Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.

Bild:
<< vorherige Seite

und der Genius der Vergangenheit schleiche ungesehen fort -- Und
da ich so oft an deinem Herzen weine, kanst du fragen, ob es aus Liebe
war?



[123](*)144. An Charlotte von Kalb in Kalbsrieth.
[Kopie, z. T. Konzept]5

[Gestern kam ich an und empfieng von der Herder den innigst er-
sehnten Brief, geliebte Freundin, nach deren Erscheinung ich mich
unter so vielen Zeichen unsers vereinigten Frühlings noch inniger
sehne. --] Ich fand [hier] die alte Liebe wieder und bringe die alte mit,
aber eine neue oder bedachtsamere Zunge, die ein wenig weiter als10
sonst vom Herz abliegt. Doch hab' ich nur mein Aeusseres, wenig
mein Inneres verändert und erkältet und meine Grundsäze haben
meine Erfahrungen überlebt oder bestochen. [Herders sprechen viel
über Sie; Sie werden von ihnen tief erkant d. h. geliebt, aber] wenn
man mir [da] die Fülle Ihrer innern unverwelklichen Welt abmalt: so15
sagt mir ein Seufzer, daß ich einmal darin an einem Frühling einen
Frühling fand. [Kommen Sie bald und bringen Sie die alte Gesinnung
mit, die ich Ihrem Herzen entgegenbringe.]

145. An Karl August Böttiger in Weimar.
20

Indem ich Ihnen, verehrtester H. K[onsistorial]R[ath], recht
herzlich für die litterarischen Moniteurs und Sekzionsberichte danke:
so -- oder eben darum -- bitt' ich Sie, mich blos zum lezten Leser
zu machen, nicht aber wie gestern zum zweiten. -- Ist hier nicht das
34te Stük der theol. Rintelschen Annalen von 98, worauf H. v. Harden-25
berg
mich aufmerksam machte, aufzutreiben? -- Leben Sie wohl
d. h. wie ich, und gehen Sie heute in die Oper! --

Richter
[124]146. An Elisabeth Hänel in Leipzig.
[Kopie]30

Das Schiksal hat seine Schleier und Nebel über die flüchtige Eden-
zeit gedekt und mir ist als läg' alles schon weit in die Vergangenheit
hinein. Ich mag mit dem breiten Gemälde meines Friedens nicht in

und der Genius der Vergangenheit ſchleiche ungeſehen fort — Und
da ich ſo oft an deinem Herzen weine, kanſt du fragen, ob es aus Liebe
war?



[123](*)144. An Charlotte von Kalb in Kalbsrieth.
[Kopie, z. T. Konzept]5

[Geſtern kam ich an und empfieng von der Herder den innigſt er-
ſehnten Brief, geliebte Freundin, nach deren Erſcheinung ich mich
unter ſo vielen Zeichen unſers vereinigten Frühlings noch inniger
ſehne. —] Ich fand [hier] die alte Liebe wieder und bringe die alte mit,
aber eine neue oder bedachtſamere Zunge, die ein wenig weiter als10
ſonſt vom Herz abliegt. Doch hab’ ich nur mein Aeuſſeres, wenig
mein Inneres verändert und erkältet und meine Grundſäze haben
meine Erfahrungen überlebt oder beſtochen. [Herders ſprechen viel
über Sie; Sie werden von ihnen tief erkant d. h. geliebt, aber] wenn
man mir [da] die Fülle Ihrer innern unverwelklichen Welt abmalt: ſo15
ſagt mir ein Seufzer, daß ich einmal darin an einem Frühling einen
Frühling fand. [Kommen Sie bald und bringen Sie die alte Geſinnung
mit, die ich Ihrem Herzen entgegenbringe.]

145. An Karl Auguſt Böttiger in Weimar.
20

Indem ich Ihnen, verehrteſter H. K[onſiſtorial]R[ath], recht
herzlich für die litterariſchen Moniteurs und Sekzionsberichte danke:
ſo — oder eben darum — bitt’ ich Sie, mich blos zum lezten Leſer
zu machen, nicht aber wie geſtern zum zweiten. — Iſt hier nicht das
34te Stük der theol. Rintelſchen Annalen von 98, worauf H. v. Harden-25
berg
mich aufmerkſam machte, aufzutreiben? — Leben Sie wohl
d. h. wie ich, und gehen Sie heute in die Oper! —

Richter
[124]146. An Eliſabeth Hänel in Leipzig.
[Kopie]30

Das Schikſal hat ſeine Schleier und Nebel über die flüchtige Eden-
zeit gedekt und mir iſt als läg’ alles ſchon weit in die Vergangenheit
hinein. Ich mag mit dem breiten Gemälde meines Friedens nicht in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0119" n="110"/>
und der Genius der Vergangenheit &#x017F;chleiche unge&#x017F;ehen fort &#x2014; Und<lb/>
da ich &#x017F;o oft an deinem Herzen weine, kan&#x017F;t du fragen, ob es aus Liebe<lb/>
war?</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head><note place="left"><ref target="1922_Bd3_123">[123]</ref></note>(*)144. An <hi rendition="#g">Charlotte von Kalb in Kalbsrieth.</hi></head><lb/>
        <note type="editorial">[Kopie, z. T. Konzept]</note>
        <dateline> <hi rendition="#right">[Weimar, 27. (?) Okt. 1798]</hi> </dateline>
        <lb n="5"/>
        <p>[Ge&#x017F;tern kam ich an und empfieng von der Herder den innig&#x017F;t er-<lb/>
&#x017F;ehnten Brief, geliebte Freundin, nach deren Er&#x017F;cheinung ich mich<lb/>
unter &#x017F;o vielen Zeichen un&#x017F;ers vereinigten Frühlings noch inniger<lb/>
&#x017F;ehne. &#x2014;] Ich fand [hier] die alte Liebe wieder und bringe die alte mit,<lb/>
aber eine neue oder bedacht&#x017F;amere Zunge, die ein wenig weiter als<lb n="10"/>
&#x017F;on&#x017F;t vom Herz abliegt. Doch hab&#x2019; ich nur mein Aeu&#x017F;&#x017F;eres, wenig<lb/>
mein Inneres verändert und erkältet und meine Grund&#x017F;äze haben<lb/>
meine Erfahrungen überlebt oder be&#x017F;tochen. [Herders &#x017F;prechen viel<lb/>
über Sie; Sie werden von ihnen tief erkant d. h. geliebt, aber] wenn<lb/>
man mir [da] die Fülle Ihrer innern unverwelklichen Welt abmalt: &#x017F;o<lb n="15"/>
&#x017F;agt mir ein Seufzer, daß ich einmal darin an einem Frühling einen<lb/>
Frühling fand. [Kommen Sie bald und bringen Sie die alte Ge&#x017F;innung<lb/>
mit, die ich Ihrem Herzen entgegenbringe.]</p>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>145. An <hi rendition="#g">Karl Augu&#x017F;t Böttiger in Weimar.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right">[Weimar, 31. Okt. 1798]</hi> </dateline>
        <lb n="20"/>
        <p>Indem ich Ihnen, verehrte&#x017F;ter H. K[on&#x017F;i&#x017F;torial]R[ath], recht<lb/>
herzlich für die litterari&#x017F;chen <hi rendition="#aq">Moniteurs</hi> und Sekzionsberichte danke:<lb/>
&#x017F;o &#x2014; oder eben darum &#x2014; bitt&#x2019; ich Sie, mich blos zum <hi rendition="#g">lezten</hi> Le&#x017F;er<lb/>
zu machen, nicht aber wie ge&#x017F;tern zum <hi rendition="#g">zweiten.</hi> &#x2014; I&#x017F;t hier nicht das<lb/>
34<hi rendition="#sup">te</hi> Stük der theol. Rintel&#x017F;chen Annalen von 98, worauf H. <hi rendition="#aq">v. Harden-<lb n="25"/>
berg</hi> mich aufmerk&#x017F;am machte, aufzutreiben? &#x2014; Leben Sie wohl<lb/>
d. h. wie ich, und gehen Sie heute in die Oper! &#x2014;</p><lb/>
        <closer>
          <salute> <hi rendition="#right">Richter</hi> </salute>
        </closer>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head><note place="left"><ref target="1922_Bd3_124">[124]</ref></note>146. An <hi rendition="#g">Eli&#x017F;abeth Hänel in Leipzig.</hi></head><lb/>
        <note type="editorial">[Kopie]</note>
        <dateline> <hi rendition="#right">[Weimar, 1. Nov. 1798]</hi> </dateline>
        <lb n="30"/>
        <p>Das Schik&#x017F;al hat &#x017F;eine Schleier und Nebel über die flüchtige Eden-<lb/>
zeit gedekt und mir i&#x017F;t als läg&#x2019; alles &#x017F;chon weit in die Vergangenheit<lb/>
hinein. Ich mag mit dem breiten Gemälde meines Friedens nicht in<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[110/0119] und der Genius der Vergangenheit ſchleiche ungeſehen fort — Und da ich ſo oft an deinem Herzen weine, kanſt du fragen, ob es aus Liebe war? (*)144. An Charlotte von Kalb in Kalbsrieth. [Weimar, 27. (?) Okt. 1798] 5 [Geſtern kam ich an und empfieng von der Herder den innigſt er- ſehnten Brief, geliebte Freundin, nach deren Erſcheinung ich mich unter ſo vielen Zeichen unſers vereinigten Frühlings noch inniger ſehne. —] Ich fand [hier] die alte Liebe wieder und bringe die alte mit, aber eine neue oder bedachtſamere Zunge, die ein wenig weiter als 10 ſonſt vom Herz abliegt. Doch hab’ ich nur mein Aeuſſeres, wenig mein Inneres verändert und erkältet und meine Grundſäze haben meine Erfahrungen überlebt oder beſtochen. [Herders ſprechen viel über Sie; Sie werden von ihnen tief erkant d. h. geliebt, aber] wenn man mir [da] die Fülle Ihrer innern unverwelklichen Welt abmalt: ſo 15 ſagt mir ein Seufzer, daß ich einmal darin an einem Frühling einen Frühling fand. [Kommen Sie bald und bringen Sie die alte Geſinnung mit, die ich Ihrem Herzen entgegenbringe.] 145. An Karl Auguſt Böttiger in Weimar. [Weimar, 31. Okt. 1798] 20 Indem ich Ihnen, verehrteſter H. K[onſiſtorial]R[ath], recht herzlich für die litterariſchen Moniteurs und Sekzionsberichte danke: ſo — oder eben darum — bitt’ ich Sie, mich blos zum lezten Leſer zu machen, nicht aber wie geſtern zum zweiten. — Iſt hier nicht das 34te Stük der theol. Rintelſchen Annalen von 98, worauf H. v. Harden- 25 berg mich aufmerkſam machte, aufzutreiben? — Leben Sie wohl d. h. wie ich, und gehen Sie heute in die Oper! — Richter 146. An Eliſabeth Hänel in Leipzig. [Weimar, 1. Nov. 1798] 30 Das Schikſal hat ſeine Schleier und Nebel über die flüchtige Eden- zeit gedekt und mir iſt als läg’ alles ſchon weit in die Vergangenheit hinein. Ich mag mit dem breiten Gemälde meines Friedens nicht in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:05:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:05:42Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/119
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/119>, abgerufen am 27.11.2024.