[153]rin die Wäsche 3 Tage früher; niemand lebt von heute auf morgen, sondern von Morgen auf Abend. Sie sind höflicher als die Leipziger. Strenge Polizei. Um 11 Uhr Nachts ohne Laterne zu sein, bringt einen auf die Wache. Meine gute Wirthin bedachte mich mit einer wie ich in Hof hatte. Wie viel ich leider trinke -- da hier nur das englische5 Bier gut ist, aber so, daß du mehr Glas als Nas*) einkaufst und zwar für 21 Pf. 1 Bouteille, wovon man 3 braucht -- das mus dir daraus einleuchten, daß meine Kienhold, die wie ihr Man nie einen Tropfen englisches Bier anlekt, sich ein Fas davon eingelegt, blos um es an mich zu verzapfen.10
-- O Gott! sage mir doch, was ich dir schreiben sol und ob dir diese minutiae recht sind, -- indes mir deine fehlen.
Hier lebt man eigentlich wohlfeiler, und doch ich theuerer; in Leipzig 21 gr. für das diner, hier 28, aber es ist auch besser. -- Die algemeinen Freuden, z. B. das Essen im bürgerlichen Klub, worin ich15 bin, kosten wenig, z. B. dieses 6 gr. für 3 oder 4 Speisen. (Ich meine Weimarsches Geld, den Laubtl. a 1 rtl. 15 gr.) --
Apropos! Karoline schrieb mir ihren und Amönens närrischen Ent- schlus zum Hofleben. Nur die väterliche Folter kan ihnen diese Exzentrizität abnöthigen. Ich werde ihnen darum schwach abrathen,20 weswegen ich keinem abrathe, in den Mond hineinzufliegen. Und warlich ein Hof ist der Mond, nur daß da nicht wie in dem des Ariosts der Verstand gefunden sondern verloren wird. Niemand taugt dahin weniger als diese ins Freie wachsende Seelen. Z. B. So gut man hier ist, so schreitet doch das Öffentliche im Kurialhohlweg fort. Z. B.25 Sontags giebt der Hof ein Konzert; unter den Bürgerlichen auf der Gallerie ist wenig zu hören. In den Saal können nur Edelleute. Doch dürft' ich mich exzipieren, aber "man mus einen Degen anhaben, um nicht aufzufallen" sagte mir der gute redliche Prinzenhofmeister Riedel. Ich versezte: so ists vorbei; andere werden durch Degenabnehmen de-30 gradiert, ich würd es durchs Gegentheil. Und als ich probierungsweise [154]bei Amalien sagte, "daß ich das Konzert entbehrte, weil auf der Gal- lerie nichts zu hören wäre" lud sie mich blos ein zu ihrem durch die Mailänderin.
*) Diesen Reim produziert' ich bei der Herzogin A[malie] und Herder beur-35 theilt' ihn aufmunternd.
[153]rin die Wäſche 3 Tage früher; niemand lebt von heute auf morgen, ſondern von Morgen auf Abend. Sie ſind höflicher als die Leipziger. Strenge Polizei. Um 11 Uhr Nachts ohne Laterne zu ſein, bringt einen auf die Wache. Meine gute Wirthin bedachte mich mit einer wie ich in Hof hatte. Wie viel ich leider trinke — da hier nur das engliſche5 Bier gut iſt, aber ſo, daß du mehr Glas als Nas*) einkaufſt und zwar für 21 Pf. 1 Bouteille, wovon man 3 braucht — das mus dir daraus einleuchten, daß meine Kienhold, die wie ihr Man nie einen Tropfen engliſches Bier anlekt, ſich ein Fas davon eingelegt, blos um es an mich zu verzapfen.10
— O Gott! ſage mir doch, was ich dir ſchreiben ſol und ob dir dieſe minutiae recht ſind, — indes mir deine fehlen.
Hier lebt man eigentlich wohlfeiler, und doch ich theuerer; in Leipzig 21 gr. für das diner, hier 28, aber es iſt auch beſſer. — Die algemeinen Freuden, z. B. das Eſſen im bürgerlichen Klub, worin ich15 bin, koſten wenig, z. B. dieſes 6 gr. für 3 oder 4 Speiſen. (Ich meine Weimarſches Geld, den Laubtl. à 1 rtl. 15 gr.) —
Apropos! Karoline ſchrieb mir ihren und Amönens närriſchen Ent- ſchlus zum Hofleben. Nur die väterliche Folter kan ihnen dieſe Exzentrizität abnöthigen. Ich werde ihnen darum ſchwach abrathen,20 weswegen ich keinem abrathe, in den Mond hineinzufliegen. Und warlich ein Hof iſt der Mond, nur daß da nicht wie in dem des Arioſts der Verſtand gefunden ſondern verloren wird. Niemand taugt dahin weniger als dieſe ins Freie wachſende Seelen. Z. B. So gut man hier iſt, ſo ſchreitet doch das Öffentliche im Kurialhohlweg fort. Z. B.25 Sontags giebt der Hof ein Konzert; unter den Bürgerlichen auf der Gallerie iſt wenig zu hören. In den Saal können nur Edelleute. Doch dürft’ ich mich exzipieren, aber „man mus einen Degen anhaben, um nicht aufzufallen“ ſagte mir der gute redliche Prinzenhofmeiſter Riedel. Ich verſezte: ſo iſts vorbei; andere werden durch Degenabnehmen de-30 gradiert, ich würd es durchs Gegentheil. Und als ich probierungsweiſe [154]bei Amalien ſagte, „daß ich das Konzert entbehrte, weil auf der Gal- lerie nichts zu hören wäre“ lud ſie mich blos ein zu ihrem durch die Mailänderin.
*) Dieſen Reim produziert’ ich bei der Herzogin A[malie] und Herder beur-35 theilt’ ihn aufmunternd.
<TEI><text><body><divtype="letter"n="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0148"n="138"/><noteplace="left"><reftarget="1922_Bd3_153">[153]</ref></note>rin die Wäſche 3 Tage früher; niemand lebt von heute auf morgen,<lb/>ſondern von Morgen auf Abend. Sie ſind höflicher als die Leipziger.<lb/>
Strenge Polizei. Um 11 Uhr Nachts ohne Laterne zu ſein, bringt einen<lb/>
auf die Wache. Meine gute Wirthin bedachte mich mit einer wie ich<lb/>
in <hirendition="#aq">Hof</hi> hatte. Wie viel ich leider trinke — da hier nur das engliſche<lbn="5"/>
Bier gut iſt, aber ſo, daß du mehr Glas als Nas<noteplace="foot"n="*)">Dieſen Reim produziert’ ich bei der Herzogin A[malie] und <hirendition="#aq">Herder</hi> beur-<lbn="35"/>
theilt’ ihn aufmunternd.</note> einkaufſt und zwar<lb/>
für 21 Pf. 1 Bouteille, wovon man 3 braucht — das mus dir daraus<lb/>
einleuchten, daß meine Kienhold, die wie ihr Man nie einen Tropfen<lb/>
engliſches Bier anlekt, ſich ein Fas davon eingelegt, blos um es an mich<lb/>
zu verzapfen.<lbn="10"/></p><p>— O Gott! ſage mir doch, was ich dir ſchreiben ſol und ob dir dieſe<lb/><hirendition="#aq">minutiae</hi> recht ſind, — indes mir deine fehlen.</p><lb/><p>Hier lebt man eigentlich wohlfeiler, und doch ich theuerer; in<lb/><hirendition="#aq">Leipzig</hi> 21 gr. für das <hirendition="#aq">diner,</hi> hier 28, aber es iſt auch beſſer. — Die<lb/>
algemeinen Freuden, z. B. das Eſſen im bürgerlichen Klub, worin ich<lbn="15"/>
bin, koſten wenig, z. B. dieſes 6 gr. für 3 oder 4 Speiſen. (Ich meine<lb/>
Weimarſches Geld, den Laubtl. <hirendition="#aq">à</hi> 1 rtl. 15 gr.) —</p><lb/><p>Apropos! Karoline ſchrieb mir ihren und Amönens närriſchen Ent-<lb/>ſchlus zum Hofleben. Nur die väterliche Folter kan ihnen dieſe<lb/>
Exzentrizität abnöthigen. Ich werde ihnen darum ſchwach abrathen,<lbn="20"/>
weswegen ich keinem abrathe, in den Mond hineinzufliegen. Und<lb/>
warlich ein Hof iſt der Mond, nur daß da nicht wie in dem des Arioſts<lb/>
der Verſtand gefunden ſondern verloren wird. Niemand taugt dahin<lb/>
weniger als dieſe ins Freie wachſende Seelen. Z. B. So gut man hier<lb/>
iſt, ſo ſchreitet doch das Öffentliche im Kurialhohlweg fort. Z. B.<lbn="25"/>
Sontags giebt der Hof ein Konzert; unter den Bürgerlichen auf der<lb/>
Gallerie iſt wenig zu hören. In den Saal können nur Edelleute. Doch<lb/>
dürft’ ich mich exzipieren, aber „man mus einen Degen anhaben, um<lb/>
nicht aufzufallen“ſagte mir der gute redliche Prinzenhofmeiſter Riedel.<lb/>
Ich verſezte: ſo iſts vorbei; andere werden durch Degenabnehmen de-<lbn="30"/>
gradiert, ich würd es durchs Gegentheil. Und als ich probierungsweiſe<lb/><noteplace="left"><reftarget="1922_Bd3_154">[154]</ref></note>bei <hirendition="#aq">Amalien</hi>ſagte, „daß ich das Konzert entbehrte, weil auf der Gal-<lb/>
lerie nichts zu hören wäre“ lud ſie mich blos ein zu ihrem durch die<lb/>
Mailänderin.</p></div><lb/></div></body></text></TEI>
[138/0148]
rin die Wäſche 3 Tage früher; niemand lebt von heute auf morgen,
ſondern von Morgen auf Abend. Sie ſind höflicher als die Leipziger.
Strenge Polizei. Um 11 Uhr Nachts ohne Laterne zu ſein, bringt einen
auf die Wache. Meine gute Wirthin bedachte mich mit einer wie ich
in Hof hatte. Wie viel ich leider trinke — da hier nur das engliſche 5
Bier gut iſt, aber ſo, daß du mehr Glas als Nas *) einkaufſt und zwar
für 21 Pf. 1 Bouteille, wovon man 3 braucht — das mus dir daraus
einleuchten, daß meine Kienhold, die wie ihr Man nie einen Tropfen
engliſches Bier anlekt, ſich ein Fas davon eingelegt, blos um es an mich
zu verzapfen. 10
[153]— O Gott! ſage mir doch, was ich dir ſchreiben ſol und ob dir dieſe
minutiae recht ſind, — indes mir deine fehlen.
Hier lebt man eigentlich wohlfeiler, und doch ich theuerer; in
Leipzig 21 gr. für das diner, hier 28, aber es iſt auch beſſer. — Die
algemeinen Freuden, z. B. das Eſſen im bürgerlichen Klub, worin ich 15
bin, koſten wenig, z. B. dieſes 6 gr. für 3 oder 4 Speiſen. (Ich meine
Weimarſches Geld, den Laubtl. à 1 rtl. 15 gr.) —
Apropos! Karoline ſchrieb mir ihren und Amönens närriſchen Ent-
ſchlus zum Hofleben. Nur die väterliche Folter kan ihnen dieſe
Exzentrizität abnöthigen. Ich werde ihnen darum ſchwach abrathen, 20
weswegen ich keinem abrathe, in den Mond hineinzufliegen. Und
warlich ein Hof iſt der Mond, nur daß da nicht wie in dem des Arioſts
der Verſtand gefunden ſondern verloren wird. Niemand taugt dahin
weniger als dieſe ins Freie wachſende Seelen. Z. B. So gut man hier
iſt, ſo ſchreitet doch das Öffentliche im Kurialhohlweg fort. Z. B. 25
Sontags giebt der Hof ein Konzert; unter den Bürgerlichen auf der
Gallerie iſt wenig zu hören. In den Saal können nur Edelleute. Doch
dürft’ ich mich exzipieren, aber „man mus einen Degen anhaben, um
nicht aufzufallen“ ſagte mir der gute redliche Prinzenhofmeiſter Riedel.
Ich verſezte: ſo iſts vorbei; andere werden durch Degenabnehmen de- 30
gradiert, ich würd es durchs Gegentheil. Und als ich probierungsweiſe
bei Amalien ſagte, „daß ich das Konzert entbehrte, weil auf der Gal-
lerie nichts zu hören wäre“ lud ſie mich blos ein zu ihrem durch die
Mailänderin.
[154]
*) Dieſen Reim produziert’ ich bei der Herzogin A[malie] und Herder beur- 35
theilt’ ihn aufmunternd.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/148>, abgerufen am 28.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.