-- daß Sie ein Herz mehr an Ihrem bekommen. -- Ach frage nur die, die keine Eltern mehr haben, wie gern man ihnen vergäbe und wie man sie liebte, wenn sie nicht unter uns lägen. Ach alles giebt die Zukunft5 zurük, aber nicht das elterliche Herz, das so ewig warm für uns gesorget hat. Im Auge des verwaiseten Kindes steht eine ewige Thräne und die Erde troknet sie nicht ab.
15. An Friedrich von Oertel in Belgershain.
[Leipzig, 25. (?) Nov. 1797]10
Auf deinen doppelt- (ästhetisch und moralisch) schönen Brief bring' ich dir am ersten hellen kalten Tage die mündliche Antwort. Dein Bote kam früher als ich dachte. Hier ist der Fund der Eile. -- Ich werde immer froher hier und doch bedarf ich Belgershain immer mehr. -- Ich komme nachmittags und gehe vormittags. -- LebeT[!]15 seelig! --
R.
Noch immer find ich hier alles klein, sogar die Fehler; und im Innern so wenig Erhabenes als in der äussern Ebene, den artistischen Berg über dem Stadtgraben ausgenommen. -- Ach! ich habe den Don Juan gehört -- und danke dir für deinen lobenden Klavierauszug20 davon wie Mozart für die Partitur.
16. An Christian Otto.
Leipzig d. 28 Nov. 97.
Lieber Otto! Dein Brief gab mir zwar stosweise kleine Schauer, aber es ist gut, daß du mir das ganze Gewebe deiner Irthümer zum25 Zerreissen vorgelegt: mögest du dir künftig keine Fäden mehr weben, die in dich einschneiden. Wie hast du mich misverstanden, obwohl immer aus Liebe! Mir thut nichts in deinem Briefe weh als dein Schmerz.
Ich wil jezt jeden Einwand gegen mich in deinem Brief durchgehen30 zum Zugeben oder zum Widerlegen: dieses Mittel giebt doch der an- dringenden Fülle meines Innern einen geraden Weg.
[14]"R. schien mir angegriffen von Ruhm nicht ganz Er selbst geblieben "zu sein etc." Ich dachte oft, manche werden das voraussezen und es
[13]14. An Karoline Herold.
[Kopie][Leipzig, 25. Nov. 1797]
— daß Sie ein Herz mehr an Ihrem bekommen. — Ach frage nur die, die keine Eltern mehr haben, wie gern man ihnen vergäbe und wie man ſie liebte, wenn ſie nicht unter uns lägen. Ach alles giebt die Zukunft5 zurük, aber nicht das elterliche Herz, das ſo ewig warm für uns geſorget hat. Im Auge des verwaiſeten Kindes ſteht eine ewige Thräne und die Erde troknet ſie nicht ab.
15. An Friedrich von Oertel in Belgershain.
[Leipzig, 25. (?) Nov. 1797]10
Auf deinen doppelt- (äſthetiſch und moraliſch) ſchönen Brief bring’ ich dir am erſten hellen kalten Tage die mündliche Antwort. Dein Bote kam früher als ich dachte. Hier iſt der Fund der Eile. — Ich werde immer froher hier und doch bedarf ich Belgershain immer mehr. — Ich komme nachmittags und gehe vormittags. — LebeT[!]15 ſeelig! —
R.
Noch immer find ich hier alles klein, ſogar die Fehler; und im Innern ſo wenig Erhabenes als in der äuſſern Ebene, den artiſtiſchen Berg über dem Stadtgraben ausgenommen. — Ach! ich habe den Don Juan gehört — und danke dir für deinen lobenden Klavierauszug20 davon wie Mozart für die Partitur.
16. An Chriſtian Otto.
Leipzig d. 28 Nov. 97.
Lieber Otto! Dein Brief gab mir zwar ſtosweiſe kleine Schauer, aber es iſt gut, daß du mir das ganze Gewebe deiner Irthümer zum25 Zerreiſſen vorgelegt: mögeſt du dir künftig keine Fäden mehr weben, die in dich einſchneiden. Wie haſt du mich misverſtanden, obwohl immer aus Liebe! Mir thut nichts in deinem Briefe weh als dein Schmerz.
Ich wil jezt jeden Einwand gegen mich in deinem Brief durchgehen30 zum Zugeben oder zum Widerlegen: dieſes Mittel giebt doch der an- dringenden Fülle meines Innern einen geraden Weg.
[14]„R. ſchien mir angegriffen von Ruhm nicht ganz Er ſelbſt geblieben „zu ſein ꝛc.“ Ich dachte oft, manche werden das vorausſezen und es
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14. An Karoline Herold.
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ſie liebte, wenn ſie nicht unter uns lägen. Ach alles giebt die Zukunft 5
zurük, aber nicht das elterliche Herz, das ſo ewig warm für uns geſorget
hat. Im Auge des verwaiſeten Kindes ſteht eine ewige Thräne und
die Erde troknet ſie nicht ab.
15. An Friedrich von Oertel in Belgershain.
[Leipzig, 25. (?) Nov. 1797] 10
Auf deinen doppelt- (äſthetiſch und moraliſch) ſchönen Brief bring’
ich dir am erſten hellen kalten Tage die mündliche Antwort. Dein
Bote kam früher als ich dachte. Hier iſt der Fund der Eile. — Ich
werde immer froher hier und doch bedarf ich Belgershain immer
mehr. — Ich komme nachmittags und gehe vormittags. — LebeT[!] 15
ſeelig! —
R.
Noch immer find ich hier alles klein, ſogar die Fehler; und im Innern
ſo wenig Erhabenes als in der äuſſern Ebene, den artiſtiſchen Berg
über dem Stadtgraben ausgenommen. — Ach! ich habe den Don
Juan gehört — und danke dir für deinen lobenden Klavierauszug 20
davon wie Mozart für die Partitur.
16. An Chriſtian Otto.
Leipzig d. 28 Nov. 97.
Lieber Otto! Dein Brief gab mir zwar ſtosweiſe kleine Schauer,
aber es iſt gut, daß du mir das ganze Gewebe deiner Irthümer zum 25
Zerreiſſen vorgelegt: mögeſt du dir künftig keine Fäden mehr weben,
die in dich einſchneiden. Wie haſt du mich misverſtanden, obwohl
immer aus Liebe! Mir thut nichts in deinem Briefe weh als dein
Schmerz.
Ich wil jezt jeden Einwand gegen mich in deinem Brief durchgehen 30
zum Zugeben oder zum Widerlegen: dieſes Mittel giebt doch der an-
dringenden Fülle meines Innern einen geraden Weg.
„R. ſchien mir angegriffen von Ruhm nicht ganz Er ſelbſt geblieben
„zu ſein ꝛc.“ Ich dachte oft, manche werden das vorausſezen und es
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/17>, abgerufen am 24.07.2024.
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