Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.

Bild:
<< vorherige Seite

sie diese erschuf durch Gott: so scheint auch diese Antinomie wie die
vorigen wenigstens den Ihnen gewöhnlichen Zusaz des auf-
gestelten Positiven zu bedürfen.

79a) Ich bekenn' es, troz meines horror vacui --critici, dauert meine
Quaal über die Widersprüche und Fragen einer unendlichen und5
doch anfangenden Zeit a parte ante, über die Gränze der Gränzen,[135]
ich meine über die rund um mich aufgehangene Sonnenwelt und
über die Nacht um diese etc. etc. etc. gleichwohl fort.

84a) Das Wort Ohren und Schweif kontrastiert neben dem glänzenden
Ur-Wesen unserer Hofnung.10

85a) "objektive Realität in Raum und Zeit" ist nach der kritischen
Schule ja nur subjektive. Zum Beweise führ ich die von Ihnen
selber angeführte Stelle Blat 73 ganz oben, an. b) Schönheit,
Tugend ist aber nur an einem Wesen und keines, und der Unend-
liche ist eines und an keinem. Wenigstens fält diese Gleichung auf.15

86a) fehlet nach wenn "nicht".

89a) Kant sagt das nicht, so wenig als man das Sehen sehen kan,
kont' er sagen, daß man mit der (Zeit) Anschauung die Seele
schaue, d. h. die Form mit derselben Form. "Schaue ewig den Raum
"an, er wird dir so wenig Form der Sinlichkeit werden etc." Aber20
jener sol ja nichts weiter <anders> sein als diese, und er sol ja nicht
Objekt, sondern Auge sein.

90a) Die Kantianer antworten, wir fragten nicht was nüzt, sondern
was ist.

100a) Gleichwohl sind es keine Interlokut- sondern Definitivfragen;25
und kein Wesen kan interessantere thun. Gegen den Scherz wie
gegen die dreifache identische Antwort wird man vielerlei haben.

103a) Kant hält sich für verabscheuungswerth, wenn er die sitlichen
Grundsäze aufgäbe, (welches eine Handlung wäre) nicht aber, wenn
er die metaphysischen verliesse, obgleich diese jenen dienen. -- --30



Der lezte Asteriskus wäre dieser: daß auf den strenggehaltenen, das
Buch und den Widerleger verwirrenden Idealismus, der seine Wirbel
z. B. Bl. 73, 46, 59 etc. schwindelnd treibt, mehr Geschüz zu richten
wäre.*) In Jakobi's Realismus stehen hinten die Stellen aus der

*) Auch gegen die Antinomien und die orientierenden Postulate wünscht' ich35
mehr gesagt, nach Ihrer grossen Manier.

ſie dieſe erſchuf durch Gott: ſo ſcheint auch dieſe Antinomie wie die
vorigen wenigſtens den Ihnen gewöhnlichen Zuſaz des auf-
geſtelten Poſitiven zu bedürfen.

79a) Ich bekenn’ es, troz meines horror vacui —critici, dauert meine
Quaal über die Widerſprüche und Fragen einer unendlichen und5
doch anfangenden Zeit a parte ante, über die Gränze der Gränzen,[135]
ich meine über die rund um mich aufgehangene Sonnenwelt und
über die Nacht um dieſe ꝛc. ꝛc. ꝛc. gleichwohl fort.

84a) Das Wort Ohren und Schweif kontraſtiert neben dem glänzenden
Ur-Weſen unſerer Hofnung.10

85a) „objektive Realität in Raum und Zeit“ iſt nach der kritiſchen
Schule ja nur ſubjektive. Zum Beweiſe führ ich die von Ihnen
ſelber angeführte Stelle Blat 73̅ ganz oben, an. b) Schönheit,
Tugend iſt aber nur an einem Weſen und keines, und der Unend-
liche iſt eines und an keinem. Wenigſtens fält dieſe Gleichung auf.15

86̅a) fehlet nach wenn „nicht“.

89a) Kant ſagt das nicht, ſo wenig als man das Sehen ſehen kan,
kont’ er ſagen, daß man mit der (Zeit) Anſchauung die Seele
ſchaue, d. h. die Form mit derſelben Form. „Schaue ewig den Raum
„an, er wird dir ſo wenig Form der Sinlichkeit werden ꝛc.“ Aber20
jener ſol ja nichts weiter <anders> ſein als dieſe, und er ſol ja nicht
Objekt, ſondern Auge ſein.

90a) Die Kantianer antworten, wir fragten nicht was nüzt, ſondern
was iſt.

100a) Gleichwohl ſind es keine Interlokut- ſondern Definitivfragen;25
und kein Weſen kan intereſſantere thun. Gegen den Scherz wie
gegen die dreifache identiſche Antwort wird man vielerlei haben.

103a) Kant hält ſich für verabſcheuungswerth, wenn er die ſitlichen
Grundſäze aufgäbe, (welches eine Handlung wäre) nicht aber, wenn
er die metaphyſiſchen verlieſſe, obgleich dieſe jenen dienen. — —30



Der lezte Aſteriſkus wäre dieſer: daß auf den ſtrenggehaltenen, das
Buch und den Widerleger verwirrenden Idealiſmus, der ſeine Wirbel
z. B. Bl. 73̅, 46, 59̅ ꝛc. ſchwindelnd treibt, mehr Geſchüz zu richten
wäre.*) In Jakobi’s Realiſmus ſtehen hinten die Stellen aus der

*) Auch gegen die Antinomien und die orientierenden Poſtulate wünſcht’ ich35
mehr geſagt, nach Ihrer groſſen Manier.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0131" n="121"/>
&#x017F;ie die&#x017F;e er&#x017F;chuf durch Gott: &#x017F;o &#x017F;cheint auch die&#x017F;e Antinomie wie die<lb/>
vorigen wenig&#x017F;tens den Ihnen gewöhnlichen Zu&#x017F;az des auf-<lb/>
ge&#x017F;telten Po&#x017F;itiven zu bedürfen.</hi> </p><lb/>
        <p> <hi rendition="#et">79<hi rendition="#aq">a</hi>) Ich bekenn&#x2019; es, troz meines <hi rendition="#aq">horror vacui &#x2014;critici,</hi> dauert meine<lb/>
Quaal über die Wider&#x017F;prüche und Fragen einer unendlichen und<lb n="5"/>
doch anfangenden Zeit <hi rendition="#aq">a parte ante,</hi> über die Gränze der Gränzen,<note place="right"><ref target="1922_Bd3_135">[135]</ref></note><lb/>
ich meine über die rund um mich aufgehangene Sonnenwelt und<lb/>
über die Nacht um die&#x017F;e &#xA75B;c. &#xA75B;c. &#xA75B;c. gleichwohl fort.</hi> </p><lb/>
        <p> <hi rendition="#et">84<hi rendition="#aq">a</hi>) Das Wort Ohren und Schweif kontra&#x017F;tiert neben dem glänzenden<lb/>
Ur-We&#x017F;en un&#x017F;erer Hofnung.<lb n="10"/>
</hi> </p><lb/>
        <p> <hi rendition="#et">85<hi rendition="#aq">a</hi>) &#x201E;objektive Realität in Raum und Zeit&#x201C; i&#x017F;t nach der kriti&#x017F;chen<lb/>
Schule ja nur &#x017F;ubjektive. Zum Bewei&#x017F;e führ ich die von Ihnen<lb/>
&#x017F;elber angeführte Stelle Blat 73&#x0305; ganz oben, an. <hi rendition="#aq">b</hi>) Schönheit,<lb/>
Tugend i&#x017F;t aber nur <hi rendition="#g">an</hi> einem We&#x017F;en und keines, und der Unend-<lb/>
liche i&#x017F;t <hi rendition="#g">eines</hi> und an keinem. Wenig&#x017F;tens fält die&#x017F;e Gleichung auf.<lb n="15"/>
</hi> </p><lb/>
        <p> <hi rendition="#et">86&#x0305;<hi rendition="#aq">a</hi>) fehlet nach <hi rendition="#g">wenn</hi> &#x201E;nicht&#x201C;.</hi> </p><lb/>
        <p> <hi rendition="#et">89<hi rendition="#aq">a</hi>) Kant &#x017F;agt das nicht, &#x017F;o wenig als man das Sehen &#x017F;ehen kan,<lb/>
kont&#x2019; er &#x017F;agen, daß man mit der (Zeit) An&#x017F;chauung die Seele<lb/>
&#x017F;chaue, d. h. die Form mit der&#x017F;elben Form. &#x201E;Schaue ewig den Raum<lb/>
&#x201E;an, er wird dir &#x017F;o wenig Form der Sinlichkeit werden &#xA75B;c.&#x201C; Aber<lb n="20"/>
jener &#x017F;ol ja nichts weiter &lt;anders&gt; &#x017F;ein als die&#x017F;e, und er &#x017F;ol ja nicht<lb/>
Objekt, &#x017F;ondern Auge &#x017F;ein.</hi> </p><lb/>
        <p> <hi rendition="#et">90<hi rendition="#aq">a</hi>) Die Kantianer antworten, wir fragten nicht was <hi rendition="#g">nüzt,</hi> &#x017F;ondern<lb/>
was <hi rendition="#g">i&#x017F;t.</hi></hi> </p><lb/>
        <p> <hi rendition="#et">100<hi rendition="#aq">a</hi>) Gleichwohl &#x017F;ind es keine Interlokut- &#x017F;ondern Definitivfragen;<lb n="25"/>
und kein We&#x017F;en kan intere&#x017F;&#x017F;antere thun. Gegen den Scherz wie<lb/>
gegen die dreifache identi&#x017F;che Antwort wird man vielerlei haben.</hi> </p><lb/>
        <p> <hi rendition="#et">103<hi rendition="#aq">a</hi>) Kant hält &#x017F;ich für verab&#x017F;cheuungswerth, wenn er die &#x017F;itlichen<lb/>
Grund&#x017F;äze aufgäbe, (welches eine Handlung wäre) nicht aber, wenn<lb/>
er die metaphy&#x017F;i&#x017F;chen verlie&#x017F;&#x017F;e, obgleich die&#x017F;e jenen dienen. &#x2014; &#x2014;<lb n="30"/>
</hi> </p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p>Der lezte A&#x017F;teri&#x017F;kus wäre die&#x017F;er: daß auf den &#x017F;trenggehaltenen, das<lb/>
Buch und den Widerleger verwirrenden Ideali&#x017F;mus, der &#x017F;eine Wirbel<lb/>
z. B. Bl. 73&#x0305;, 46, 59&#x0305; &#xA75B;c. &#x017F;chwindelnd treibt, mehr Ge&#x017F;chüz zu richten<lb/>
wäre.<note place="foot" n="*)">Auch gegen die Antinomien und die orientierenden Po&#x017F;tulate wün&#x017F;cht&#x2019; ich<lb n="35"/>
mehr ge&#x017F;agt, nach Ihrer gro&#x017F;&#x017F;en Manier.</note> In Jakobi&#x2019;s Reali&#x017F;mus &#x017F;tehen hinten die Stellen aus der<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[121/0131] ſie dieſe erſchuf durch Gott: ſo ſcheint auch dieſe Antinomie wie die vorigen wenigſtens den Ihnen gewöhnlichen Zuſaz des auf- geſtelten Poſitiven zu bedürfen. 79a) Ich bekenn’ es, troz meines horror vacui —critici, dauert meine Quaal über die Widerſprüche und Fragen einer unendlichen und 5 doch anfangenden Zeit a parte ante, über die Gränze der Gränzen, ich meine über die rund um mich aufgehangene Sonnenwelt und über die Nacht um dieſe ꝛc. ꝛc. ꝛc. gleichwohl fort. 84a) Das Wort Ohren und Schweif kontraſtiert neben dem glänzenden Ur-Weſen unſerer Hofnung. 10 85a) „objektive Realität in Raum und Zeit“ iſt nach der kritiſchen Schule ja nur ſubjektive. Zum Beweiſe führ ich die von Ihnen ſelber angeführte Stelle Blat 73̅ ganz oben, an. b) Schönheit, Tugend iſt aber nur an einem Weſen und keines, und der Unend- liche iſt eines und an keinem. Wenigſtens fält dieſe Gleichung auf. 15 86̅a) fehlet nach wenn „nicht“. 89a) Kant ſagt das nicht, ſo wenig als man das Sehen ſehen kan, kont’ er ſagen, daß man mit der (Zeit) Anſchauung die Seele ſchaue, d. h. die Form mit derſelben Form. „Schaue ewig den Raum „an, er wird dir ſo wenig Form der Sinlichkeit werden ꝛc.“ Aber 20 jener ſol ja nichts weiter <anders> ſein als dieſe, und er ſol ja nicht Objekt, ſondern Auge ſein. 90a) Die Kantianer antworten, wir fragten nicht was nüzt, ſondern was iſt. 100a) Gleichwohl ſind es keine Interlokut- ſondern Definitivfragen; 25 und kein Weſen kan intereſſantere thun. Gegen den Scherz wie gegen die dreifache identiſche Antwort wird man vielerlei haben. 103a) Kant hält ſich für verabſcheuungswerth, wenn er die ſitlichen Grundſäze aufgäbe, (welches eine Handlung wäre) nicht aber, wenn er die metaphyſiſchen verlieſſe, obgleich dieſe jenen dienen. — — 30 Der lezte Aſteriſkus wäre dieſer: daß auf den ſtrenggehaltenen, das Buch und den Widerleger verwirrenden Idealiſmus, der ſeine Wirbel z. B. Bl. 73̅, 46, 59̅ ꝛc. ſchwindelnd treibt, mehr Geſchüz zu richten wäre. *) In Jakobi’s Realiſmus ſtehen hinten die Stellen aus der *) Auch gegen die Antinomien und die orientierenden Poſtulate wünſcht’ ich 35 mehr geſagt, nach Ihrer groſſen Manier.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:05:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:05:42Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/131
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/131>, abgerufen am 24.11.2024.