Festtag (Geburtstag) oder die Festminute im kurzen Tag des Lebens. Jedes Jahr war ein neuer Schrit an unser Herz und jezt sind wir in ewiger Freundschaft beisammen. Wenn ich weit von Ihnen lebe und5 wenn dieser Schalttag im Werkeltageleben für Sie wiederkomt: so wil ich ihn einsam aber warm mit feiern und unter dem grossen Himmel und die, blos von der Erde nicht gehörten Wünsche für Sie thun und, indem ich nach Ihrer Gegend sehe, denken: "sie sei so froh wie das vorige lezte mal -- sie verliere keine Seele, die sie liebte --10 zwischen ihren Geburtstagen wachsen Blumen auf und nichts mehr -- ihr Schiksal sei so sanft wie ihr Herz und ihr Himmel so blau wie das Auge, das er rührt. Und ich müsse sie recht glüklich wiedersehen, wenn ich sie wiederfinde." Ich komme ja schon jezt zu Ihnen; und thue früher meinen herzlichen Wunsch. --15
706. An?
[Kopie][Hof, 25. (?) Sept. 1797]
Himmel so schmuziggrau und nas wie die Erde.
707. An Emilie von Berlepsch in Weimar.
Hof. d. 2 Okt. 97.20
Den 30ten Sept. bekam ich Ihren Brief, gute Emilie. Ich bin unschuldig, Emilie -- ich glaubte nichts zu sagen als was ich schon mündlich gesagt -- ich liebe Ihre (möcht' ich sagen) metrische Seele unbeschreiblich und ewig -- und wie kan ich dem guten Auge, dem ohnehin die Vergangenheit den Himmel so trübe bezogen, selber25 irgend eine blaue Stelle habe[n] nehmen wollen? Ich war in diesen paar Tagen oft bei Ihnen im Park und zerris mein Herz mit jedem Seufzer, der stat des Blutes aus Ihrem wunden gieng. O Gute, kennen Sie mich denn aus meinen Büchern und Gesprächen noch so wenig, daß Sie ihnen weniger glauben als irgend einer verunglükten30 Brief-Wendung? Must' ich nicht glauben, daß Sie dieselben Aeusse- rungen, die Sie mit den Ohren vertrugen, auch mit den Augen ver- gäben? Oder ist irgend eine Wolke zwischen uns, die mich verbirgt und [377]dafür eine feindliche Gestalt hinmalt? Ich sehe Ihre geliebte durch die
[376]705. An Friederike Otto.
[Kopie][Hof, 25. Sept. 1797]
Feſttag (Geburtstag) oder die Feſtminute im kurzen Tag des Lebens. Jedes Jahr war ein neuer Schrit an unſer Herz und jezt ſind wir in ewiger Freundſchaft beiſammen. Wenn ich weit von Ihnen lebe und5 wenn dieſer Schalttag im Werkeltageleben für Sie wiederkomt: ſo wil ich ihn einſam aber warm mit feiern und unter dem groſſen Himmel und die, blos von der Erde nicht gehörten Wünſche für Sie thun und, indem ich nach Ihrer Gegend ſehe, denken: „ſie ſei ſo froh wie das vorige lezte mal — ſie verliere keine Seele, die ſie liebte —10 zwiſchen ihren Geburtstagen wachſen Blumen auf und nichts mehr — ihr Schikſal ſei ſo ſanft wie ihr Herz und ihr Himmel ſo blau wie das Auge, das er rührt. Und ich müſſe ſie recht glüklich wiederſehen, wenn ich ſie wiederfinde.“ Ich komme ja ſchon jezt zu Ihnen; und thue früher meinen herzlichen Wunſch. —15
706. An?
[Kopie][Hof, 25. (?) Sept. 1797]
Himmel ſo ſchmuziggrau und nas wie die Erde.
707. An Emilie von Berlepſch in Weimar.
Hof. d. 2 Okt. 97.20
Den 30ten Sept. bekam ich Ihren Brief, gute Emilie. Ich bin unſchuldig, Emilie — ich glaubte nichts zu ſagen als was ich ſchon mündlich geſagt — ich liebe Ihre (möcht’ ich ſagen) metriſche Seele unbeſchreiblich und ewig — und wie kan ich dem guten Auge, dem ohnehin die Vergangenheit den Himmel ſo trübe bezogen, ſelber25 irgend eine blaue Stelle habe[n] nehmen wollen? Ich war in dieſen paar Tagen oft bei Ihnen im Park und zerris mein Herz mit jedem Seufzer, der ſtat des Blutes aus Ihrem wunden gieng. O Gute, kennen Sie mich denn aus meinen Büchern und Geſprächen noch ſo wenig, daß Sie ihnen weniger glauben als irgend einer verunglükten30 Brief-Wendung? Muſt’ ich nicht glauben, daß Sie dieſelben Aeuſſe- rungen, die Sie mit den Ohren vertrugen, auch mit den Augen ver- gäben? Oder iſt irgend eine Wolke zwiſchen uns, die mich verbirgt und [377]dafür eine feindliche Geſtalt hinmalt? Ich ſehe Ihre geliebte durch die
<TEI><text><body><pbfacs="#f0397"n="376"/><divtype="letter"n="1"><head><noteplace="left"><reftarget="1922_Bd2_376">[376]</ref></note>705. An <hirendition="#g">Friederike Otto.</hi></head><lb/><notetype="editorial">[Kopie]</note><dateline><hirendition="#right">[Hof, 25. Sept. 1797]</hi></dateline><lb/><p>Feſttag (Geburtstag) oder die Feſtminute im kurzen Tag des Lebens.<lb/>
Jedes Jahr war ein neuer Schrit an unſer Herz und jezt ſind wir in<lb/>
ewiger Freundſchaft beiſammen. Wenn ich weit von Ihnen lebe und<lbn="5"/>
wenn dieſer Schalttag im Werkeltageleben für Sie wiederkomt: ſo<lb/>
wil ich ihn einſam aber warm mit feiern und unter dem groſſen<lb/>
Himmel und die, blos von der Erde nicht gehörten Wünſche für Sie<lb/>
thun und, indem ich nach Ihrer Gegend ſehe, denken: „ſie ſei ſo froh<lb/>
wie das vorige lezte mal —ſie verliere keine Seele, die ſie liebte —<lbn="10"/>
zwiſchen ihren Geburtstagen wachſen Blumen auf und nichts mehr —<lb/>
ihr Schikſal ſei ſo ſanft wie ihr Herz und ihr Himmel ſo blau wie das<lb/>
Auge, das er rührt. Und ich müſſe ſie recht glüklich wiederſehen, wenn<lb/>
ich ſie wiederfinde.“ Ich komme ja ſchon jezt zu Ihnen; und thue früher<lb/>
meinen herzlichen Wunſch. —<lbn="15"/></p></div><lb/><divtype="letter"n="1"><head>706. An?</head><lb/><notetype="editorial">[Kopie]</note><dateline><hirendition="#right">[Hof, 25. (?) Sept. 1797]</hi></dateline><lb/><p>Himmel ſo ſchmuziggrau und nas wie die Erde.</p></div><lb/><divtype="letter"n="1"><head>707. An <hirendition="#g">Emilie von Berlepſch in Weimar.</hi></head><lb/><dateline><hirendition="#right"><hirendition="#aq">Hof.</hi> d. 2 Okt. 97.</hi></dateline><lbn="20"/><p>Den 30<hirendition="#sup">ten</hi> Sept. bekam ich Ihren Brief, gute Emilie. Ich bin<lb/>
unſchuldig, Emilie — ich glaubte nichts zu ſagen als was ich ſchon<lb/>
mündlich geſagt — ich liebe Ihre (möcht’ ich ſagen) metriſche Seele<lb/>
unbeſchreiblich und ewig — und wie kan ich dem guten Auge, dem<lb/>
ohnehin die Vergangenheit den Himmel ſo trübe bezogen, ſelber<lbn="25"/>
irgend eine blaue Stelle habe[n] nehmen wollen? Ich war in dieſen<lb/>
paar Tagen oft bei Ihnen im Park und zerris mein Herz mit jedem<lb/>
Seufzer, der ſtat des Blutes aus Ihrem wunden gieng. O Gute,<lb/>
kennen Sie mich denn aus meinen Büchern und Geſprächen noch ſo<lb/>
wenig, daß Sie ihnen weniger glauben als irgend einer verunglükten<lbn="30"/>
Brief-Wendung? Muſt’ ich nicht glauben, daß Sie dieſelben Aeuſſe-<lb/>
rungen, die Sie mit den Ohren vertrugen, auch mit den Augen ver-<lb/>
gäben? Oder iſt irgend eine Wolke zwiſchen uns, die mich verbirgt und<lb/><noteplace="left"><reftarget="1922_Bd2_377">[377]</ref></note>dafür eine feindliche Geſtalt hinmalt? Ich ſehe Ihre geliebte durch die<lb/></p></div></body></text></TEI>
[376/0397]
705. An Friederike Otto.
[Hof, 25. Sept. 1797]
Feſttag (Geburtstag) oder die Feſtminute im kurzen Tag des Lebens.
Jedes Jahr war ein neuer Schrit an unſer Herz und jezt ſind wir in
ewiger Freundſchaft beiſammen. Wenn ich weit von Ihnen lebe und 5
wenn dieſer Schalttag im Werkeltageleben für Sie wiederkomt: ſo
wil ich ihn einſam aber warm mit feiern und unter dem groſſen
Himmel und die, blos von der Erde nicht gehörten Wünſche für Sie
thun und, indem ich nach Ihrer Gegend ſehe, denken: „ſie ſei ſo froh
wie das vorige lezte mal — ſie verliere keine Seele, die ſie liebte — 10
zwiſchen ihren Geburtstagen wachſen Blumen auf und nichts mehr —
ihr Schikſal ſei ſo ſanft wie ihr Herz und ihr Himmel ſo blau wie das
Auge, das er rührt. Und ich müſſe ſie recht glüklich wiederſehen, wenn
ich ſie wiederfinde.“ Ich komme ja ſchon jezt zu Ihnen; und thue früher
meinen herzlichen Wunſch. — 15
706. An?
[Hof, 25. (?) Sept. 1797]
Himmel ſo ſchmuziggrau und nas wie die Erde.
707. An Emilie von Berlepſch in Weimar.
Hof. d. 2 Okt. 97. 20
Den 30ten Sept. bekam ich Ihren Brief, gute Emilie. Ich bin
unſchuldig, Emilie — ich glaubte nichts zu ſagen als was ich ſchon
mündlich geſagt — ich liebe Ihre (möcht’ ich ſagen) metriſche Seele
unbeſchreiblich und ewig — und wie kan ich dem guten Auge, dem
ohnehin die Vergangenheit den Himmel ſo trübe bezogen, ſelber 25
irgend eine blaue Stelle habe[n] nehmen wollen? Ich war in dieſen
paar Tagen oft bei Ihnen im Park und zerris mein Herz mit jedem
Seufzer, der ſtat des Blutes aus Ihrem wunden gieng. O Gute,
kennen Sie mich denn aus meinen Büchern und Geſprächen noch ſo
wenig, daß Sie ihnen weniger glauben als irgend einer verunglükten 30
Brief-Wendung? Muſt’ ich nicht glauben, daß Sie dieſelben Aeuſſe-
rungen, die Sie mit den Ohren vertrugen, auch mit den Augen ver-
gäben? Oder iſt irgend eine Wolke zwiſchen uns, die mich verbirgt und
dafür eine feindliche Geſtalt hinmalt? Ich ſehe Ihre geliebte durch die
[377]
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/397>, abgerufen am 30.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.