Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.Autor mehr sehen, ausgenommen Einen, Sie. Ich mus es, aber möge Ich wil erst Ihren Brief nach der Seiten-Topik beantworten. Baggesen ist, wenn ich lesend rathen darf, eine blühende frucht- Mein Titan ist und wird gegen die algemeine Zuchtlosigkeit des Verehrtester Freund! Ich sage alles dieses nur mir und lassen Sie Ihre vortrefliche Antizipazion aus Ihrer Schrift ratifiziert zu30 *) Dieser mislungene Ausdruk wil sagen, daß sowohl der Genus als das Prinzip der dargestelten (ästhetischen oder philosophischen) Gestalt ja nicht wieder in der35 Darstellung liegen könne. 9 Jean Paul Briefe. III.
Autor mehr ſehen, ausgenommen Einen, Sie. Ich mus es, aber möge Ich wil erſt Ihren Brief nach der Seiten-Topik beantworten. Baggeſen iſt, wenn ich leſend rathen darf, eine blühende frucht- Mein Titan iſt und wird gegen die algemeine Zuchtloſigkeit des Verehrteſter Freund! Ich ſage alles dieſes nur mir und laſſen Sie Ihre vortrefliche Antizipazion aus Ihrer Schrift ratifiziert zu30 *) Dieſer mislungene Ausdruk wil ſagen, daß ſowohl der Genus als das Prinzip der dargeſtelten (äſthetiſchen oder philoſophiſchen) Geſtalt ja nicht wieder in der35 Darſtellung liegen könne. 9 Jean Paul Briefe. III.
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Autor mehr ſehen, ausgenommen Einen, Sie. Ich mus es, aber möge
Ihr zweites Ararat ein näheres ſein als Eutin.
Ich wil erſt Ihren Brief nach der Seiten-Topik beantworten.
Baggeſen iſt, wenn ich leſend rathen darf, eine blühende frucht-
tragende heiſſe Welt, aber mit einem moraliſchen Schwerpunkt auſſer- 5
halb des Mittelpunkts — Der vortrefliche, humoriſtiſche, ächt wizig
und frei zuſammenfaſſende Baggeſen kan nie Ruhe finden, nie wiſſen
was und ob er liebe und kaum Eigennuz und Opfer trennen. —
Mein Titan iſt und wird gegen die algemeine Zuchtloſigkeit des
Säkulums gewafnet, gegen dieſes irrende Umherbilden ohne ein 10
punctum saliens — gegen jede genialiſche Plethora, d. i. Parzialität
— gegen die äſthetiſche (artiſtiſche) und philoſophiſche Trennung des
Ichs von der Beſchauung, als müſſe nicht dieſe auf jenes wirken, es
vorausſezen, nur durch daſſelbe gelten und darin früher und ſpäter
wohnen als in der Abſtrakzion. *) Beinahe jede Superfötazion und jedes 15
hors d’oeuvre der menſchlichen Natur ſol im Titan Spielraum für
die eignen Fehler finden; obwohl dieſe Moral nur in jener Freiheit
darin lenkt und predigt, womit die poetiſche Gerechtigkeit der Moral
ſich in der Wirklichkeit hinter das tauſendfache Räderwerk der Welt-
Maſchine verbirgt. Der gewöhnliche Leſer mus im äſthetiſchen 20
Werke wie im kosmiſchen um uns überal nur Phyſik und nirgends
Endabſichten antreffen. — Eigentlich iſt doch im Weltal jede Phyſik
Metaphyſik und Teleologie, und jedes Geſez der Natur wird nicht von
Endabſichten begleitet, ſondern ſogar gemacht, und dieſe thun entweder
nichts oder alles, wie ja der volendet-moraliſche Menſch ſchon keine 25
Adiaphora und in der elendeſten Handlung einen moraliſchen Willen
haben müſte.
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Verehrteſter Freund! Ich ſage alles dieſes nur mir und laſſen Sie
mir dieſes epiſtolariſche Soliloquium zu!
Ihre vortrefliche Antizipazion aus Ihrer Schrift ratifiziert zu 30
meiner gröſten Freude das was ich Göthen auf ſeine Frage
über Fichte antwortete: „er iſt der gröſte Scholaſtiker; aber die ganze
Sekte hält das Licht (oder das Auge) für das Objekt.“ Ich ſezte noch
*) Dieſer mislungene Ausdruk wil ſagen, daß ſowohl der Genus als das Prinzip
der dargeſtelten (äſthetiſchen oder philoſophiſchen) Geſtalt ja nicht wieder in der 35
Darſtellung liegen könne.
9 Jean Paul Briefe. III.
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(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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