"von Ihrer Himmelsbahn manchmal ein Blätgen herüberfliegen zu "den Muthlosen." -- Hier ist ein ungewöhnlich höflicher Ton gegen die Weiber, die sogar -- d. h. oft 90 an der Zahl -- ins Konzert den freien Eintrit haben, den man nachher vor ihrem Herzen fodert. -- Schelling sprach ich im Museum; er gefält mir so wenig als die ganze5 verfluchte Philosophen-Horde: ich macht' ihn doch höflich nach dem ersten Wort auf das hinter mir hängende Gemälde aufmerksam, das die Babylon[ische] Thurmbaute -- und die Philosophie -- vorstelte. -- Ich war in Belgershain 2 Nächte: ach wie schön ist es! Und wie überglüklich Oertel! Jeder Fustrit des Bedürfnisses ist aus diesem10 Frühlingshaus verwischt -- es scheint blos für das Landvergnügen gebauet -- Oertel besuchte Leipzig seit der Hochzeit 1 mal -- Nachti- gallen, Johanniswürmgen, Bäume, Bücher und die unaussprechliche[8] Liebe seiner Frau umzingeln ihn. -- Ich hefte mir ein Buch zu Merk- würdigkeiten, die ich dir einmal erzählen wil -- das sol dir manchen15 Brief ersezen. -- Ich habe so viel zu berichten -- und leider unmässig an den Teufels Papieren zu arbeiten! -- Ich lerne meine Briefe immer schneller schreiben; thät ichs mit meinen Büchern, so solte das Publi- kum mit deren Verständlichkeit zufrieden sein. -- Bedenke daß ich enger schreibe als du. -- Grüsse die Deinigen als wär' ich du! -- Und20 deine Novemberabende müssen glänzende durchfliegende Ideale er- leuchten und dich innig beglücken!
R.
Schreibe mir unbegreiflich-viel so wohl Neuigkeiten als Gedanken darüber.25
Den Brün[ingkschen] Brief schicke zum Höpfner.
N. S.
Ich nehme dieses Blat von dem Briefe der brandschazenden Schuk- man, um nur etwas zu gewinnen: sie schreibt mich an den Bettelstab. -- Ich halte ein Buch, worein ich deine Porto- und Träger-Auslagen30 eintrage. -- Ich danke dir für die Mühe. Wer dich von deinem Zed- wiz[er] Gang abzog? Die Engel von uns beiden, die uns nicht an einander krank werden lassen wolten. Wer kan uns den Frühling nehmen, mein Lieber, oder die Hofnung? --
„von Ihrer Himmelsbahn manchmal ein Blätgen herüberfliegen zu „den Muthloſen.“ — Hier iſt ein ungewöhnlich höflicher Ton gegen die Weiber, die ſogar — d. h. oft 90 an der Zahl — ins Konzert den freien Eintrit haben, den man nachher vor ihrem Herzen fodert. — Schelling ſprach ich im Muſeum; er gefält mir ſo wenig als die ganze5 verfluchte Philoſophen-Horde: ich macht’ ihn doch höflich nach dem erſten Wort auf das hinter mir hängende Gemälde aufmerkſam, das die Babylon[iſche] Thurmbaute — und die Philoſophie — vorſtelte. — Ich war in Belgershain 2 Nächte: ach wie ſchön iſt es! Und wie überglüklich Oertel! Jeder Fustrit des Bedürfniſſes iſt aus dieſem10 Frühlingshaus verwiſcht — es ſcheint blos für das Landvergnügen gebauet — Oertel beſuchte Leipzig ſeit der Hochzeit 1 mal — Nachti- gallen, Johanniswürmgen, Bäume, Bücher und die unausſprechliche[8] Liebe ſeiner Frau umzingeln ihn. — Ich hefte mir ein Buch zu Merk- würdigkeiten, die ich dir einmal erzählen wil — das ſol dir manchen15 Brief erſezen. — Ich habe ſo viel zu berichten — und leider unmäſſig an den Teufels Papieren zu arbeiten! — Ich lerne meine Briefe immer ſchneller ſchreiben; thät ichs mit meinen Büchern, ſo ſolte das Publi- kum mit deren Verſtändlichkeit zufrieden ſein. — Bedenke daß ich enger ſchreibe als du. — Grüſſe die Deinigen als wär’ ich du! — Und20 deine Novemberabende müſſen glänzende durchfliegende Ideale er- leuchten und dich innig beglücken!
R.
Schreibe mir unbegreiflich-viel ſo wohl Neuigkeiten als Gedanken darüber.25
Den Brün[ingkſchen] Brief ſchicke zum Höpfner.
N. S.
Ich nehme dieſes Blat von dem Briefe der brandſchazenden Schuk- man, um nur etwas zu gewinnen: ſie ſchreibt mich an den Bettelſtab. — Ich halte ein Buch, worein ich deine Porto- und Träger-Auslagen30 eintrage. — Ich danke dir für die Mühe. Wer dich von deinem Zed- wiz[er] Gang abzog? Die Engel von uns beiden, die uns nicht an einander krank werden laſſen wolten. Wer kan uns den Frühling nehmen, mein Lieber, oder die Hofnung? —
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„von Ihrer Himmelsbahn manchmal ein Blätgen herüberfliegen zu
„den Muthloſen.“ — Hier iſt ein ungewöhnlich höflicher Ton gegen
die Weiber, die ſogar — d. h. oft 90 an der Zahl — ins Konzert den
freien Eintrit haben, den man nachher vor ihrem Herzen fodert. —
Schelling ſprach ich im Muſeum; er gefält mir ſo wenig als die ganze 5
verfluchte Philoſophen-Horde: ich macht’ ihn doch höflich nach dem
erſten Wort auf das hinter mir hängende Gemälde aufmerkſam, das
die Babylon[iſche] Thurmbaute — und die Philoſophie — vorſtelte. —
Ich war in Belgershain 2 Nächte: ach wie ſchön iſt es! Und wie
überglüklich Oertel! Jeder Fustrit des Bedürfniſſes iſt aus dieſem 10
Frühlingshaus verwiſcht — es ſcheint blos für das Landvergnügen
gebauet — Oertel beſuchte Leipzig ſeit der Hochzeit 1 mal — Nachti-
gallen, Johanniswürmgen, Bäume, Bücher und die unausſprechliche
Liebe ſeiner Frau umzingeln ihn. — Ich hefte mir ein Buch zu Merk-
würdigkeiten, die ich dir einmal erzählen wil — das ſol dir manchen 15
Brief erſezen. — Ich habe ſo viel zu berichten — und leider unmäſſig
an den Teufels Papieren zu arbeiten! — Ich lerne meine Briefe immer
ſchneller ſchreiben; thät ichs mit meinen Büchern, ſo ſolte das Publi-
kum mit deren Verſtändlichkeit zufrieden ſein. — Bedenke daß ich
enger ſchreibe als du. — Grüſſe die Deinigen als wär’ ich du! — Und 20
deine Novemberabende müſſen glänzende durchfliegende Ideale er-
leuchten und dich innig beglücken!
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Schreibe mir unbegreiflich-viel ſo wohl Neuigkeiten als Gedanken
darüber. 25
Den Brün[ingkſchen] Brief ſchicke zum Höpfner.
N. S.
Ich nehme dieſes Blat von dem Briefe der brandſchazenden Schuk-
man, um nur etwas zu gewinnen: ſie ſchreibt mich an den Bettelſtab.
— Ich halte ein Buch, worein ich deine Porto- und Träger-Auslagen 30
eintrage. — Ich danke dir für die Mühe. Wer dich von deinem Zed-
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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/12>, abgerufen am 24.11.2024.
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