nicht öffentlich dieses transßendente Schachspiel -- wozu er sich die Figuren und Spieler ausbittet, nur die Kombinazion nicht -- um, da du mir keinen Man in Deutschland nennen kanst, der nur dein nuntius a et de latere sein könte, keinen? -- Die Folgen deiner Werke werden dir schöner folgen und jezt sind geistige Märtyrer nöthiger wie5 sonst körperliche.
Herders Metakritik wird dir durch den Muth, durch die Thetik -- auch hier ist er antikritisch, nämlich besser in der Thetik als Po- lemik -- und durch einzelne vortrefliche Kapitel z. B. über die Kate- gorien, über die Indukzion etc. gefallen. Fasse, da er mich schon darnach10 gefragt, dein Urtheil über sie schonend ab, damit ich es ihm mit freier Brust eröfnen kan. Dieser ätherische Mensch, den ich täglich lieber gewinne ungeachtet seiner kleinen Sonnenhöfe, kan vor lauter Schaffen schwer sehen, wie einem Riesen werden ihm nur grosse[219] Massen z. B. Völker hel -- ach du weist ja alles.15
Dein Taschenbuch kan ich wegen deiner überflüssigen Gedanken -- das philosophische Necessaire ist jezt ein blosses Futteral wie das Möbel -- kaum erwarten; und ich wolte gern mit deinem Schweigen vor mir dein Reden vor uns allen erkaufen und bezahlen, recht gern.
Herder giebt mit mir eine 1/4jahrsschrift, Aurora, heraus; er ist20 das bureau central und der Wurzelman davon; sie ist etwas anderes und algemeineres als die, die ich dir vorschlug.
Sei froh, daß meine Huldigungspredigt nur gehalten ist; und stelle keine Kirchenvisitazion darum an -- warlich, Heinrich, ich machte sie blos, weil ich zu dir nicht Nein sagen kan; so wie zu Herder; die Aurora25 ist für mich was die mythol[og]ische war, die immer Jünglinge tödtend entführte. Ich mus, wenn ich Papier nehme, eben so gut eine grosse Tour von einem Ries als eine enge von einem Alphabet vor mir liegen sehen: sonst wird nichts.
Fichte ist noch in Jena und wurde aus Rudolstadt mit seinen30 privatissimis ausgespert. Er schmerzet mich, da er edel ist und hülflos und da der bleiche Minister Voigt nicht werth ist, sein Diener zu sein, geschweige sein Mäzen. Goethe -- über den ich dir ein Oktavbändgen zufertigen möchte -- ist Gott gleich, der nach Pope eine Welt und einen Sperling mit gleichem Gemüthe fallen sieht, um so mehr da er35 keines von beiden schaft; aber seine Apathie gegen fremde Leiden nimt er schmeichelnd für eine gegen die seinigen.
nicht öffentlich dieſes transſzendente Schachſpiel — wozu er ſich die Figuren und Spieler ausbittet, nur die Kombinazion nicht — um, da du mir keinen Man in Deutſchland nennen kanſt, der nur dein nuntius a et de latere ſein könte, keinen? — Die Folgen deiner Werke werden dir ſchöner folgen und jezt ſind geiſtige Märtyrer nöthiger wie5 ſonſt körperliche.
Herders Metakritik wird dir durch den Muth, durch die Thetik — auch hier iſt er antikritiſch, nämlich beſſer in der Thetik als Po- lemik — und durch einzelne vortrefliche Kapitel z. B. über die Kate- gorien, über die Indukzion ꝛc. gefallen. Faſſe, da er mich ſchon darnach10 gefragt, dein Urtheil über ſie ſchonend ab, damit ich es ihm mit freier Bruſt eröfnen kan. Dieſer ätheriſche Menſch, den ich täglich lieber gewinne ungeachtet ſeiner kleinen Sonnenhöfe, kan vor lauter Schaffen ſchwer ſehen, wie einem Rieſen werden ihm nur groſſe[219] Maſſen z. B. Völker hel — ach du weiſt ja alles.15
Dein Taſchenbuch kan ich wegen deiner überflüſſigen Gedanken — das philoſophiſche Nécessaire iſt jezt ein bloſſes Futteral wie das Möbel — kaum erwarten; und ich wolte gern mit deinem Schweigen vor mir dein Reden vor uns allen erkaufen und bezahlen, recht gern.
Herder giebt mit mir eine ¼jahrsſchrift, Aurora, heraus; er iſt20 das bureau central und der Wurzelman davon; ſie iſt etwas anderes und algemeineres als die, die ich dir vorſchlug.
Sei froh, daß meine Huldigungspredigt nur gehalten iſt; und ſtelle keine Kirchenviſitazion darum an — warlich, Heinrich, ich machte ſie blos, weil ich zu dir nicht Nein ſagen kan; ſo wie zu Herder; die Aurora25 iſt für mich was die mythol[og]iſche war, die immer Jünglinge tödtend entführte. Ich mus, wenn ich Papier nehme, eben ſo gut eine groſſe Tour von einem Ries als eine enge von einem Alphabet vor mir liegen ſehen: ſonſt wird nichts.
Fichte iſt noch in Jena und wurde aus Rudolſtadt mit ſeinen30 privatissimis ausgeſpert. Er ſchmerzet mich, da er edel iſt und hülflos und da der bleiche Miniſter Voigt nicht werth iſt, ſein Diener zu ſein, geſchweige ſein Mäzen. Goethe — über den ich dir ein Oktavbändgen zufertigen möchte — iſt Gott gleich, der nach Pope eine Welt und einen Sperling mit gleichem Gemüthe fallen ſieht, um ſo mehr da er35 keines von beiden ſchaft; aber ſeine Apathie gegen fremde Leiden nimt er ſchmeichelnd für eine gegen die ſeinigen.
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nuntius a et de latere ſein könte, keinen? — Die Folgen deiner Werke
werden dir ſchöner folgen und jezt ſind geiſtige Märtyrer nöthiger wie 5
ſonſt körperliche.
Herders Metakritik wird dir durch den Muth, durch die Thetik
— auch hier iſt er antikritiſch, nämlich beſſer in der Thetik als Po-
lemik — und durch einzelne vortrefliche Kapitel z. B. über die Kate-
gorien, über die Indukzion ꝛc. gefallen. Faſſe, da er mich ſchon darnach 10
gefragt, dein Urtheil über ſie ſchonend ab, damit ich es ihm mit freier
Bruſt eröfnen kan. Dieſer ätheriſche Menſch, den ich täglich lieber
gewinne ungeachtet ſeiner kleinen Sonnenhöfe, kan vor lauter
Schaffen ſchwer ſehen, wie einem Rieſen werden ihm nur groſſe
Maſſen z. B. Völker hel — ach du weiſt ja alles. 15
[219]
Dein Taſchenbuch kan ich wegen deiner überflüſſigen Gedanken
— das philoſophiſche Nécessaire iſt jezt ein bloſſes Futteral wie das
Möbel — kaum erwarten; und ich wolte gern mit deinem Schweigen
vor mir dein Reden vor uns allen erkaufen und bezahlen, recht gern.
Herder giebt mit mir eine ¼jahrsſchrift, Aurora, heraus; er iſt 20
das bureau central und der Wurzelman davon; ſie iſt etwas anderes
und algemeineres als die, die ich dir vorſchlug.
Sei froh, daß meine Huldigungspredigt nur gehalten iſt; und ſtelle
keine Kirchenviſitazion darum an — warlich, Heinrich, ich machte ſie
blos, weil ich zu dir nicht Nein ſagen kan; ſo wie zu Herder; die Aurora 25
iſt für mich was die mythol[og]iſche war, die immer Jünglinge
tödtend entführte. Ich mus, wenn ich Papier nehme, eben ſo gut eine
groſſe Tour von einem Ries als eine enge von einem Alphabet vor
mir liegen ſehen: ſonſt wird nichts.
Fichte iſt noch in Jena und wurde aus Rudolſtadt mit ſeinen 30
privatissimis ausgeſpert. Er ſchmerzet mich, da er edel iſt und hülflos
und da der bleiche Miniſter Voigt nicht werth iſt, ſein Diener zu ſein,
geſchweige ſein Mäzen. Goethe — über den ich dir ein Oktavbändgen
zufertigen möchte — iſt Gott gleich, der nach Pope eine Welt und
einen Sperling mit gleichem Gemüthe fallen ſieht, um ſo mehr da er 35
keines von beiden ſchaft; aber ſeine Apathie gegen fremde Leiden
nimt er ſchmeichelnd für eine gegen die ſeinigen.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/214>, abgerufen am 27.07.2024.
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