einen Nebenregenbogen unserer Abende haben -- und das ist auf dem Briefpapier. Wir giengen schön auseinander; warum kommen die Menschen nicht so an als sie abgehen? --
Im sinlichen Erfurt fand ich keine Wiederholung unsers Morgens, nicht einmal schöne Gestalten. Ich blieb eine Nacht da, und diese fieng5 gegen Nachmittag an. Indes hatt' ich doch über den algemeinen italienischen Hang zur Freude selber eine.
Sie haben bei mir die 3fachen Torturgrade einer 3fachen Bitte zu überstehen: 1) die um rothe Titel-Buchstaben -- 2) die um zufällige Nachricht, wo im Herbst etwan ein chambre garnie auf einige10 [241]Monate zu finden 3) die um Waizenbier, damit ich das alles erlebe. Die leztere bittet Sie blos das, daß Sie den Wirth Müller an sein bewustes Versprechen erinnern lassen.
Meinen herzlichsten Grus an den humanen Humanisten Jacob[s] -- ich kan Ihnen nicht sagen, wie ihn meine ganze Seele liebt -- und an15 meinen redlichen hellen gefühlvollen Schlichtegroll; aber an seine Auguste keinen, sondern das folgende Blat, das sie abschneiden kan -- --
J. P. F. Richter
Gute Auguste! Ich hörte und sah Sie noch drei Stunden hinter20 Gotha. Wir müssen uns auf der frostigen Erde fast nach der Sehnsucht sehnen; ich wil lieber den Schmerz der Sehnsucht haben als diese ent- behren. Sie gaben mir zu schöne Tage, liebe Freundin, durch Ihre Mühe und Liebe; und ich konte nichts thun als sie -- verleben. -- Ich ziehe zuweilen den Vorhang eines künftigen Winterabendes um einige Zolle25 auf, wo wir 3 von neun bis elf Uhr in gesprächiger, stummer, musizie- render, scherzender Harmonie auf Einem Kanapee zusammenlebten; aber haben wir denn schon die Maschinenmeister und Dekorazions- maler und den Apparat zu diesen holden Akten? --
Ich bitte Sie inständig, fals der edelmüthige Graf so viel Mühe30 mit meinem Farbengesicht hätte als ich mit dem Original, wärs auch nur die kleinste, -- mir es offen zu sagen, damit ich ihm jede nehme.
Habe tausend Dank für die Vergangenheit; und das Schiksal reiche dir und deinen 4 Geliebten eine eben so schöne Zukunft! Lebe froh,35 Gute Liebe Gute!
einen Nebenregenbogen unſerer Abende haben — und das iſt auf dem Briefpapier. Wir giengen ſchön auseinander; warum kommen die Menſchen nicht ſo an als ſie abgehen? —
Im ſinlichen Erfurt fand ich keine Wiederholung unſers Morgens, nicht einmal ſchöne Geſtalten. Ich blieb eine Nacht da, und dieſe fieng5 gegen Nachmittag an. Indes hatt’ ich doch über den algemeinen italieniſchen Hang zur Freude ſelber eine.
Sie haben bei mir die 3fachen Torturgrade einer 3fachen Bitte zu überſtehen: 1) die um rothe Titel-Buchſtaben — 2) die um zufällige Nachricht, wo im Herbſt etwan ein chambre garnie auf einige10 [241]Monate zu finden 3) die um Waizenbier, damit ich das alles erlebe. Die leztere bittet Sie blos das, daß Sie den Wirth Müller an ſein bewuſtes Verſprechen erinnern laſſen.
Meinen herzlichſten Grus an den humanen Humaniſten Jacob[s] — ich kan Ihnen nicht ſagen, wie ihn meine ganze Seele liebt — und an15 meinen redlichen hellen gefühlvollen Schlichtegroll; aber an ſeine Auguste keinen, ſondern das folgende Blat, das ſie abſchneiden kan — —
J. P. F. Richter
Gute Auguste! Ich hörte und ſah Sie noch drei Stunden hinter20 Gotha. Wir müſſen uns auf der froſtigen Erde faſt nach der Sehnſucht ſehnen; ich wil lieber den Schmerz der Sehnſucht haben als dieſe ent- behren. Sie gaben mir zu ſchöne Tage, liebe Freundin, durch Ihre Mühe und Liebe; und ich konte nichts thun als ſie — verleben. — Ich ziehe zuweilen den Vorhang eines künftigen Winterabendes um einige Zolle25 auf, wo wir 3 von neun bis elf Uhr in geſprächiger, ſtummer, muſizie- render, ſcherzender Harmonie auf Einem Kanapée zuſammenlebten; aber haben wir denn ſchon die Maſchinenmeiſter und Dekorazions- maler und den Apparat zu dieſen holden Akten? —
Ich bitte Sie inſtändig, fals der edelmüthige Graf ſo viel Mühe30 mit meinem Farbengeſicht hätte als ich mit dem Original, wärs auch nur die kleinſte, — mir es offen zu ſagen, damit ich ihm jede nehme.
Habe tauſend Dank für die Vergangenheit; und das Schikſal reiche dir und deinen 4 Geliebten eine eben ſo ſchöne Zukunft! Lebe froh,35 Gute Liebe Gute!
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einen Nebenregenbogen unſerer Abende haben — und das iſt auf dem
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Menſchen nicht ſo an als ſie abgehen? —
Im ſinlichen Erfurt fand ich keine Wiederholung unſers Morgens,
nicht einmal ſchöne Geſtalten. Ich blieb eine Nacht da, und dieſe fieng 5
gegen Nachmittag an. Indes hatt’ ich doch über den algemeinen
italieniſchen Hang zur Freude ſelber eine.
Sie haben bei mir die 3fachen Torturgrade einer 3fachen Bitte zu
überſtehen: 1) die um rothe Titel-Buchſtaben — 2) die um zufällige
Nachricht, wo im Herbſt etwan ein chambre garnie auf einige 10
Monate zu finden 3) die um Waizenbier, damit ich das alles erlebe.
Die leztere bittet Sie blos das, daß Sie den Wirth Müller an ſein
bewuſtes Verſprechen erinnern laſſen.
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Meinen herzlichſten Grus an den humanen Humaniſten Jacob[s]
— ich kan Ihnen nicht ſagen, wie ihn meine ganze Seele liebt — und an 15
meinen redlichen hellen gefühlvollen Schlichtegroll; aber an ſeine
Auguste keinen, ſondern das folgende Blat, das ſie abſchneiden
kan — —
J. P. F. Richter
Gute Auguste! Ich hörte und ſah Sie noch drei Stunden hinter 20
Gotha. Wir müſſen uns auf der froſtigen Erde faſt nach der Sehnſucht
ſehnen; ich wil lieber den Schmerz der Sehnſucht haben als dieſe ent-
behren. Sie gaben mir zu ſchöne Tage, liebe Freundin, durch Ihre Mühe
und Liebe; und ich konte nichts thun als ſie — verleben. — Ich ziehe
zuweilen den Vorhang eines künftigen Winterabendes um einige Zolle 25
auf, wo wir 3 von neun bis elf Uhr in geſprächiger, ſtummer, muſizie-
render, ſcherzender Harmonie auf Einem Kanapée zuſammenlebten;
aber haben wir denn ſchon die Maſchinenmeiſter und Dekorazions-
maler und den Apparat zu dieſen holden Akten? —
Ich bitte Sie inſtändig, fals der edelmüthige Graf ſo viel Mühe 30
mit meinem Farbengeſicht hätte als ich mit dem Original, wärs auch
nur die kleinſte, — mir es offen zu ſagen, damit ich ihm jede
nehme.
Habe tauſend Dank für die Vergangenheit; und das Schikſal reiche
dir und deinen 4 Geliebten eine eben ſo ſchöne Zukunft! Lebe froh, 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/235>, abgerufen am 27.07.2024.
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