Ich wünsche Ihnen eine eben so gute Entzifferungskanz[lei], glüklicher Zeichendeuter, für die Schrift des Schiksals und für die des Menschenherzens als Sie für die Autorenhandschriften haben --5 nicht blos umgefeilt sondern umgegossen. Das Buch [Teufels Papiere] ist zu dem gegangen, für dessen Papiere man es ausgegeben -- Es ist mehr verschwelgte Kraft darin.
694. An Dr. J. G. Hoche in Halberstadt.
[Kopie][Hof, 2. Sept. 1797]10
Ich kan Ihrer Hebe fast nichts darbringen als eine Hebe im he- bräischen Sin, zuweilen d. h. selten eine Korallenbank, etwas Ko- rallenschmuk bunt[er] Gleichnisse. Ich habe soviel Plane angefangen und noch mehr gemacht und meine Thomastage sind dazu so kurz, daß mein neuester Plan ist, erst die ält[esten] auszuführen. Zu Monats-15 schriften taug' ich gar nicht, da mir jeder Fötus zum Goliath auf- schiesset. Zu den Bolland[ischen] actis sanctorum könt' ich besser liefern. Unser ästhetischer Jubelsenior Gleim, dessen Triumphwagen nicht blos das Musenpferd sondern auch die weissen geheiligten Pferde der biedern Germanen ziehen. etc. Leben Sie froh und ruhig!20 Das ist kein Pleonasmus.
695. An Beygang in Leipzig.
Hof d. 3 Sept. 97.
Da Sie mir, lieber Beigang, die Hand reichen, so nehme ich den ganzen Arm und bitte Sie, mich daran in ein Logis zu führen. Oertel25 hat meine Bitte an ihn zu einer an Sie gemacht.
Die Bedingungen oder vielmehr Wünsche sind diese: ein Logis womöglich ausser der Stadt, gegen Morgen oder Abend -- 2 Zimmer und 1 Schlafkammer, oder (sind jene gros) ohne diese --. Das grössere Zimmer, worin ich arbeite, darf an kein fremdes lärmendes an-30 stossen -- die Meublen können unbedeutend sein -- ich brauche nur Betstellen für meine mitkommenden Betten -- vierteljährige Auf- kündigung --. Mir ist nichts, insofern es den Preis verringert, an einer weiten Aussicht gelegen. Es kan 3 Treppen hoch sein. Beide
693. An Ulfo von Wilfingen.
[Kopie][Hof, 2. Sept. 1797]
Ich wünſche Ihnen eine eben ſo gute Entzifferungskanz[lei], glüklicher Zeichendeuter, für die Schrift des Schikſals und für die des Menſchenherzens als Sie für die Autorenhandſchriften haben —5 nicht blos umgefeilt ſondern umgegoſſen. Das Buch [Teufels Papiere] iſt zu dem gegangen, für deſſen Papiere man es ausgegeben — Es iſt mehr verſchwelgte Kraft darin.
694. An Dr. J. G. Hoche in Halberſtadt.
[Kopie][Hof, 2. Sept. 1797]10
Ich kan Ihrer Hebe faſt nichts darbringen als eine Hebe im he- bräiſchen Sin, zuweilen d. h. ſelten eine Korallenbank, etwas Ko- rallenſchmuk bunt[er] Gleichniſſe. Ich habe ſoviel Plane angefangen und noch mehr gemacht und meine Thomastage ſind dazu ſo kurz, daß mein neueſter Plan iſt, erſt die ält[eſten] auszuführen. Zu Monats-15 ſchriften taug’ ich gar nicht, da mir jeder Fötus zum Goliath auf- ſchieſſet. Zu den Bolland[iſchen] actis sanctorum könt’ ich beſſer liefern. Unſer äſthetiſcher Jubelſenior Gleim, deſſen Triumphwagen nicht blos das Muſenpferd ſondern auch die weiſſen geheiligten Pferde der biedern Germanen ziehen. ꝛc. Leben Sie froh und ruhig!20 Das iſt kein Pleonaſmus.
695. An Beygang in Leipzig.
Hof d. 3 Sept. 97.
Da Sie mir, lieber Beigang, die Hand reichen, ſo nehme ich den ganzen Arm und bitte Sie, mich daran in ein Logis zu führen. Oertel25 hat meine Bitte an ihn zu einer an Sie gemacht.
Die Bedingungen oder vielmehr Wünſche ſind dieſe: ein Logis womöglich auſſer der Stadt, gegen Morgen oder Abend — 2 Zimmer und 1 Schlafkammer, oder (ſind jene gros) ohne dieſe —. Das gröſſere Zimmer, worin ich arbeite, darf an kein fremdes lärmendes an-30 ſtoſſen — die Meublen können unbedeutend ſein — ich brauche nur Betſtellen für meine mitkommenden Betten — vierteljährige Auf- kündigung —. Mir iſt nichts, inſofern es den Preis verringert, an einer weiten Ausſicht gelegen. Es kan 3 Treppen hoch ſein. Beide
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693. An Ulfo von Wilfingen.
[Hof, 2. Sept. 1797]
Ich wünſche Ihnen eine eben ſo gute Entzifferungskanz[lei],
glüklicher Zeichendeuter, für die Schrift des Schikſals und für die des
Menſchenherzens als Sie für die Autorenhandſchriften haben — 5
nicht blos umgefeilt ſondern umgegoſſen. Das Buch [Teufels Papiere]
iſt zu dem gegangen, für deſſen Papiere man es ausgegeben — Es iſt
mehr verſchwelgte Kraft darin.
694. An Dr. J. G. Hoche in Halberſtadt.
[Hof, 2. Sept. 1797] 10
Ich kan Ihrer Hebe faſt nichts darbringen als eine Hebe im he-
bräiſchen Sin, zuweilen d. h. ſelten eine Korallenbank, etwas Ko-
rallenſchmuk bunt[er] Gleichniſſe. Ich habe ſoviel Plane angefangen
und noch mehr gemacht und meine Thomastage ſind dazu ſo kurz, daß
mein neueſter Plan iſt, erſt die ält[eſten] auszuführen. Zu Monats- 15
ſchriften taug’ ich gar nicht, da mir jeder Fötus zum Goliath auf-
ſchieſſet. Zu den Bolland[iſchen] actis sanctorum könt’ ich beſſer
liefern. Unſer äſthetiſcher Jubelſenior Gleim, deſſen Triumphwagen
nicht blos das Muſenpferd ſondern auch die weiſſen geheiligten
Pferde der biedern Germanen ziehen. ꝛc. Leben Sie froh und ruhig! 20
Das iſt kein Pleonaſmus.
695. An Beygang in Leipzig.
Hof d. 3 Sept. 97.
Da Sie mir, lieber Beigang, die Hand reichen, ſo nehme ich den
ganzen Arm und bitte Sie, mich daran in ein Logis zu führen. Oertel 25
hat meine Bitte an ihn zu einer an Sie gemacht.
Die Bedingungen oder vielmehr Wünſche ſind dieſe: ein Logis
womöglich auſſer der Stadt, gegen Morgen oder Abend — 2 Zimmer
und 1 Schlafkammer, oder (ſind jene gros) ohne dieſe —. Das gröſſere
Zimmer, worin ich arbeite, darf an kein fremdes lärmendes an- 30
ſtoſſen — die Meublen können unbedeutend ſein — ich brauche nur
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kündigung —. Mir iſt nichts, inſofern es den Preis verringert, an
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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/389>, abgerufen am 30.07.2024.
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