der Februar ist in einem gelinden wie in einem harten Winter ein eiserner fesselnder Monat, zumal für15 einen der auf der preussischen ofnen Extrapost sizt. Aber eines ist gewis, -- und das hängt von keinem Februar ab -- daß wir uns sehen im zukünftigen Jahr, sei es wenn es wil.
O meine Josephine! meine Schwester! ich werde dein Bruder sein und dir an deinem Herzen eine ewige Verwandschaft20 schwoeren. Nicht blos reiner, sondern auch laenger als Andere wollen wir uns lieben.
Ich gebe dir davon jezt den Beweis den du mir gegeben; naemlich, daß sich mein Herz nicht gegen dich verändert hat, ob es gleich anfangs dieses Sommers die ewige Gefaerthin[!]25 meines Lebens gefunden hat. Das feste heilige Wesen, das sich mir gegeben, ist durch meine Schilderung deine Freundin; und du würdest gewis die seinige sein, wenn du es kentest. Dieses Wesen ist über jene gemeinen Misdeutungen erhaben, womit niedere weibliche Naturen jede Freundschaft zerstoeren und bekriegen;30 es hat das hohe Zutrauen der Tugend zur Tugend. --
d. 23. Nov.
Ich gebe geliebten Menschen, fernen und gegenwärtigen, nur die schönern Stunden, nie die phlegmatischen; -- aber den schönen Stunden geht es wie schönen Tagen -- sie werden am35 Ende zu warm. Vergeben Sie mir meine. --
sehr ein Ganzes, daß ich auf den ersten Blik den Hals, die Mine, und die Beugung des Mundes, die ein Gallizismus ist, für die Aussteuer des Malers hielt. — Mit sanften Regungen liegt mein[284] Blik auf dem holden Schatten der geliebten Seele, wenn ich auf dem Klaviere, neben dem er hängt, weichere Traeume um mein5 Herz versamle als ihm die karge Nacht zuschikt.
Jezt zur Antwort auf Ihren Brief! — Jeder Gedanke sagt es mir, daß vielleicht nie die Freundschaft schönere Rosenstunden zwei Seelen gab als unsere in Berlin finden werden. Ach, Theure, wir werden zu glüklich sein und dan zuviel verlieren, wenn wir10 weinend aus einander gehen! Denn eine Begleitung nach Pommern verbieten mir alle meine Verhaeltnisse durchaus, wenigstens in der nächsten Zeit. Ach mein naeherer Wunsch ist jezt nur der, Sie in Berlin zu sehen. Der Februar ist in einem gelinden wie in einem harten Winter ein eiserner fesselnder Monat, zumal für15 einen der auf der preussischen ofnen Extrapost sizt. Aber eines ist gewis, — und das hängt von keinem Februar ab — daß wir uns sehen im zukünftigen Jahr, sei es wenn es wil.
O meine Josephine! meine Schwester! ich werde dein Bruder sein und dir an deinem Herzen eine ewige Verwandschaft20 schwoeren. Nicht blos reiner, sondern auch laenger als Andere wollen wir uns lieben.
Ich gebe dir davon jezt den Beweis den du mir gegeben; naemlich, daß sich mein Herz nicht gegen dich verändert hat, ob es gleich anfangs dieses Sommers die ewige Gefaerthin[!]25 meines Lebens gefunden hat. Das feste heilige Wesen, das sich mir gegeben, ist durch meine Schilderung deine Freundin; und du würdest gewis die seinige sein, wenn du es kentest. Dieses Wesen ist über jene gemeinen Misdeutungen erhaben, womit niedere weibliche Naturen jede Freundschaft zerstoeren und bekriegen;30 es hat das hohe Zutrauen der Tugend zur Tugend. —
d. 23. Nov.
Ich gebe geliebten Menschen, fernen und gegenwärtigen, nur die schönern Stunden, nie die phlegmatischen; — aber den schönen Stunden geht es wie schönen Tagen — sie werden am35 Ende zu warm. Vergeben Sie mir meine. —
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sehr ein Ganzes, daß ich auf den ersten Blik den Hals, die Mine,
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Aussteuer des Malers hielt. — Mit sanften Regungen liegt mein
Blik auf dem holden Schatten der geliebten Seele, wenn ich auf
dem Klaviere, neben dem er hängt, weichere Traeume um mein 5
Herz versamle als ihm die karge Nacht zuschikt.
Jezt zur Antwort auf Ihren Brief! — Jeder Gedanke sagt es mir,
daß vielleicht nie die Freundschaft schönere Rosenstunden zwei
Seelen gab als unsere in Berlin finden werden. Ach, Theure, wir
werden zu glüklich sein und dan zuviel verlieren, wenn wir 10
weinend aus einander gehen! Denn eine Begleitung nach Pommern
verbieten mir alle meine Verhaeltnisse durchaus, wenigstens in der
nächsten Zeit. Ach mein naeherer Wunsch ist jezt nur der, Sie
in Berlin zu sehen. Der Februar ist in einem gelinden wie in
einem harten Winter ein eiserner fesselnder Monat, zumal für 15
einen der auf der preussischen ofnen Extrapost sizt. Aber eines ist
gewis, — und das hängt von keinem Februar ab — daß wir uns
sehen im zukünftigen Jahr, sei es wenn es wil.
O meine Josephine! meine Schwester! ich werde dein Bruder
sein und dir an deinem Herzen eine ewige Verwandschaft 20
schwoeren. Nicht blos reiner, sondern auch laenger als Andere
wollen wir uns lieben.
Ich gebe dir davon jezt den Beweis den du mir gegeben;
naemlich, daß sich mein Herz nicht gegen dich verändert hat,
ob es gleich anfangs dieses Sommers die ewige Gefaerthin[!] 25
meines Lebens gefunden hat. Das feste heilige Wesen, das sich
mir gegeben, ist durch meine Schilderung deine Freundin; und du
würdest gewis die seinige sein, wenn du es kentest. Dieses Wesen
ist über jene gemeinen Misdeutungen erhaben, womit niedere
weibliche Naturen jede Freundschaft zerstoeren und bekriegen; 30
es hat das hohe Zutrauen der Tugend zur Tugend. —
d. 23. Nov.
Ich gebe geliebten Menschen, fernen und gegenwärtigen, nur
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/277>, abgerufen am 22.11.2024.
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