Im Kelche des Leidens spiegelt sich der künftige Himmel am hellesten. Der Rosenkranz der Erde entblättert sich zur Dornenkrone, aber über dem Grab und über der Erde schlägt die stechende Krone zu ewigen5 Rosen aus. Dieses geflügelte Leben ist nur eine Erdpartie -- unsre Freuden sind nur Torso's -- unsre Erinnerungen Ruinen in einem Park -- unsre Liebe ist eine ewige Sehnsucht und unsre Jugend ein süsser Seufzer -- -- Aber ein weiches reines festes Herz ist der Diamant, der in die irdische kalte Dämmerung und in die Nacht des Todes ewige10 Stralen wirft. -- Zu meinen vorigen Gedanken und zu meinen jezigen [315]Wünschen möcht' ich lieber das ganze Stambuch frei haben als blos diese Seite oder auch die gegenwärtige. Möge das Schiksal auf Ihr ganzes Leben einen magischen Wiederschein werfen und in nichts einen Schatten als in den -- Mondschein. Mög' es Ihrem Herzen immer15 Hofnungen und Freuden zugleich, d. h. die seidnen Rosen der ersten mit den wahren der lezten geben. Möge Ihre Seelenruhe so gros sein wie der Ruhm Ihres Gemahls und Ihr Leben so schön wie Ihre Seele und Ihre Gestalt.
574. An Christian Otto.20
[Hof, 31. März 1797]
Guten Tag! Eben kam ich mit dem G[rafen] Nauendorf gefahren. Hier ist die Clio vom Vogel. -- Kömt mit der heutigen Leipziger Post etwas aus Gera?
575. An Christian Otto.25
[Hof] d. 31. März und 1. Ap. 97.
Anlangend deine vorigen Blätter so hab ich dir ausser dem Danke, und der Erinnerung an ihre Zurükkehr, blos das zu sagen: daß sie Recht haben. Ich meine, in der Bemerkung der Wirkung, nicht des Grundes. Ich habe dir schon einmal geschrieben, daß ich mehr die Wahl als die30 Behandlung des Gegenstandes zu vertheidigen hätte. Dein Urtheil be- weiset mich. Das Ganze ist ein flüchtiger Spas, ein Vehikel von Ein- fällen, keine Biographie. In das öde katechetische Bilderkabinet ist keine biographische Succession zu bringen; ausser wenn man, wie du
573. Ins Stammbuch der Gräfin Nauendorff.
[Kopie][Hof oder Zedtwitz, Ende März 1797]
Im Kelche des Leidens ſpiegelt ſich der künftige Himmel am helleſten. Der Roſenkranz der Erde entblättert ſich zur Dornenkrone, aber über dem Grab und über der Erde ſchlägt die ſtechende Krone zu ewigen5 Roſen aus. Dieſes geflügelte Leben iſt nur eine Erdpartie — unſre Freuden ſind nur Torſo’s — unſre Erinnerungen Ruinen in einem Park — unſre Liebe iſt eine ewige Sehnſucht und unſre Jugend ein ſüſſer Seufzer — — Aber ein weiches reines feſtes Herz iſt der Diamant, der in die irdiſche kalte Dämmerung und in die Nacht des Todes ewige10 Stralen wirft. — Zu meinen vorigen Gedanken und zu meinen jezigen [315]Wünſchen möcht’ ich lieber das ganze Stambuch frei haben als blos dieſe Seite oder auch die gegenwärtige. Möge das Schikſal auf Ihr ganzes Leben einen magiſchen Wiederſchein werfen und in nichts einen Schatten als in den — Mondſchein. Mög’ es Ihrem Herzen immer15 Hofnungen und Freuden zugleich, d. h. die ſeidnen Roſen der erſten mit den wahren der lezten geben. Möge Ihre Seelenruhe ſo gros ſein wie der Ruhm Ihres Gemahls und Ihr Leben ſo ſchön wie Ihre Seele und Ihre Geſtalt.
574. An Chriſtian Otto.20
[Hof, 31. März 1797]
Guten Tag! Eben kam ich mit dem G[rafen] Nauendorf gefahren. Hier iſt die Clio vom Vogel. — Kömt mit der heutigen Leipziger Poſt etwas aus Gera?
575. An Chriſtian Otto.25
[Hof] d. 31. März und 1. Ap. 97.
Anlangend deine vorigen Blätter ſo hab ich dir auſſer dem Danke, und der Erinnerung an ihre Zurükkehr, blos das zu ſagen: daß ſie Recht haben. Ich meine, in der Bemerkung der Wirkung, nicht des Grundes. Ich habe dir ſchon einmal geſchrieben, daß ich mehr die Wahl als die30 Behandlung des Gegenſtandes zu vertheidigen hätte. Dein Urtheil be- weiſet mich. Das Ganze iſt ein flüchtiger Spas, ein Vehikel von Ein- fällen, keine Biographie. In das öde katechetiſche Bilderkabinet iſt keine biographiſche Succeſſion zu bringen; auſſer wenn man, wie du
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573. Ins Stammbuch der Gräfin Nauendorff.
[Hof oder Zedtwitz, Ende März 1797]
Im Kelche des Leidens ſpiegelt ſich der künftige Himmel am helleſten.
Der Roſenkranz der Erde entblättert ſich zur Dornenkrone, aber über
dem Grab und über der Erde ſchlägt die ſtechende Krone zu ewigen 5
Roſen aus. Dieſes geflügelte Leben iſt nur eine Erdpartie — unſre
Freuden ſind nur Torſo’s — unſre Erinnerungen Ruinen in einem Park
— unſre Liebe iſt eine ewige Sehnſucht und unſre Jugend ein ſüſſer
Seufzer — — Aber ein weiches reines feſtes Herz iſt der Diamant, der
in die irdiſche kalte Dämmerung und in die Nacht des Todes ewige 10
Stralen wirft. — Zu meinen vorigen Gedanken und zu meinen jezigen
Wünſchen möcht’ ich lieber das ganze Stambuch frei haben als blos
dieſe Seite oder auch die gegenwärtige. Möge das Schikſal auf Ihr
ganzes Leben einen magiſchen Wiederſchein werfen und in nichts einen
Schatten als in den — Mondſchein. Mög’ es Ihrem Herzen immer 15
Hofnungen und Freuden zugleich, d. h. die ſeidnen Roſen der erſten mit
den wahren der lezten geben. Möge Ihre Seelenruhe ſo gros ſein wie
der Ruhm Ihres Gemahls und Ihr Leben ſo ſchön wie Ihre Seele und
Ihre Geſtalt.
[315]
574. An Chriſtian Otto. 20
[Hof, 31. März 1797]
Guten Tag! Eben kam ich mit dem G[rafen] Nauendorf gefahren.
Hier iſt die Clio vom Vogel. — Kömt mit der heutigen Leipziger Poſt
etwas aus Gera?
575. An Chriſtian Otto. 25
[Hof] d. 31. März und 1. Ap. 97.
Anlangend deine vorigen Blätter ſo hab ich dir auſſer dem Danke,
und der Erinnerung an ihre Zurükkehr, blos das zu ſagen: daß ſie Recht
haben. Ich meine, in der Bemerkung der Wirkung, nicht des Grundes.
Ich habe dir ſchon einmal geſchrieben, daß ich mehr die Wahl als die 30
Behandlung des Gegenſtandes zu vertheidigen hätte. Dein Urtheil be-
weiſet mich. Das Ganze iſt ein flüchtiger Spas, ein Vehikel von Ein-
fällen, keine Biographie. In das öde katechetiſche Bilderkabinet iſt
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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/329>, abgerufen am 16.02.2025.
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