Herzog der recht gut war) im 18ten Jahrhundert so froh sein wie ich heute?" und wunderte mich.
[239]Beliebter Kürze wegen sag ich daß ich, eingeladen vom Herzog von Meinungen, den andern Tag nach Liebenstein wolte, wo es noch schöner ist, aber wegblieb, um mit der schönen spröden Belgierin heim-5 zufahren, mit der ich durch kein anderes Band der Liebe zusammen- hieng als im Dunkeln durch das Stokparasol, woran ich zog oder (bei mehr Sonnenschein des Glüks) die Finger laufen lies an ihre, die litten und schwiegen.
Ich möchte wissen was du von solchen Briefen denkst; aber ich weis10 es wohl, was du denken solst von einer mit sich und dem Leben spielenden Seele. Ach wenn ich dir einmal mein ganzes [Herz aufmachen dürfte mit jeder Ader von der Aorta bis zur Hohlader: du würdest darin den Wiederschein einer andern Zeit erblicken als die ist die um dich wohnt. Dazu gehört nichts als Zeit, aber die ist eben zuweilen mehr als alle15 ihre Geschöpfe und Gefangnen -- Das Evantaillen Duel! -- das Nest durchsizen. -- die grünsten Jahre -- der Schimmer des Ruhms ist kein Brod und keine Gesundheit und wirkt blos stechend im Brenglas des Tadels. Die Prügel oder Aeste vom Lorbeerbaum fühlt man deut- licher als die Blätter.]20
[Weimar, 29. Juli?]
[Lücke]mir bei einer solchen Wärme die jedes Menschen, selber des besten war und ist. --
Wenn ich sagte, auf dich wirkten fremde Urtheile wie auf jeden: so widerlegest du mich so als hätt' ich gesagt, du sähest nur durch25 fremde Augen. --
Ich habe noch keinen Menschen gekant, der dein "Urtheil wegen der "Schonung für untergeordnet unter fremdes" gehalten hätte; und der daran Mangel an keker Festigkeit getadelt hätte. -- Zu euerer Hypo- chondrie gehört noch, daß ihr die Weichheit für eine Tugend haltet,30 anstat für ein Glük; wenn der alte Herr den Hals hergiebt und nichts macht, so thut er was er kan; Rührung ist nicht kategorisch zu impe- rieren, kan er vorschüzen. Nichts wird leichter maniriert und eine poetische Spizbüberei als die häufige Rührung.
d. 1 Aug.35
Jacobi's Brief an Fichte wird gedrukt. -- Mög' ich dir nicht die [240]fernere Kritik über den Titan versalzen haben! -- Manche Dinge in
Herzog der recht gut war) im 18ten Jahrhundert ſo froh ſein wie ich heute?“ und wunderte mich.
[239]Beliebter Kürze wegen ſag ich daß ich, eingeladen vom Herzog von Meinungen, den andern Tag nach Liebenſtein wolte, wo es noch ſchöner iſt, aber wegblieb, um mit der ſchönen ſpröden Belgierin heim-5 zufahren, mit der ich durch kein anderes Band der Liebe zuſammen- hieng als im Dunkeln durch das Stokparaſol, woran ich zog oder (bei mehr Sonnenſchein des Glüks) die Finger laufen lies an ihre, die litten und ſchwiegen.
Ich möchte wiſſen was du von ſolchen Briefen denkſt; aber ich weis10 es wohl, was du denken ſolſt von einer mit ſich und dem Leben ſpielenden Seele. Ach wenn ich dir einmal mein ganzes [Herz aufmachen dürfte mit jeder Ader von der Aorta bis zur Hohlader: du würdeſt darin den Wiederſchein einer andern Zeit erblicken als die iſt die um dich wohnt. Dazu gehört nichts als Zeit, aber die iſt eben zuweilen mehr als alle15 ihre Geſchöpfe und Gefangnen — Das Evantaillen Duel! — das Neſt durchſizen. — die grünſten Jahre — der Schimmer des Ruhms iſt kein Brod und keine Geſundheit und wirkt blos ſtechend im Brenglas des Tadels. Die Prügel oder Aeſte vom Lorbeerbaum fühlt man deut- licher als die Blätter.]20
[Weimar, 29. Juli?]
[Lücke]mir bei einer ſolchen Wärme die jedes Menſchen, ſelber des beſten war und iſt. —
Wenn ich ſagte, auf dich wirkten fremde Urtheile wie auf jeden: ſo widerlegeſt du mich ſo als hätt’ ich geſagt, du ſäheſt nur durch25 fremde Augen. —
Ich habe noch keinen Menſchen gekant, der dein „Urtheil wegen der „Schonung für untergeordnet unter fremdes“ gehalten hätte; und der daran Mangel an keker Feſtigkeit getadelt hätte. — Zu euerer Hypo- chondrie gehört noch, daß ihr die Weichheit für eine Tugend haltet,30 anſtat für ein Glük; wenn der alte Herr den Hals hergiebt und nichts macht, ſo thut er was er kan; Rührung iſt nicht kategoriſch zu impe- rieren, kan er vorſchüzen. Nichts wird leichter maniriert und eine poetiſche Spizbüberei als die häufige Rührung.
d. 1 Aug.35
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Beliebter Kürze wegen ſag ich daß ich, eingeladen vom Herzog
von Meinungen, den andern Tag nach Liebenſtein wolte, wo es noch
ſchöner iſt, aber wegblieb, um mit der ſchönen ſpröden Belgierin heim- 5
zufahren, mit der ich durch kein anderes Band der Liebe zuſammen-
hieng als im Dunkeln durch das Stokparaſol, woran ich zog oder (bei
mehr Sonnenſchein des Glüks) die Finger laufen lies an ihre, die
litten und ſchwiegen.
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Ich möchte wiſſen was du von ſolchen Briefen denkſt; aber ich weis 10
es wohl, was du denken ſolſt von einer mit ſich und dem Leben ſpielenden
Seele. Ach wenn ich dir einmal mein ganzes [Herz aufmachen dürfte
mit jeder Ader von der Aorta bis zur Hohlader: du würdeſt darin den
Wiederſchein einer andern Zeit erblicken als die iſt die um dich wohnt.
Dazu gehört nichts als Zeit, aber die iſt eben zuweilen mehr als alle 15
ihre Geſchöpfe und Gefangnen — Das Evantaillen Duel! — das
Neſt durchſizen. — die grünſten Jahre — der Schimmer des Ruhms
iſt kein Brod und keine Geſundheit und wirkt blos ſtechend im Brenglas
des Tadels. Die Prügel oder Aeſte vom Lorbeerbaum fühlt man deut-
licher als die Blätter.] 20
[Weimar, 29. Juli?]
mir bei einer ſolchen Wärme die jedes Menſchen, ſelber des
beſten war und iſt. —
Wenn ich ſagte, auf dich wirkten fremde Urtheile wie auf jeden:
ſo widerlegeſt du mich ſo als hätt’ ich geſagt, du ſäheſt nur durch 25
fremde Augen. —
Ich habe noch keinen Menſchen gekant, der dein „Urtheil wegen der
„Schonung für untergeordnet unter fremdes“ gehalten hätte; und der
daran Mangel an keker Feſtigkeit getadelt hätte. — Zu euerer Hypo-
chondrie gehört noch, daß ihr die Weichheit für eine Tugend haltet, 30
anſtat für ein Glük; wenn der alte Herr den Hals hergiebt und nichts
macht, ſo thut er was er kan; Rührung iſt nicht kategoriſch zu impe-
rieren, kan er vorſchüzen. Nichts wird leichter maniriert und eine
poetiſche Spizbüberei als die häufige Rührung.
d. 1 Aug. 35
Jacobi’s Brief an Fichte wird gedrukt. — Mög’ ich dir nicht die
fernere Kritik über den Titan verſalzen haben! — Manche Dinge in
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/233>, abgerufen am 16.02.2025.
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