nun ein doppeltes Ziel, eine doppelte Freude. Ich weis, ich lobe jeden, und noch mehr jede in der ersten Minute zu sehr, in der mitlern zu wenig, in der lezten gerade recht; aber wie wil ich anders? --
Blos weils mein Verleger nicht wolte, der aus merkantilischer Kriegs-raison ein Geheimnis daraus macht -- das es auch bleibe --5 schrieb ichs Ihnen aus Einfalt nicht, daß sogleich nach Ostern -- ich denk' aber, zu Ostern -- die neue Auflage von Hesperus erscheint, der wider mein Erwarten wie der astronomische jezt in alle Fenster scheint. Neulich schikte mir ein Anonymus, den ich in dem 3ten Bändgen der Blumenstücke am Ende anrede, zum Danke 60 rtl. in Doppel Ld'or. --10 [235]Fixlein kömt mit einer neuen Vorrede von 56 Seiten neben der alten her- aus, die ich aber für Käufer der ersten Auflage abgesondert drucken lasse.
Ein langes Postskript! -- Wenn Ihr geliebter Bruder noch neben Ihrem Herzen wohnt: so drücken Sie ihn jezt im Namen des meinigen daran. --15
Knebel ist ein geschmakvoller feiner epikureischer -- Horaz, für den die andere Welt nichts reelleres ist als ein Regenbogen: ihm gefället nur Satire und eine Empfindung, deren Raupenfüsse oder Ringe auf der Erde kriechen. Ich strit wider meinen Willen mit ihm über die "Vernichtung" in Beckers Erholungen. Indes lieben wir ein-20 ander herzlich. Ich bin längst über die Jahre weg, wo ich mein System predigte oder foderte -- aber doch ist Toleranz noch keine Freundschaft und gewisse Meinungen gränzen mehr ans Herz als an den Kopf. --
Am Hesperus werd ich viel bossieren und ändern, nicht die Manier -- lieber schrieb' ich ein neues reines Buch, als daß ich wie andere25 eine neue und alte Manier jämmerlich verquikte -- sondern die Aus- wüchse und Wasserschöslinge der Manier oder Unmanier. Über diesen [!] theilen Sie mir wenn Sie wollen, Ihre schwarzen ver- dammenden Kugeln mit, damit dieser, auch am Himmel, so bergige und spizige Stern sich schöner ründe. --30
Warum wil ich jede Zeile Ihres Briefes mit der Feder beant- worten, da ich eine Zunge habe, die ich nach Leipzig mitbringe? Leben Sie wohl mein Geliebter, und den dunkeln schmuzigen Weg unserer Tage decke wenn nicht fettes Blättergrün, doch das bunte gefalne Laub der Vergangenheit zu.
Ihr35 Jean Paul Fr. Richter
nun ein doppeltes Ziel, eine doppelte Freude. Ich weis, ich lobe jeden, und noch mehr jede in der erſten Minute zu ſehr, in der mitlern zu wenig, in der lezten gerade recht; aber wie wil ich anders? —
Blos weils mein Verleger nicht wolte, der aus merkantiliſcher Kriegs-raison ein Geheimnis daraus macht — das es auch bleibe —5 ſchrieb ichs Ihnen aus Einfalt nicht, daß ſogleich nach Oſtern — ich denk’ aber, zu Oſtern — die neue Auflage von Hesperus erſcheint, der wider mein Erwarten wie der aſtronomiſche jezt in alle Fenſter ſcheint. Neulich ſchikte mir ein Anonymus, den ich in dem 3ten Bändgen der Blumenstücke am Ende anrede, zum Danke 60 rtl. in Doppel Ld’or. —10 [235]Fixlein kömt mit einer neuen Vorrede von 56 Seiten neben der alten her- aus, die ich aber für Käufer der erſten Auflage abgeſondert drucken laſſe.
Ein langes Poſtſkript! — Wenn Ihr geliebter Bruder noch neben Ihrem Herzen wohnt: ſo drücken Sie ihn jezt im Namen des meinigen daran. —15
Knebel iſt ein geſchmakvoller feiner epikureiſcher — Horaz, für den die andere Welt nichts reelleres iſt als ein Regenbogen: ihm gefället nur Satire und eine Empfindung, deren Raupenfüſſe oder Ringe auf der Erde kriechen. Ich ſtrit wider meinen Willen mit ihm über die „Vernichtung“ in Beckers Erholungen. Indes lieben wir ein-20 ander herzlich. Ich bin längſt über die Jahre weg, wo ich mein Syſtem predigte oder foderte — aber doch iſt Toleranz noch keine Freundſchaft und gewiſſe Meinungen gränzen mehr ans Herz als an den Kopf. —
Am Hesperus werd ich viel boſſieren und ändern, nicht die Manier — lieber ſchrieb’ ich ein neues reines Buch, als daß ich wie andere25 eine neue und alte Manier jämmerlich verquikte — ſondern die Aus- wüchſe und Waſſerſchöslinge der Manier oder Unmanier. Über dieſen [!] theilen Sie mir wenn Sie wollen, Ihre ſchwarzen ver- dammenden Kugeln mit, damit dieſer, auch am Himmel, ſo bergige und ſpizige Stern ſich ſchöner ründe. —30
Warum wil ich jede Zeile Ihres Briefes mit der Feder beant- worten, da ich eine Zunge habe, die ich nach Leipzig mitbringe? Leben Sie wohl mein Geliebter, und den dunkeln ſchmuzigen Weg unſerer Tage decke wenn nicht fettes Blättergrün, doch das bunte gefalne Laub der Vergangenheit zu.
Ihr35 Jean Paul Fr. Richter
<TEI><text><body><divtype="letter"n="1"><p><pbfacs="#f0250"n="236"/>
nun ein doppeltes Ziel, eine doppelte Freude. Ich weis, ich lobe jeden,<lb/>
und noch mehr jede in der erſten Minute zu ſehr, in der mitlern zu<lb/>
wenig, in der lezten gerade recht; aber wie wil ich anders? —</p><lb/><p>Blos weils mein Verleger nicht wolte, der aus merkantiliſcher<lb/>
Kriegs-<hirendition="#aq">raison</hi> ein Geheimnis daraus macht — das es auch bleibe —<lbn="5"/>ſchrieb ichs Ihnen aus Einfalt nicht, daß ſogleich nach Oſtern — ich<lb/>
denk’ aber, zu Oſtern — die neue Auflage von <hirendition="#aq">Hesperus</hi> erſcheint, der<lb/>
wider mein Erwarten wie der aſtronomiſche jezt in alle Fenſter ſcheint.<lb/>
Neulich ſchikte mir ein Anonymus, den ich in dem 3<hirendition="#sup">ten</hi> Bändgen der<lb/><hirendition="#aq">Blumenstücke</hi> am Ende anrede, zum Danke 60 rtl. in Doppel <hirendition="#aq">Ld’or.</hi>—<lbn="10"/><noteplace="left"><reftarget="1922_Bd2_235">[235]</ref></note>Fixlein kömt mit einer neuen Vorrede von 56 Seiten neben der alten her-<lb/>
aus, die ich aber für Käufer der erſten Auflage abgeſondert drucken laſſe.</p><lb/><p>Ein langes Poſtſkript! — Wenn Ihr geliebter Bruder noch neben<lb/>
Ihrem Herzen wohnt: ſo drücken Sie ihn jezt im Namen des meinigen<lb/>
daran. —<lbn="15"/></p><p><hirendition="#aq">Knebel</hi> iſt ein geſchmakvoller feiner epikureiſcher — Horaz, für<lb/>
den die andere Welt nichts reelleres iſt als ein Regenbogen: ihm<lb/>
gefället nur Satire und eine Empfindung, deren Raupenfüſſe oder<lb/>
Ringe auf der Erde kriechen. Ich ſtrit wider meinen Willen mit ihm<lb/>
über die „Vernichtung“ in Beckers Erholungen. Indes lieben wir ein-<lbn="20"/>
ander herzlich. Ich bin längſt über die Jahre weg, wo ich mein Syſtem<lb/>
predigte oder foderte — aber doch iſt Toleranz noch keine Freundſchaft<lb/>
und gewiſſe Meinungen gränzen mehr ans Herz als an den Kopf. —</p><lb/><p>Am <hirendition="#aq">Hesperus</hi> werd ich viel boſſieren und ändern, nicht die Manier<lb/>— lieber ſchrieb’ ich ein neues reines Buch, als daß ich wie andere<lbn="25"/>
eine neue und alte Manier jämmerlich verquikte —ſondern die Aus-<lb/>
wüchſe und Waſſerſchöslinge der Manier oder Unmanier. Über<lb/>
dieſen [!] theilen Sie mir wenn Sie wollen, Ihre ſchwarzen ver-<lb/>
dammenden Kugeln mit, damit dieſer, auch am Himmel, ſo bergige<lb/>
und ſpizige Stern ſich ſchöner ründe. —<lbn="30"/></p><p>Warum wil ich jede Zeile Ihres Briefes mit der Feder beant-<lb/>
worten, da ich eine Zunge habe, die ich nach <hirendition="#aq">Leipzig</hi> mitbringe? Leben<lb/>
Sie wohl mein Geliebter, und den dunkeln ſchmuzigen Weg unſerer<lb/>
Tage decke wenn nicht fettes Blättergrün, doch das bunte gefalne<lb/>
Laub der Vergangenheit zu.</p><closer><salute><hirendition="#sameLine #right">Ihr<lbn="35"/><hirendition="#aq">Jean Paul</hi><lb/>
Fr. Richter</hi></salute></closer><lb/></div></body></text></TEI>
[236/0250]
nun ein doppeltes Ziel, eine doppelte Freude. Ich weis, ich lobe jeden,
und noch mehr jede in der erſten Minute zu ſehr, in der mitlern zu
wenig, in der lezten gerade recht; aber wie wil ich anders? —
Blos weils mein Verleger nicht wolte, der aus merkantiliſcher
Kriegs-raison ein Geheimnis daraus macht — das es auch bleibe — 5
ſchrieb ichs Ihnen aus Einfalt nicht, daß ſogleich nach Oſtern — ich
denk’ aber, zu Oſtern — die neue Auflage von Hesperus erſcheint, der
wider mein Erwarten wie der aſtronomiſche jezt in alle Fenſter ſcheint.
Neulich ſchikte mir ein Anonymus, den ich in dem 3ten Bändgen der
Blumenstücke am Ende anrede, zum Danke 60 rtl. in Doppel Ld’or. — 10
Fixlein kömt mit einer neuen Vorrede von 56 Seiten neben der alten her-
aus, die ich aber für Käufer der erſten Auflage abgeſondert drucken laſſe.
[235]
Ein langes Poſtſkript! — Wenn Ihr geliebter Bruder noch neben
Ihrem Herzen wohnt: ſo drücken Sie ihn jezt im Namen des meinigen
daran. — 15
Knebel iſt ein geſchmakvoller feiner epikureiſcher — Horaz, für
den die andere Welt nichts reelleres iſt als ein Regenbogen: ihm
gefället nur Satire und eine Empfindung, deren Raupenfüſſe oder
Ringe auf der Erde kriechen. Ich ſtrit wider meinen Willen mit ihm
über die „Vernichtung“ in Beckers Erholungen. Indes lieben wir ein- 20
ander herzlich. Ich bin längſt über die Jahre weg, wo ich mein Syſtem
predigte oder foderte — aber doch iſt Toleranz noch keine Freundſchaft
und gewiſſe Meinungen gränzen mehr ans Herz als an den Kopf. —
Am Hesperus werd ich viel boſſieren und ändern, nicht die Manier
— lieber ſchrieb’ ich ein neues reines Buch, als daß ich wie andere 25
eine neue und alte Manier jämmerlich verquikte — ſondern die Aus-
wüchſe und Waſſerſchöslinge der Manier oder Unmanier. Über
dieſen [!] theilen Sie mir wenn Sie wollen, Ihre ſchwarzen ver-
dammenden Kugeln mit, damit dieſer, auch am Himmel, ſo bergige
und ſpizige Stern ſich ſchöner ründe. — 30
Warum wil ich jede Zeile Ihres Briefes mit der Feder beant-
worten, da ich eine Zunge habe, die ich nach Leipzig mitbringe? Leben
Sie wohl mein Geliebter, und den dunkeln ſchmuzigen Weg unſerer
Tage decke wenn nicht fettes Blättergrün, doch das bunte gefalne
Laub der Vergangenheit zu.
Ihr 35
Jean Paul
Fr. Richter
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/250>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.