Die Empfänglichkeit Frankreichs für die neuere Neuerung, von den[48] Waldensern her, hättest du als den Grund des Gemäldes mehr aus- malen sollen. -- Ich sage dir allemal meine Meinung: taugt sie nichts, so taugt doch die Absicht.
Jezt siehe im Mspt.5
1. Der Leser bekömt wegen der Suspension des Verbums lauter dunkle Begriffe oder er mus es 2mal lesen.
2. Der Demokratismus ist zwar in deinem Kopfe und in der Natur (in den Niederlanden) motiviert; aber du hast es nicht herausgesagt. --
3. So scheinst du über die nächsten Folgen der Bartholomäusnacht, so10 wie über das teufli[s]che Soufleurloch der Katharina, zumal unter der Regentschaft eilig weggeflogen zu sein.
4. "Aufopferung der katholischen Religion" dieser undeutliche Aus- druk war 2mal da.
5. "liessen ihn allein stehen" war etliche male da.15
Den Parallelismus zwischen Heinrich 3 und Ludwig 16. must du erstlich abkürzen als Episode, indem du alle beide alzeit mit ein- ander und nicht nach einander schilderst; zweitens bedarf auch des ersten Tod, da er nur ihn, nicht die Zeit angeht, sparsamere Züge. Auch hast du die Karakterschilderung des Tropfen zu oft wiederholet,20 da sie jeder Leser ohnehin in allen Begebenheiten blutig und gräslich wiederfindet. -- Noch etwas: flektiere doch (der Deutlichkeit wegen) nomina propria oder schreib wenigstens Heinrich dem 3.
Was ich noch zu sagen hätte, wäre Lob; und die Bitte, daß ich bald das Andere bekomme, weil das für mich der einzige Weg ist,25 auf dem ich nicht wüste mit welcher Wissenschaft ich dan die Ge- schichte -- die dan keine mehr ist -- vertauschen möchte.
Ich bin eben so eilig als ich streng war: aber das leztere mus unter uns mehr sein als du es gegen meine Sachen bist. Morgen bekömst du deine 2 andern Aufsäze, und meine Abhandlung. Ich hatte30 nur heute Nachmittags Schule wegen gestriger versäumter. Gute Nacht! sag ich erst um 101/2.
Richter
68. An Christian Otto.[49]
[Hof] d. 26 Feb. 95.
Gestern machte ein ordentlicher tüchtiger 6 Wochen auswärts ge-35 wesener Kopfschmerzen, daß ich mein Wort nicht hielt; ich wolt' aber,
Die Empfänglichkeit Frankreichs für die neuere Neuerung, von den[48] Waldenſern her, hätteſt du als den Grund des Gemäldes mehr aus- malen ſollen. — Ich ſage dir allemal meine Meinung: taugt ſie nichts, ſo taugt doch die Abſicht.
Jezt ſiehe im Mſpt.5
1. Der Leſer bekömt wegen der Suſpenſion des Verbums lauter dunkle Begriffe oder er mus es 2mal leſen.
2. Der Demokratiſmus iſt zwar in deinem Kopfe und in der Natur (in den Niederlanden) motiviert; aber du haſt es nicht herausgeſagt. —
3. So ſcheinſt du über die nächſten Folgen der Bartholomäusnacht, ſo10 wie über das teufli[ſ]che Soufleurloch der Katharina, zumal unter der Regentſchaft eilig weggeflogen zu ſein.
4. „Aufopferung der katholiſchen Religion“ dieſer undeutliche Aus- druk war 2mal da.
5. „lieſſen ihn allein ſtehen“ war etliche male da.15
Den Paralleliſmus zwiſchen Heinrich 3 und Ludwig 16. muſt du erſtlich abkürzen 〈als Epiſode〉, indem du alle beide alzeit mit ein- ander und nicht nach einander ſchilderſt; zweitens bedarf auch des erſten Tod, da er nur ihn, nicht die Zeit angeht, ſparſamere Züge. Auch haſt du die Karakterſchilderung des Tropfen zu oft wiederholet,20 da ſie jeder Leſer ohnehin in allen Begebenheiten blutig und gräslich wiederfindet. — Noch etwas: flektiere doch (der Deutlichkeit wegen) nomina propria oder ſchreib wenigſtens Heinrich dem 3.
Was ich noch zu ſagen hätte, wäre Lob; und die Bitte, daß ich bald das Andere bekomme, weil das für mich der einzige Weg iſt,25 auf dem ich nicht wüſte mit welcher Wiſſenſchaft ich dan die Ge- ſchichte — die dan keine mehr iſt — vertauſchen möchte.
Ich bin eben ſo eilig als ich ſtreng war: aber das leztere mus unter uns mehr ſein als du es gegen meine Sachen biſt. Morgen bekömſt du deine 2 andern Aufſäze, und meine Abhandlung. Ich hatte30 nur heute Nachmittags Schule wegen geſtriger verſäumter. Gute Nacht! ſag ich erſt um 10½.
Richter
68. An Chriſtian Otto.[49]
[Hof] d. 26 Feb. 95.
Geſtern machte ein ordentlicher tüchtiger 6 Wochen auswärts ge-35 weſener Kopfſchmerzen, daß ich mein Wort nicht hielt; ich wolt’ aber,
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Die Empfänglichkeit Frankreichs für die neuere Neuerung, von den
Waldenſern her, hätteſt du als den Grund des Gemäldes mehr aus-
malen ſollen. — Ich ſage dir allemal meine Meinung: taugt ſie
nichts, ſo taugt doch die Abſicht.
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Jezt ſiehe im Mſpt. 5
1. Der Leſer bekömt wegen der Suſpenſion des Verbums lauter
dunkle Begriffe oder er mus es 2mal leſen.
2. Der Demokratiſmus iſt zwar in deinem Kopfe und in der Natur
(in den Niederlanden) motiviert; aber du haſt es nicht herausgeſagt. —
3. So ſcheinſt du über die nächſten Folgen der Bartholomäusnacht, ſo 10
wie über das teufli[ſ]che Soufleurloch der Katharina, zumal unter
der Regentſchaft eilig weggeflogen zu ſein.
4. „Aufopferung der katholiſchen Religion“ dieſer undeutliche Aus-
druk war 2mal da.
5. „lieſſen ihn allein ſtehen“ war etliche male da. 15
Den Paralleliſmus zwiſchen Heinrich 3 und Ludwig 16. muſt du
erſtlich abkürzen 〈als Epiſode〉, indem du alle beide alzeit mit ein-
ander und nicht nach einander ſchilderſt; zweitens bedarf auch des
erſten Tod, da er nur ihn, nicht die Zeit angeht, ſparſamere Züge.
Auch haſt du die Karakterſchilderung des Tropfen zu oft wiederholet, 20
da ſie jeder Leſer ohnehin in allen Begebenheiten blutig und gräslich
wiederfindet. — Noch etwas: flektiere doch (der Deutlichkeit wegen)
nomina propria oder ſchreib wenigſtens Heinrich dem 3.
Was ich noch zu ſagen hätte, wäre Lob; und die Bitte, daß ich
bald das Andere bekomme, weil das für mich der einzige Weg iſt, 25
auf dem ich nicht wüſte mit welcher Wiſſenſchaft ich dan die Ge-
ſchichte — die dan keine mehr iſt — vertauſchen möchte.
Ich bin eben ſo eilig als ich ſtreng war: aber das leztere mus
unter uns mehr ſein als du es gegen meine Sachen biſt. Morgen
bekömſt du deine 2 andern Aufſäze, und meine Abhandlung. Ich hatte 30
nur heute Nachmittags Schule wegen geſtriger verſäumter. Gute
Nacht! ſag ich erſt um 10½.
Richter
68. An Chriſtian Otto.
[Hof] d. 26 Feb. 95.
Geſtern machte ein ordentlicher tüchtiger 6 Wochen auswärts ge- 35
weſener Kopfſchmerzen, daß ich mein Wort nicht hielt; ich wolt’ aber,
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/64>, abgerufen am 16.02.2025.
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