Meublen und sanfte Erinnerungen, wie in Weimar in meinem Logis bei Oertel: nicht einmal Bindfaden, Barometer, Himmelblau (an der Wand), Blumentopf, Lichtschirm, Klavier, Obst, Bücher (die halbe Spiegelsche Bibliothek hab ich auf dem Kanapee und ich weis freudig nicht, sol ich Bücher oder Visittenstuben-Thüren aufmachen) und gar[326]5 nichts hat mein geliebter Emanuel vergessen, und hätt' er Mond und Sonne haben können, er hätte sie mit an die Decke geklebt. Das breitere Gemälde davon sollen Sie haben. Gott weis, wenn ich aus meinem sanften Eiland weiche: ich passe auf (äussere) schöne Tage, und sind diese da, so hab' ich einen neuen Grund zu bleiben; und in10 schlechten kan ich ohnehin nicht fort. Meinen herzlichsten, herzlichsten Grus an meinen Christian, und sagen Sie, daß ich nächstens schreibe. -- Leben Sie wohl und grüssen Sie Christoph. Jezt hat endlich nach dem Ende dieses Briefes der Brief seinen Anfang und lautet wie folgt:
602. An Christian Otto.15
Bayreuth d. 29 Apr. Sonabends 97.
Mein guter Otto,
Ich wolte, du sässest auf meinem Armstuhl [und] Kopfkissen, in diesem himmelblauen Stübgen -- ich ziele [ni]cht auf das blaue Kabinet der Hernhuter -- und hinter einem langen Kanapee, das20 dem Herold[ischen] Hause zu wünschen wäre, damit man sich in geraden Zahlen sezen könte. Ich kan dir nicht beschreiben (sondern künftig erzählen) wie mich Emanuel mit einem bis ins Kleinste und Gröste gehenden Ammeublement überraschte, sogar von Büchern und von einem Reiseklavier. Das ist das erstemal, daß ich lieber bei einem25 Freunde hause als in einem Wirthshause.
Was mir hier am meisten mit gefället und mich einnimt, das bin -- ich selber, weil ich mich in einen der besten und geschmakvolsten Somme[rröcke] (halbseiden ist er) begeben habe: auch die Hosen sind nicht zu verachten. Ich sorge, der alte Man kopiert mich, wenn er30 den Glanz erblikt. --
Das Ausziehen in Hof nöthigt mir zum Glücke das Ausziehen aus dieser Stube ab: sonst blieb' ich sicher zu lange. Aus der Spiegelschen Bibliothek lies mir die Inhaberin gleichgültige Werke zukommen, die um mich stehen und liegen, z. B. Lavaters 4 physiognomische Quart-35
Meublen und ſanfte Erinnerungen, wie in Weimar in meinem Logis bei Oertel: nicht einmal Bindfaden, Barometer, Himmelblau (an der Wand), Blumentopf, Lichtſchirm, Klavier, Obſt, Bücher (die halbe Spiegelſche Bibliothek hab ich auf dem Kanapée und ich weis freudig nicht, ſol ich Bücher oder Viſittenſtuben-Thüren aufmachen) und gar[326]5 nichts hat mein geliebter Emanuel vergeſſen, und hätt’ er Mond und Sonne haben können, er hätte ſie mit an die Decke geklebt. Das breitere Gemälde davon ſollen Sie haben. Gott weis, wenn ich aus meinem ſanften Eiland weiche: ich paſſe auf (äuſſere) ſchöne Tage, und ſind dieſe da, ſo hab’ ich einen neuen Grund zu bleiben; und in10 ſchlechten kan ich ohnehin nicht fort. Meinen herzlichſten, herzlichſten Grus an meinen Chriſtian, und ſagen Sie, daß ich nächſtens ſchreibe. — Leben Sie wohl und grüſſen Sie Chriſtoph. Jezt hat endlich nach dem Ende dieſes Briefes der Brief ſeinen Anfang und lautet wie folgt:
602. An Chriſtian Otto.15
Bayreuth d. 29 Apr. 〈Sonabends〉 97.
Mein guter Otto,
Ich wolte, du ſäſſeſt auf meinem Armſtuhl [und] Kopfkiſſen, in dieſem himmelblauen Stübgen — ich ziele [ni]cht auf das blaue Kabinet der Hernhuter — und hinter einem langen Kanapée, das20 dem Herold[iſchen] Hauſe zu wünſchen wäre, damit man ſich in geraden Zahlen ſezen könte. Ich kan dir nicht beſchreiben (ſondern künftig erzählen) wie mich Emanuel mit einem bis ins Kleinſte und Gröſte gehenden Ammeublement überraſchte, ſogar von Büchern und von einem Reiſeklavier. Das iſt das erſtemal, daß ich lieber bei einem25 Freunde hauſe als in einem Wirthshauſe.
Was mir hier am meiſten mit gefället und mich einnimt, das bin — ich ſelber, weil ich mich in einen der beſten und geſchmakvolſten Somme[rröcke] (halbſeiden iſt er) begeben habe: auch die Hoſen ſind nicht zu verachten. Ich ſorge, der alte Man kopiert mich, wenn er30 den Glanz erblikt. —
Das Ausziehen in Hof nöthigt mir zum Glücke das Ausziehen aus dieſer Stube ab: ſonſt blieb’ ich ſicher zu lange. Aus der Spiegelſchen Bibliothek lies mir die Inhaberin gleichgültige Werke zukommen, die um mich ſtehen und liegen, z. B. Lavaters 4 phyſiognomiſche Quart-35
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Spiegelſche Bibliothek hab ich auf dem Kanapée und ich weis freudig
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nichts hat mein geliebter Emanuel vergeſſen, und hätt’ er Mond und
Sonne haben können, er hätte ſie mit an die Decke geklebt. Das
breitere Gemälde davon ſollen Sie haben. Gott weis, wenn ich aus
meinem ſanften Eiland weiche: ich paſſe auf (äuſſere) ſchöne Tage,
und ſind dieſe da, ſo hab’ ich einen neuen Grund zu bleiben; und in 10
ſchlechten kan ich ohnehin nicht fort. Meinen herzlichſten, herzlichſten
Grus an meinen Chriſtian, und ſagen Sie, daß ich nächſtens ſchreibe. —
Leben Sie wohl und grüſſen Sie Chriſtoph. Jezt hat endlich nach dem
Ende dieſes Briefes der Brief ſeinen Anfang und lautet wie folgt:
[326]
602. An Chriſtian Otto. 15
Bayreuth d. 29 Apr. 〈Sonabends〉 97.
Mein guter Otto,
Ich wolte, du ſäſſeſt auf meinem Armſtuhl [und] Kopfkiſſen, in
dieſem himmelblauen Stübgen — ich ziele [ni]cht auf das blaue
Kabinet der Hernhuter — und hinter einem langen Kanapée, das 20
dem Herold[iſchen] Hauſe zu wünſchen wäre, damit man ſich in
geraden Zahlen ſezen könte. Ich kan dir nicht beſchreiben (ſondern
künftig erzählen) wie mich Emanuel mit einem bis ins Kleinſte und
Gröſte gehenden Ammeublement überraſchte, ſogar von Büchern und
von einem Reiſeklavier. Das iſt das erſtemal, daß ich lieber bei einem 25
Freunde hauſe als in einem Wirthshauſe.
Was mir hier am meiſten mit gefället und mich einnimt, das bin —
ich ſelber, weil ich mich in einen der beſten und geſchmakvolſten
Somme[rröcke] (halbſeiden iſt er) begeben habe: auch die Hoſen ſind
nicht zu verachten. Ich ſorge, der alte Man kopiert mich, wenn er 30
den Glanz erblikt. —
Das Ausziehen in Hof nöthigt mir zum Glücke das Ausziehen aus
dieſer Stube ab: ſonſt blieb’ ich ſicher zu lange. Aus der Spiegelſchen
Bibliothek lies mir die Inhaberin gleichgültige Werke zukommen, die
um mich ſtehen und liegen, z. B. Lavaters 4 phyſiognomiſche Quart- 35
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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/341>, abgerufen am 30.07.2024.
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