Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.bildung der Schwäche ist zugleich Tochter und Mutter der Schwäche. -- Oertels Mon repos in Belgershain besucht' ich: froher kan man Wie wollen Sie gesund bleiben unter dem tiefen langen Nagen Das Buch von der Herder hab' ich erhalten. So innig mich die heilig-zarte Empfindung erquikt, die Ihnen das Ich habe hier -- wegen meiner Arbeiten -- noch wenige Gesel- Nein, Emilie, keine Blume wird unter uns zum Distelkopfe werden, Schreiben Sie recht bald und recht viel! Und komm' auch bald, du geliebte Seele! Und gieb dem November Richter 11. An Friederike Otto. [Kopie][Leipzig, 22. Nov. 1797]-- daß ein Brief, den man bekomt, die Sehnsucht schöner anregt und bildung der Schwäche iſt zugleich Tochter und Mutter der Schwäche. — Oertels Mon répos in Belgershain beſucht’ ich: froher kan man Wie wollen Sie geſund bleiben unter dem tiefen langen Nagen Das Buch von der Herder hab’ ich erhalten. So innig mich die heilig-zarte Empfindung erquikt, die Ihnen das Ich habe hier — wegen meiner Arbeiten — noch wenige Geſel- Nein, Emilie, keine Blume wird unter uns zum Diſtelkopfe werden, Schreiben Sie recht bald und recht viel! Und komm’ auch bald, du geliebte Seele! Und gieb dem November Richter 11. An Friederike Otto. [Kopie][Leipzig, 22. Nov. 1797]— daß ein Brief, den man bekomt, die Sehnſucht ſchöner anregt und <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0015" n="10"/> bildung der Schwäche iſt zugleich Tochter und Mutter der Schwäche.<lb/> Nur Freuden (und weniger Geſchäfte) heilen ihn; und wer giebt ihm<lb/> jene als eine unzertrenliche Freundin? Aber ſie mus geiſtig-ſchwächer<lb/> und körperlich-ſtärker als er ſein und nicht die Heilung bedürfen, die<lb/> ſie geben ſol. Eine genialiſche und eine kränkliche zugleich ſcheint in der<lb n="5"/> <note place="left"><ref target="1922_Bd3_11">[11]</ref></note>Nähe wie in der Ferne die Schmerzen zugleich zu vermehren und zu<lb/> theilen.</p><lb/> <p>— Oertels <hi rendition="#aq">Mon répos</hi> in Belgershain beſucht’ ich: froher kan man<lb/> nicht wohnen und nicht leben. Das Herz ſeiner Frau zertheilt ſich in<lb/> 2 Stücke, in Liebe und in Beſcheidenheit. — Er und Sie haben frap-<lb n="10"/> pant-ähnliche Grundtöne, mit denen ſie mit einander ewig harmonieren<lb/> müſſen. —</p><lb/> <p>Wie wollen Sie geſund bleiben unter dem tiefen langen Nagen<lb/> ſcharfer Leiden? An dem Berge Ihres Geiſtes können nur die geiſtigen<lb/> Wolken, nicht die körperlichen ſchmelzen.<lb n="15"/> </p> <p>Das Buch von der <hi rendition="#aq">Herder</hi> hab’ ich erhalten.</p><lb/> <p>So innig mich die heilig-zarte Empfindung erquikt, die Ihnen das<lb/> Verbrennen der 4 Bogen befahl: ſo ſehr fühl ich ſchmerzlich, daß eben<lb/> eine Seele, die dieſe Opfer ihrem eignen Werthe bringt, ſie nicht zu<lb/> bringen nöthig hat. Nach fremden Briefen frag’ ich dabei nichts, nur<lb n="20"/> nach Ihren Antworten darauf.</p><lb/> <p>Ich habe hier — wegen meiner Arbeiten — noch wenige Geſel-<lb/> ſchaften und noch keinen ½ Erſaz der Geliebten in Hof; doch hör’ ich<lb/> wenigſtens im Konzerte und in 2 gutmüthigen Familien innere Wohl-<lb/> laute.<lb n="25"/> </p> <p>Nein, <hi rendition="#aq">Emilie,</hi> keine Blume wird unter uns zum Diſtelkopfe werden,<lb/> ſondern die Blüten werden blos — Früchten weichen.</p><lb/> <p>Schreiben Sie recht bald und recht viel!</p><lb/> <p>Und komm’ auch bald, du geliebte Seele! Und gieb dem November<lb/> meiner Seele wieder Sterne und Morgenroth!<lb n="30"/> </p> <closer> <salute> <hi rendition="#right">Richter</hi> </salute> </closer> </div> </div><lb/> <div type="letter" n="1"> <head>11. An <hi rendition="#g">Friederike Otto.</hi></head><lb/> <note type="editorial">[Kopie]</note> <dateline> <hi rendition="#right">[Leipzig, 22. Nov. 1797]</hi> </dateline><lb/> <p>— daß ein Brief, den man bekomt, die Sehnſucht ſchöner anregt und<lb/> beruhigt als einer, den man ſchreibt. — auf der Gaſſe klappern die<lb n="35"/> Brief-, Heerings-, Lichter-, Bier- und Waſſerträgerinnen. Sie ſind es,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [10/0015]
bildung der Schwäche iſt zugleich Tochter und Mutter der Schwäche.
Nur Freuden (und weniger Geſchäfte) heilen ihn; und wer giebt ihm
jene als eine unzertrenliche Freundin? Aber ſie mus geiſtig-ſchwächer
und körperlich-ſtärker als er ſein und nicht die Heilung bedürfen, die
ſie geben ſol. Eine genialiſche und eine kränkliche zugleich ſcheint in der 5
Nähe wie in der Ferne die Schmerzen zugleich zu vermehren und zu
theilen.
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— Oertels Mon répos in Belgershain beſucht’ ich: froher kan man
nicht wohnen und nicht leben. Das Herz ſeiner Frau zertheilt ſich in
2 Stücke, in Liebe und in Beſcheidenheit. — Er und Sie haben frap- 10
pant-ähnliche Grundtöne, mit denen ſie mit einander ewig harmonieren
müſſen. —
Wie wollen Sie geſund bleiben unter dem tiefen langen Nagen
ſcharfer Leiden? An dem Berge Ihres Geiſtes können nur die geiſtigen
Wolken, nicht die körperlichen ſchmelzen. 15
Das Buch von der Herder hab’ ich erhalten.
So innig mich die heilig-zarte Empfindung erquikt, die Ihnen das
Verbrennen der 4 Bogen befahl: ſo ſehr fühl ich ſchmerzlich, daß eben
eine Seele, die dieſe Opfer ihrem eignen Werthe bringt, ſie nicht zu
bringen nöthig hat. Nach fremden Briefen frag’ ich dabei nichts, nur 20
nach Ihren Antworten darauf.
Ich habe hier — wegen meiner Arbeiten — noch wenige Geſel-
ſchaften und noch keinen ½ Erſaz der Geliebten in Hof; doch hör’ ich
wenigſtens im Konzerte und in 2 gutmüthigen Familien innere Wohl-
laute. 25
Nein, Emilie, keine Blume wird unter uns zum Diſtelkopfe werden,
ſondern die Blüten werden blos — Früchten weichen.
Schreiben Sie recht bald und recht viel!
Und komm’ auch bald, du geliebte Seele! Und gieb dem November
meiner Seele wieder Sterne und Morgenroth! 30
Richter
11. An Friederike Otto.
[Leipzig, 22. Nov. 1797]
— daß ein Brief, den man bekomt, die Sehnſucht ſchöner anregt und
beruhigt als einer, den man ſchreibt. — auf der Gaſſe klappern die 35
Brief-, Heerings-, Lichter-, Bier- und Waſſerträgerinnen. Sie ſind es,
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(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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