diente einen längern Dank als mir Ihr Bote und seine Eile erlaubte. Aber der wärmste für Ihre Güte ist die Nachricht, daß ich Ihrer Meinung bin. Ich verlebte heute den ganzen Tag arkadisch im Tief- further Park und zum Theil bei Amalien, der ichs schon lange ver- sprochen; und es hat mir bei meiner moralischen Wärme nichts gefehlt5 als die Mässigung der physischen. Ich fand bei der Tante P., deren Ernst mir gefält, die schöne (in Taille und Gestalt) und die junge, ofne, jungfräuliche liebenswürdige K. deren frischer Geist seine Rosen- knospen aufschliesset; aber ich wurde zu bald zu Amalien gerufen.
Zu dieser K. brauch' ich jezt keinen Ruf als die Gewisheit, daß kein10 Gewitter über meinem Kopfe hängt; ich wil sie immer näher kennen lernen und nachsehen, welche Psyche in diesem Rosengebüsche nistet. Dieses Nachsehen ist für mich selber so reizend, da ich nicht blos dabei dem Rosengebüsche sondern auch der guten Amalie begegne, deren Liebe eine schönere Erwiederung verdient als das eingefrorne Weimar15 vermag, das an keine andere und süssere Regentschaft glaubt als an die mit einem metallischen Zepter.
Nehmen Sie meinen herzlichsten Dank, gütigste Emilie! -- und alle meine wärmsten Wünsche für Ihr Glük! --
Richter20
N. S. Mein lieber, guter Knebel! Ich komme jezt die Treppe herauf und wil Ihnen nach meinem guten Tag eine eben so gute Nacht sagen. --
Lesen Sie doch -- wiewohl Sie dadurch eine aufopfern -- Schlegels[232] Lucinde, deren ästhetische Leere nur von immoralischer Fülle über- läuft -- Aber ich wolt' Ihnen weiter nichts sagen als schlafen Sie25 wohl -- welches, da das Leben eine Sieste oder ein Sommernachts- traum ist, eben so viel heisset als leben Sie wohl und wohl und wohl!
R.
292. An Friedrich von Oertel in Belgershain.
Weimar d. 10 Jul. 99.30
Ich werde ein eigentlicher 3facher Sünder durch deine 3 Briefe und meine Sünde verjährt durch die Zeit nicht, sondern bejährt sich immer. Aber mein guter geliebter Oertel, wie bring ich den Ozean meiner Nachrichten in das Bächlein eines Oktavbriefgens? -- Eben diese
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diente einen längern Dank als mir Ihr Bote und ſeine Eile erlaubte. Aber der wärmſte für Ihre Güte iſt die Nachricht, daß ich Ihrer Meinung bin. Ich verlebte heute den ganzen Tag arkadiſch im Tief- further Park und zum Theil bei Amalien, der ichs ſchon lange ver- ſprochen; und es hat mir bei meiner moraliſchen Wärme nichts gefehlt5 als die Mäſſigung der phyſiſchen. Ich fand bei der Tante P., deren Ernſt mir gefält, die ſchöne (in Taille und Geſtalt) und die junge, ofne, jungfräuliche liebenswürdige K. deren friſcher Geiſt ſeine Roſen- knoſpen aufſchlieſſet; aber ich wurde zu bald zu Amalien gerufen.
Zu dieſer K. brauch’ ich jezt keinen Ruf als die Gewisheit, daß kein10 Gewitter über meinem Kopfe hängt; ich wil ſie immer näher kennen lernen und nachſehen, welche Pſyche in dieſem Roſengebüſche niſtet. Dieſes Nachſehen iſt für mich ſelber ſo reizend, da ich nicht blos dabei dem Roſengebüſche ſondern auch der guten Amalie begegne, deren Liebe eine ſchönere Erwiederung verdient als das eingefrorne Weimar15 vermag, das an keine andere und ſüſſere Regentſchaft glaubt als an die mit einem metalliſchen Zepter.
Nehmen Sie meinen herzlichſten Dank, gütigſte Emilie! — und alle meine wärmſten Wünſche für Ihr Glük! —
Richter20
N. S. Mein lieber, guter Knebel! Ich komme jezt die Treppe herauf und wil Ihnen nach meinem guten Tag eine eben ſo gute Nacht ſagen. —
Leſen Sie doch — wiewohl Sie dadurch eine aufopfern — Schlegels[232] Lucinde, deren äſthetiſche Leere nur von immoraliſcher Fülle über- läuft — Aber ich wolt’ Ihnen weiter nichts ſagen als ſchlafen Sie25 wohl — welches, da das Leben eine Siéste oder ein Sommernachts- traum iſt, eben ſo viel heiſſet als leben Sie wohl und wohl und wohl!
R.
292. An Friedrich von Oertel in Belgershain.
Weimar d. 10 Jul. 99.30
Ich werde ein eigentlicher 3facher Sünder durch deine 3 Briefe und meine Sünde verjährt durch die Zeit nicht, ſondern bejährt ſich immer. Aber mein guter geliebter Oertel, wie bring ich den Ozean meiner Nachrichten in das Bächlein eines Oktavbriefgens? — Eben dieſe
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diente einen längern Dank als mir Ihr Bote und ſeine Eile erlaubte.
Aber der wärmſte für Ihre Güte iſt die Nachricht, daß ich Ihrer
Meinung bin. Ich verlebte heute den ganzen Tag arkadiſch im Tief-
further Park und zum Theil bei Amalien, der ichs ſchon lange ver-
ſprochen; und es hat mir bei meiner moraliſchen Wärme nichts gefehlt 5
als die Mäſſigung der phyſiſchen. Ich fand bei der Tante P., deren
Ernſt mir gefält, die ſchöne (in Taille und Geſtalt) und die junge, ofne,
jungfräuliche liebenswürdige K. deren friſcher Geiſt ſeine Roſen-
knoſpen aufſchlieſſet; aber ich wurde zu bald zu Amalien gerufen.
Zu dieſer K. brauch’ ich jezt keinen Ruf als die Gewisheit, daß kein 10
Gewitter über meinem Kopfe hängt; ich wil ſie immer näher kennen
lernen und nachſehen, welche Pſyche in dieſem Roſengebüſche niſtet.
Dieſes Nachſehen iſt für mich ſelber ſo reizend, da ich nicht blos dabei
dem Roſengebüſche ſondern auch der guten Amalie begegne, deren
Liebe eine ſchönere Erwiederung verdient als das eingefrorne Weimar 15
vermag, das an keine andere und ſüſſere Regentſchaft glaubt als an die
mit einem metalliſchen Zepter.
Nehmen Sie meinen herzlichſten Dank, gütigſte Emilie! — und
alle meine wärmſten Wünſche für Ihr Glük! —
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N. S. Mein lieber, guter Knebel! Ich komme jezt die Treppe herauf
und wil Ihnen nach meinem guten Tag eine eben ſo gute Nacht ſagen. —
Leſen Sie doch — wiewohl Sie dadurch eine aufopfern — Schlegels
Lucinde, deren äſthetiſche Leere nur von immoraliſcher Fülle über-
läuft — Aber ich wolt’ Ihnen weiter nichts ſagen als ſchlafen Sie 25
wohl — welches, da das Leben eine Siéste oder ein Sommernachts-
traum iſt, eben ſo viel heiſſet als leben Sie wohl und wohl und wohl!
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292. An Friedrich von Oertel in Belgershain.
Weimar d. 10 Jul. 99. 30
Ich werde ein eigentlicher 3facher Sünder durch deine 3 Briefe und
meine Sünde verjährt durch die Zeit nicht, ſondern bejährt ſich immer.
Aber mein guter geliebter Oertel, wie bring ich den Ozean meiner
Nachrichten in das Bächlein eines Oktavbriefgens? — Eben dieſe
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/226>, abgerufen am 16.02.2025.
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