wohl gegen mein Gefühl; sonst weichen am Ende die Menschen den Kröten wie die Abderiten den Fröschen.
Ich wolte diesen Morgen unsern Emanuel -- der mir auf einmal aufgieng wie ein Sternbild -- nach Hof begleiten; aber endlich wurd' ich wieder über die lockende Perspektive, die sich hinter so vielen Däm-5 men ausbreitet, Herr; denn es sind zu viele zu übersteigen. Schreibe du oder deine Schwester mir doch, in welchem Theile des Augusts Caroline kopuliert wird; ich möchte sie noch als Braut habhaft werden.
Hier sind Briefe; und hier der Kalbische an dich; nur durch die weibliche Unbestimtheit konte eine Exegese wie meine entstehen, da sogar[236]10 mein Name darin steht, welches ich für Ironie des Zürnens hielt.
Die Königin sah ich aus Mangel an Zudringlichkeit nicht, oder aus Überflus; denn ich paste, daß ihr Kammerherr einladend zu mir käme, da ihr doch jede Minute karg zugeschnitten war. Sie fragte nach mir; in der Komödie solt' ich ihr wie Wieland vorgestelt werden, und man15 suchte mich umsonst, weil ich im -- Park sas mit einer lieben[swür]digen Braunschweigerin, die mich besucht hatte mit der Schwester. -- Am Morgen vor der Abfahrt -- sagt mir die trefliche Thurn und Taxis, die ich nebst dem liebevollen Prinzen von Meklenburg besuchte -- sagte sie zum Herzog, er solle mich holen lassen; dieser wahrheits-20 liebende Herr sagte mir vorgestern, er hab es gethan, warum ich nicht gekommen. Indessen haben mich doch so viele gothaische und hildburg[häusische] hier anwesende Fürstenhände auf meiner Glüks- und Gnadenleiter so weit hinaufgeschoben, daß mich als ich am Sontag im Park vorbeischos, die regierende Herzogin [nicht nur] laut (und25 mehrmals) zurükrief, sondern auch höchst freundlich anredete, über den Titan ausholte u. s. w. Herder glaubt aber, ich schlösse zu viel aus dem Vorfal; und das ists eben, was sich der Neid gern bereden möchte. Du hast keine Vorstellung wie hier um ein Ekgen Regenschirm vom Thronhimmel geschoben und gezankt und gestossen wird; ich sehe im30 Regen der Gruppe zu und bleibe Philosoph.
Lebe recht wohl mit den Deinigen, mein guter immer geliebter Otto und vergieb wo ich dir zu wehe that!
294. An Sophie von Brüningk in Hohenberg.
[Kopie][Weimar, 13. Juli 1799]35
Wenn ich lang Briefschuldner war: so fang' ich an den Gläubiger
wohl gegen mein Gefühl; ſonſt weichen am Ende die Menſchen den Kröten wie die Abderiten den Fröſchen.
Ich wolte dieſen Morgen unſern Emanuel — der mir auf einmal aufgieng wie ein Sternbild — nach Hof begleiten; aber endlich wurd’ ich wieder über die lockende Perſpektive, die ſich hinter ſo vielen Däm-5 men ausbreitet, Herr; denn es ſind zu viele zu überſteigen. Schreibe du oder deine Schweſter mir doch, in welchem Theile des Auguſts Caroline kopuliert wird; ich möchte ſie noch als Braut habhaft werden.
Hier ſind Briefe; und hier der Kalbische an dich; nur durch die weibliche Unbeſtimtheit konte eine Exegeſe wie meine entſtehen, da ſogar[236]10 mein Name darin ſteht, welches ich für Ironie des Zürnens hielt.
Die Königin ſah ich aus Mangel an Zudringlichkeit nicht, oder aus Überflus; denn ich paſte, daß ihr Kammerherr einladend zu mir käme, da ihr doch jede Minute karg zugeſchnitten war. Sie fragte nach mir; in der Komödie ſolt’ ich ihr wie Wieland vorgeſtelt werden, und man15 ſuchte mich umſonſt, weil ich im — Park ſas mit einer lieben[swür]digen Braunſchweigerin, die mich beſucht hatte mit der Schweſter. — Am Morgen vor der Abfahrt — ſagt mir die trefliche Thurn und Taxis, die ich nebſt dem liebevollen Prinzen von Meklenburg beſuchte — ſagte ſie zum Herzog, er ſolle mich holen laſſen; dieſer wahrheits-20 liebende Herr ſagte mir vorgeſtern, er hab es gethan, warum ich nicht gekommen. Indeſſen haben mich doch ſo viele gothaiſche und hildburg[häuſiſche] hier anweſende Fürſtenhände auf meiner Glüks- und Gnadenleiter ſo weit hinaufgeſchoben, daß mich als ich am Sontag im Park vorbeiſchos, die regierende Herzogin [nicht nur] laut (und25 mehrmals) zurükrief, ſondern auch höchſt freundlich anredete, über den Titan ausholte u. ſ. w. Herder glaubt aber, ich ſchlöſſe zu viel aus dem Vorfal; und das iſts eben, was ſich der Neid gern bereden möchte. Du haſt keine Vorſtellung wie hier um ein Ekgen Regenſchirm vom Thronhimmel geſchoben und gezankt und geſtoſſen wird; ich ſehe im30 Regen der Gruppe zu und bleibe Philoſoph.
Lebe recht wohl mit den Deinigen, mein guter immer geliebter Otto und vergieb wo ich dir zu wehe that!
294. An Sophie von Brüningk in Hohenberg.
[Kopie][Weimar, 13. Juli 1799]35
Wenn ich lang Briefſchuldner war: ſo fang’ ich an den Gläubiger
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wohl gegen mein Gefühl; ſonſt weichen am Ende die Menſchen den
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Ich wolte dieſen Morgen unſern Emanuel — der mir auf einmal
aufgieng wie ein Sternbild — nach Hof begleiten; aber endlich wurd’
ich wieder über die lockende Perſpektive, die ſich hinter ſo vielen Däm- 5
men ausbreitet, Herr; denn es ſind zu viele zu überſteigen. Schreibe du
oder deine Schweſter mir doch, in welchem Theile des Auguſts Caroline
kopuliert wird; ich möchte ſie noch als Braut habhaft werden.
Hier ſind Briefe; und hier der Kalbische an dich; nur durch die
weibliche Unbeſtimtheit konte eine Exegeſe wie meine entſtehen, da ſogar 10
mein Name darin ſteht, welches ich für Ironie des Zürnens hielt.
[236]
Die Königin ſah ich aus Mangel an Zudringlichkeit nicht, oder aus
Überflus; denn ich paſte, daß ihr Kammerherr einladend zu mir käme,
da ihr doch jede Minute karg zugeſchnitten war. Sie fragte nach mir;
in der Komödie ſolt’ ich ihr wie Wieland vorgeſtelt werden, und man 15
ſuchte mich umſonſt, weil ich im — Park ſas mit einer lieben[swür]digen
Braunſchweigerin, die mich beſucht hatte mit der Schweſter. — Am
Morgen vor der Abfahrt — ſagt mir die trefliche Thurn und Taxis,
die ich nebſt dem liebevollen Prinzen von Meklenburg beſuchte —
ſagte ſie zum Herzog, er ſolle mich holen laſſen; dieſer wahrheits- 20
liebende Herr ſagte mir vorgeſtern, er hab es gethan, warum ich
nicht gekommen. Indeſſen haben mich doch ſo viele gothaiſche und
hildburg[häuſiſche] hier anweſende Fürſtenhände auf meiner Glüks-
und Gnadenleiter ſo weit hinaufgeſchoben, daß mich als ich am Sontag
im Park vorbeiſchos, die regierende Herzogin [nicht nur] laut (und 25
mehrmals) zurükrief, ſondern auch höchſt freundlich anredete, über den
Titan ausholte u. ſ. w. Herder glaubt aber, ich ſchlöſſe zu viel aus
dem Vorfal; und das iſts eben, was ſich der Neid gern bereden möchte.
Du haſt keine Vorſtellung wie hier um ein Ekgen Regenſchirm vom
Thronhimmel geſchoben und gezankt und geſtoſſen wird; ich ſehe im 30
Regen der Gruppe zu und bleibe Philoſoph.
Lebe recht wohl mit den Deinigen, mein guter immer geliebter Otto
und vergieb wo ich dir zu wehe that!
294. An Sophie von Brüningk in Hohenberg.
[Weimar, 13. Juli 1799] 35
Wenn ich lang Briefſchuldner war: ſo fang’ ich an den Gläubiger
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/230>, abgerufen am 27.07.2024.
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