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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958.

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551. An Christian Otto.

Hier hast du das sechste, in einer glüklichen Anstrengung von gestern
bis heute gefertigte Gebot. Das ganze ex[eg]etische Werklein sol nichts
sein als ein edlerer -- Schwank und bedarf Karnevals-Privilegien.5
[gestrichen: Wenn es heute schöner wird, geh ich nach Venzka.] Wart'
es mit der Münchberger Fahrt nicht ganz ab, bis es wieder feuchter ist.
Von Oertels Brief lies das mit Bleiweis linierte nicht. Wenn du[306]
kan[st], sende mir die Gebote etwan Freitags Vormittag.

552. An Renate Otto.10

Liebe Renate,

Mir ist als schrieb' ich aus Bayreuth an Sie: die schöne Feier Ihres
schönen Tages wirkt wie eine Entfernung auf mich und ich halte die
grössere Sehnsucht für grössere Trennung. Meine Wünsche für Sie,15
Theuerste, sind an diesem Tage keine andern als die ich an jedem Tage
Ihres schönen thätigen Lebens thue; und ich -- thue also keine heut.

Ach im vorigen Jahre schlug jedes Herz, das Sie liebt, an diesem
Tage schwerer und dachte an den heutigen Geburtstag und an den zu
theuern Preis des mütterlichen Lebens, den so oft die Natur für das20
kindliche fodert. -- Daher malt' ich mir heute immer Ihre Paulline
vor -- ich sah durch die 10 oder 12 Jahre hindurch, die die grüne
Knospe noch von der vollen grossen Rose scheiden -- und sah Ihre
Tochter mit 12 Jahren, mit freudigen und unschuldigen Augen, und
mit den Reizen der Jugend und Liebe und mit unaussprechlich-süssen25
Thränen wieder an dem 9ten März zur geliebten Mutter treten -- ich
sah, wie sie reden wil und vor Wehmuth nur umarmen und weinen kan
-- und mir war als hört' ich die Dankbare, die es nie genug gegen die
Sorgen der guten Mutter sein kan, endlich an der Brust, die sie mit so
vielen Schmerzen genährt, mit so vieler Liebe gepflegt, vol Schmerzen30
und vol Freuden stammeln: "O du gute Mutter, lebe so lange, bis ich
"dich belohnen kan! -- Und in dieses Auge, das sooft für mich gewacht,
"komme keine bittere Thräne, und diese Brust, der ich so viel Schmerzen
"gegeben, werde von keinen neuen gedrükt und immer wil ich zu dir
"sagen: o lebe, damit ich dich erfreuen kan!"35

20 Jean Paul Briefe. II.
551. An Chriſtian Otto.

Hier haſt du das ſechſte, in einer glüklichen Anſtrengung von geſtern
bis heute gefertigte Gebot. Das ganze ex[eg]etiſche Werklein ſol nichts
ſein als ein edlerer — Schwank und bedarf Karnevals-Privilegien.5
[gestrichen: Wenn es heute ſchöner wird, geh ich nach Venzka.] Wart’
es mit der Münchberger Fahrt nicht ganz ab, bis es wieder feuchter iſt.
Von Oertels Brief lies das mit Bleiweis linierte nicht. Wenn du[306]
kan[ſt], ſende mir die Gebote etwan Freitags Vormittag.

552. An Renate Otto.10

Liebe Renate,

Mir iſt als ſchrieb’ ich aus Bayreuth an Sie: die ſchöne Feier Ihres
ſchönen Tages wirkt wie eine Entfernung auf mich und ich halte die
gröſſere Sehnſucht für gröſſere Trennung. Meine Wünſche für Sie,15
Theuerſte, ſind an dieſem Tage keine andern als die ich an jedem Tage
Ihres ſchönen thätigen Lebens thue; und ich — thue alſo keine heut.

Ach im vorigen Jahre ſchlug jedes Herz, das Sie liebt, an dieſem
Tage ſchwerer und dachte an den heutigen Geburtstag und an den zu
theuern Preis des mütterlichen Lebens, den ſo oft die Natur für das20
kindliche fodert. — Daher malt’ ich mir heute immer Ihre Paulline
vor — ich ſah durch die 10 oder 12 Jahre hindurch, die die grüne
Knoſpe noch von der vollen groſſen Roſe ſcheiden — und ſah Ihre
Tochter mit 12 Jahren, mit freudigen und unſchuldigen Augen, und
mit den Reizen der Jugend und Liebe und mit unausſprechlich-ſüſſen25
Thränen wieder an dem 9ten März zur geliebten Mutter treten — ich
ſah, wie ſie reden wil und vor Wehmuth nur umarmen und weinen kan
— und mir war als hört’ ich die Dankbare, die es nie genug gegen die
Sorgen der guten Mutter ſein kan, endlich an der Bruſt, die ſie mit ſo
vielen Schmerzen genährt, mit ſo vieler Liebe gepflegt, vol Schmerzen30
und vol Freuden ſtammeln: „O du gute Mutter, lebe ſo lange, bis ich
„dich belohnen kan! — Und in dieſes Auge, das ſooft für mich gewacht,
„komme keine bittere Thräne, und dieſe Bruſt, der ich ſo viel Schmerzen
„gegeben, werde von keinen neuen gedrükt und immer wil ich zu dir
„ſagen: o lebe, damit ich dich erfreuen kan!“35

20 Jean Paul Briefe. II.
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[305/0320] 551. An Chriſtian Otto. [Hof, 8. März 1797. Mittwoch] Hier haſt du das ſechſte, in einer glüklichen Anſtrengung von geſtern bis heute gefertigte Gebot. Das ganze ex[eg]etiſche Werklein ſol nichts ſein als ein edlerer — Schwank und bedarf Karnevals-Privilegien. 5 [gestrichen: Wenn es heute ſchöner wird, geh ich nach Venzka.] Wart’ es mit der Münchberger Fahrt nicht ganz ab, bis es wieder feuchter iſt. Von Oertels Brief lies das mit Bleiweis linierte nicht. Wenn du kan[ſt], ſende mir die Gebote etwan Freitags Vormittag. [306] 552. An Renate Otto. 10 Hof. d. 9ten März 97. Liebe Renate, Mir iſt als ſchrieb’ ich aus Bayreuth an Sie: die ſchöne Feier Ihres ſchönen Tages wirkt wie eine Entfernung auf mich und ich halte die gröſſere Sehnſucht für gröſſere Trennung. Meine Wünſche für Sie, 15 Theuerſte, ſind an dieſem Tage keine andern als die ich an jedem Tage Ihres ſchönen thätigen Lebens thue; und ich — thue alſo keine heut. Ach im vorigen Jahre ſchlug jedes Herz, das Sie liebt, an dieſem Tage ſchwerer und dachte an den heutigen Geburtstag und an den zu theuern Preis des mütterlichen Lebens, den ſo oft die Natur für das 20 kindliche fodert. — Daher malt’ ich mir heute immer Ihre Paulline vor — ich ſah durch die 10 oder 12 Jahre hindurch, die die grüne Knoſpe noch von der vollen groſſen Roſe ſcheiden — und ſah Ihre Tochter mit 12 Jahren, mit freudigen und unſchuldigen Augen, und mit den Reizen der Jugend und Liebe und mit unausſprechlich-ſüſſen 25 Thränen wieder an dem 9ten März zur geliebten Mutter treten — ich ſah, wie ſie reden wil und vor Wehmuth nur umarmen und weinen kan — und mir war als hört’ ich die Dankbare, die es nie genug gegen die Sorgen der guten Mutter ſein kan, endlich an der Bruſt, die ſie mit ſo vielen Schmerzen genährt, mit ſo vieler Liebe gepflegt, vol Schmerzen 30 und vol Freuden ſtammeln: „O du gute Mutter, lebe ſo lange, bis ich „dich belohnen kan! — Und in dieſes Auge, das ſooft für mich gewacht, „komme keine bittere Thräne, und dieſe Bruſt, der ich ſo viel Schmerzen „gegeben, werde von keinen neuen gedrükt und immer wil ich zu dir „ſagen: o lebe, damit ich dich erfreuen kan!“ 35 20 Jean Paul Briefe. II.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:02:06Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:02:06Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/320>, abgerufen am 25.11.2024.