dem Graf v. Brühl nach Rudolstadt -- heute gebar die Doktor Herder ein Mädgen zu unserer aller Freude -- also fället das Wochenbette in meine Es-Ferien -- heute gieng mein Titan nach Berlin -- des alten Herders Geburtstag ist am Sontag -- das Wetterglas springt dem schönsten Wetter entgegen. Und weist du was ich geworden? den5 15ten dies. bat mich die Geheime Räthin v. Koppenfels zum Thee, überreichte mir ein Dekret vom Herzog von Hildburghausen, das mich zu nichts wenigerem erhebt als zu einem -- Legazionsrath, was doch immer etwas ist. Das Diplom verlangt, daß ich "von männiglich "alle von diesem Karakter abhängende Prärogativen und Personal-10 "freiheiten geniessen solle." Ich kenne noch keine einzige von diesen Personallizenzen und habe noch wenig davon genossen; mache mich damit bekant, damit ich darauf bestehe. Herder hatte die meiste Freude darüber, besonders darum, weil man dem hiesigen Hof (den es kränkt) die Ehre nicht angethan, eine von ihm angenommen zu haben.15
Die Rükkehr des Mspts, das du hast, wäre mir lieb gewesen; aber du benüzest jede Gelegenheit des Schweigens. Daß die Brüningk nur keine Flügel nehme sondern das Zusammenthun der meinigen er- warte! --
Wir werden eine schöne Zeit an unsern Herzen zusammen verleben.20 Grüsse meinen Albrecht! Und dich!
R.
Sieh wieder das sonderbare Schiksalsspiel; im Titan macht' ich mich zu einem Legaten und Hafenreffer ist wirkl[icher] Legazionsrath. Indes änder' ich darum nichts. -- Ich bekomme so ein Stük des25 bürgerlichen Lebens nach dem andern auf den Leib. Vorgestern lies ich [250]mir Moralitätshosen (Unterhosen) anmessen, weil ich bisher nicht klug werden konte, warum gerade meine Hosen so verdamt indezent aussahen, ich mocht' es karten wie ich wolte, -- niemand kan für Segen --, bis ich den D. fragte, der ein Wort zu seiner Zeit fallen lies. Und30 eine Woche vorher, eh' ich das Wort fallen hören, hatt' ich mich heftig gegen diese enge eitle Einhülsung erklärt. So wird der Mensch erzogen und geplagt. Addio!
311. An Friederike Otto.
[Kopie][Weimar, 22. Aug. 1799]35
Deutschinnen. -- Der Legazionsrath ist jezt ein gemachter Man
dem Graf v. Brühl nach Rudolſtadt — heute gebar die Doktor Herder ein Mädgen zu unſerer aller Freude — alſo fället das Wochenbette in meine Es-Ferien — heute gieng mein Titan nach Berlin — des alten Herders Geburtstag iſt am Sontag — das Wetterglas ſpringt dem ſchönſten Wetter entgegen. Und weiſt du was ich geworden? den5 15ten dieſ. bat mich die Geheime Räthin v. Koppenfels zum Thee, überreichte mir ein Dekret vom Herzog von Hildburghausen, das mich zu nichts wenigerem erhebt als zu einem — Legazionsrath, was doch immer etwas iſt. Das Diplom verlangt, daß ich „von männiglich „alle von dieſem Karakter abhängende Prärogativen und Perſonal-10 „freiheiten genieſſen ſolle.“ Ich kenne noch keine einzige von dieſen Perſonallizenzen und habe noch wenig davon genoſſen; mache mich damit bekant, damit ich darauf beſtehe. Herder hatte die meiſte Freude darüber, beſonders darum, weil man dem hieſigen Hof (den es kränkt) die Ehre nicht angethan, eine von ihm angenommen zu haben.15
Die Rükkehr des Mſpts, das du haſt, wäre mir lieb geweſen; aber du benüzeſt jede Gelegenheit des Schweigens. Daß die Brüningk nur keine Flügel nehme ſondern das Zuſammenthun der meinigen er- warte! —
Wir werden eine ſchöne Zeit an unſern Herzen zuſammen verleben.20 Grüſſe meinen Albrecht! Und dich!
R.
Sieh wieder das ſonderbare Schikſalsſpiel; im Titan macht’ ich mich zu einem Legaten und Hafenreffer iſt wirkl[icher] Legazionsrath. Indes änder’ ich darum nichts. — Ich bekomme ſo ein Stük des25 bürgerlichen Lebens nach dem andern auf den Leib. Vorgeſtern lies ich [250]mir Moralitätshoſen (Unterhoſen) anmeſſen, weil ich bisher nicht klug werden konte, warum gerade meine Hoſen ſo verdamt indezent ausſahen, ich mocht’ es karten wie ich wolte, — niemand kan für Segen —, bis ich den D. fragte, der ein Wort zu ſeiner Zeit fallen lies. Und30 eine Woche vorher, eh’ ich das Wort fallen hören, hatt’ ich mich heftig gegen dieſe enge eitle Einhülſung erklärt. So wird der Menſch erzogen und geplagt. Addio!
311. An Friederike Otto.
[Kopie][Weimar, 22. Aug. 1799]35
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ein Mädgen zu unſerer aller Freude — alſo fället das Wochenbette
in meine Es-Ferien — heute gieng mein Titan nach Berlin — des
alten Herders Geburtstag iſt am Sontag — das Wetterglas ſpringt
dem ſchönſten Wetter entgegen. Und weiſt du was ich geworden? den 5
15ten dieſ. bat mich die Geheime Räthin v. Koppenfels zum Thee,
überreichte mir ein Dekret vom Herzog von Hildburghausen, das
mich zu nichts wenigerem erhebt als zu einem — Legazionsrath, was
doch immer etwas iſt. Das Diplom verlangt, daß ich „von männiglich
„alle von dieſem Karakter abhängende Prärogativen und Perſonal- 10
„freiheiten genieſſen ſolle.“ Ich kenne noch keine einzige von dieſen
Perſonallizenzen und habe noch wenig davon genoſſen; mache mich
damit bekant, damit ich darauf beſtehe. Herder hatte die meiſte Freude
darüber, beſonders darum, weil man dem hieſigen Hof (den es kränkt)
die Ehre nicht angethan, eine von ihm angenommen zu haben. 15
Die Rükkehr des Mſpts, das du haſt, wäre mir lieb geweſen; aber
du benüzeſt jede Gelegenheit des Schweigens. Daß die Brüningk nur
keine Flügel nehme ſondern das Zuſammenthun der meinigen er-
warte! —
Wir werden eine ſchöne Zeit an unſern Herzen zuſammen verleben. 20
Grüſſe meinen Albrecht! Und dich!
R.
Sieh wieder das ſonderbare Schikſalsſpiel; im Titan macht’ ich
mich zu einem Legaten und Hafenreffer iſt wirkl[icher] Legazionsrath.
Indes änder’ ich darum nichts. — Ich bekomme ſo ein Stük des 25
bürgerlichen Lebens nach dem andern auf den Leib. Vorgeſtern lies ich
mir Moralitätshoſen (Unterhoſen) anmeſſen, weil ich bisher nicht
klug werden konte, warum gerade meine Hoſen ſo verdamt indezent
ausſahen, ich mocht’ es karten wie ich wolte, — niemand kan für Segen
—, bis ich den D. fragte, der ein Wort zu ſeiner Zeit fallen lies. Und 30
eine Woche vorher, eh’ ich das Wort fallen hören, hatt’ ich mich
heftig gegen dieſe enge eitle Einhülſung erklärt. So wird der Menſch
erzogen und geplagt. Addio!
[250]
311. An Friederike Otto.
[Weimar, 22. Aug. 1799] 35
Deutſchinnen. — Der Legazionsrath iſt jezt ein gemachter Man
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/243>, abgerufen am 16.02.2025.
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