Schiksal) wurde von einem Soldaten verführt, er nahm ihr die Unschuld und die Hofnung und lies ihr nichts als die Armuth und -- sein Kind. Da er jezt eine andere heirathen wil, so bittet sie bei der Gerechtigkeit blos um seinen Beistand zur Erhaltung ihres Kindes. Den übrigen und längern Theil dieser Geschichte können Sie aus5 meinem Brief an Ihren H. Gemahl ersehen.
So vergiesset immer unser Geschlecht keine Thränen als fremde und verdient, stat das stärkere, das härtere zu heissen, und das andere, stat das schwächere, das zärtere.
Weiter sez ich nichts dazu: die Gerechtigkeit Ihres H. Gemahls und10 Ihr weiches liebendes Herz bedürfen stat der Bitte nichts als den Gegenstand, der beides verdient.
Leben Sie wohl, wohl! Und heben Sie die Strafe Ihres Schweigens auf!
518. An Oberstleutnant von Kropff in Bayreuth.[296]15
[Kopie][Hof, 3. Febr. 1797]
-- er liebt in Ähren und Bräuten die Doubletten.
519. An Karoline Herold.
[Kopie][Hof, 2. Febr. 1797]
Wie das Sehen (das ist das Erwarten der Person) das Schreiben20 verschönert, so noch mehr das Schreiben das Sehen. -- Ihre aus elysischen Träumen zusammengesezte Seele verliert sich in ein Idyllen- leben, zu dem es auf der Erde keinen Boden und kein Beispiel giebt -- Ich wil es malen, wie sich der Wochentag und die Altäglichkeit um Sie verklärt -- wie Sie sich fragen: die Zeit kehrt nie um, die vorigen Jahre25 liegen begraben und einige Freuden und viele Thränen und die Ver- gangenheit war ein Traum etc. Und wenn ichs nicht sage, so wil ichs doch denken: trokne dein liebes Auge ab, du theuere Gestalt. Bist du nicht so sehr geliebt? Auch ich bin dein Freund und bleibe dein Freund und was uns äusserlich trent, bindet uns innerlich und wenn ich dich30 nach langen Jahren aus weiten Entfernungen zurükgeworfen wieder sähe, so würd' ich sagen: kom an mein [Herz], denn du bist darin. Für mich gäb' es keinen schönern Tag als den, wo ich jeden Ris, den das Schiksal in dein Herz gegraben, zugeschlossen sähe. Der Tag wird
Schikſal) wurde von einem Soldaten verführt, er nahm ihr die Unſchuld und die Hofnung und lies ihr nichts als die Armuth und — ſein Kind. Da er jezt eine andere heirathen wil, ſo bittet ſie bei der Gerechtigkeit blos um ſeinen Beiſtand zur Erhaltung ihres Kindes. Den übrigen und längern Theil dieſer Geſchichte können Sie aus5 meinem Brief an Ihren H. Gemahl erſehen.
So vergieſſet immer unſer Geſchlecht keine Thränen als fremde und verdient, ſtat das ſtärkere, das härtere zu heiſſen, und das andere, ſtat das ſchwächere, das zärtere.
Weiter ſez ich nichts dazu: die Gerechtigkeit Ihres H. Gemahls und10 Ihr weiches liebendes Herz bedürfen ſtat der Bitte nichts als den Gegenſtand, der beides verdient.
Leben Sie wohl, wohl! Und heben Sie die Strafe Ihres Schweigens auf!
518. An Oberſtleutnant von Kropff in Bayreuth.[296]15
[Kopie][Hof, 3. Febr. 1797]
— er liebt in Ähren und Bräuten die Doubletten.
519. An Karoline Herold.
[Kopie][Hof, 2. Febr. 1797]
Wie das Sehen (das iſt das Erwarten der Perſon) das Schreiben20 verſchönert, ſo noch mehr das Schreiben das Sehen. — Ihre aus elyſiſchen Träumen zuſammengeſezte Seele verliert ſich in ein Idyllen- leben, zu dem es auf der Erde keinen Boden und kein Beiſpiel giebt — Ich wil es malen, wie ſich der Wochentag und die Altäglichkeit um Sie verklärt — wie Sie ſich fragen: die Zeit kehrt nie um, die vorigen Jahre25 liegen begraben und einige Freuden und viele Thränen und die Ver- gangenheit war ein Traum ꝛc. Und wenn ichs nicht ſage, ſo wil ichs doch denken: trokne dein liebes Auge ab, du theuere Geſtalt. Biſt du nicht ſo ſehr geliebt? Auch ich bin dein Freund und bleibe dein Freund und was uns äuſſerlich trent, bindet uns innerlich und wenn ich dich30 nach langen Jahren aus weiten Entfernungen zurükgeworfen wieder ſähe, ſo würd’ ich ſagen: kom an mein [Herz], denn du biſt darin. Für mich gäb’ es keinen ſchönern Tag als den, wo ich jeden Ris, den das Schikſal in dein Herz gegraben, zugeſchloſſen ſähe. Der Tag wird
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Schikſal) wurde von einem Soldaten verführt, er nahm ihr die
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Gerechtigkeit blos um ſeinen Beiſtand zur Erhaltung ihres Kindes.
Den übrigen und längern Theil dieſer Geſchichte können Sie aus 5
meinem Brief an Ihren H. Gemahl erſehen.
So vergieſſet immer unſer Geſchlecht keine Thränen als fremde und
verdient, ſtat das ſtärkere, das härtere zu heiſſen, und das andere, ſtat
das ſchwächere, das zärtere.
Weiter ſez ich nichts dazu: die Gerechtigkeit Ihres H. Gemahls und 10
Ihr weiches liebendes Herz bedürfen ſtat der Bitte nichts als den
Gegenſtand, der beides verdient.
Leben Sie wohl, wohl! Und heben Sie die Strafe Ihres Schweigens
auf!
518. An Oberſtleutnant von Kropff in Bayreuth. 15
[Hof, 3. Febr. 1797]
— er liebt in Ähren und Bräuten die Doubletten.
519. An Karoline Herold.
[Hof, 2. Febr. 1797]
Wie das Sehen (das iſt das Erwarten der Perſon) das Schreiben 20
verſchönert, ſo noch mehr das Schreiben das Sehen. — Ihre aus
elyſiſchen Träumen zuſammengeſezte Seele verliert ſich in ein Idyllen-
leben, zu dem es auf der Erde keinen Boden und kein Beiſpiel giebt —
Ich wil es malen, wie ſich der Wochentag und die Altäglichkeit um Sie
verklärt — wie Sie ſich fragen: die Zeit kehrt nie um, die vorigen Jahre 25
liegen begraben und einige Freuden und viele Thränen und die Ver-
gangenheit war ein Traum ꝛc. Und wenn ichs nicht ſage, ſo wil ichs
doch denken: trokne dein liebes Auge ab, du theuere Geſtalt. Biſt du
nicht ſo ſehr geliebt? Auch ich bin dein Freund und bleibe dein Freund
und was uns äuſſerlich trent, bindet uns innerlich und wenn ich dich 30
nach langen Jahren aus weiten Entfernungen zurükgeworfen wieder
ſähe, ſo würd’ ich ſagen: kom an mein [Herz], denn du biſt darin. Für
mich gäb’ es keinen ſchönern Tag als den, wo ich jeden Ris, den das
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/310>, abgerufen am 30.07.2024.
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