Für mich ist jezt die Zeit der mundus patens, worin die Unter- welt, d. h. auf der Erde die Vergangenheit, sich vor meine Augen heraufhebt: und unter allen diesen Gestalten seh' ich die gröste zuerst5 und zulezt und am längsten -- und da ich die Ihrige, verehrungs- würdigster Lehrer, seit 8 Tagen anschaue, so werd' ich sie doch auch anreden und Ihnen mit drei Zeilen drei Minuten nehmen dürfen? --
Ihr weiter und voller Kreis verstattet Ihnen kaum das Lesen der Briefe, geschweige ihr Erwiedern. Ich bitte Sie also um nichts; aber10 ich wünsche Ihnen alles mit der gerührtesten Seele, in der je Ihr Bild gezittert hat. Um die Katarakten unserer Tage sind wie um andere, Nebel -- möge auf den Ihrigen ein Regenbogen sein! -- Möge auf die äussere Welt ein Wiederschein aus Ihrer innern fallen! -- Möge jedes Auge, das sich Ihnen nahet, Sie so freude-15 trunken anschauen wie meines und möge immer in Ihrer Brust der [223]Himmel bleiben, der sich in der meinigen aufthat, als ich nach einem funfzehnjährigen Wunsche endlich an Ihrem so lang geliebten Herzen hieng!
Ihr20 Jean Paul Fr. Richter
359. An Dr. Ellrodt in Bayreuth.
[Kopie][Hof, 18. Juli 1796]
Ihre pädagogische Therapevtik -- Ihre moralisch-klinische Anstalt. Ich habe mich in lauter Vergrösserungsspiegeln gesehen.25
360. An Wilhelmine von Kropff in Bayreuth.
Hof. d. 22 Jul. 96.
Endlich, unvergessene und unvergesliche Freundin, bin ich wieder auf Ihrem -- Nähtisch. Drei Wochen lang tauchte das Schiksal -- wenn ich so sonderbar sprechen darf -- meinen Kopf bald in Morgen-30 roth, bald in Abendroth, bald in Blumenkelche, bald in Regenbogen und sättigte mich ganz: d. h. ich war 3 Wochen lang in Weimar. Aber eben so lange müst' ich schreiben, wenn ich Ihnen eine Geschichte der Reise und des Aufenthalts zufertigen wolte. Mündlich brauch' ich
358. An Herder in Weimar.
Hof im Voigtl. d. 12 Jul. 1796.
Für mich iſt jezt die Zeit der mundus patens, worin die Unter- welt, d. h. auf der Erde die Vergangenheit, ſich vor meine Augen heraufhebt: und unter allen dieſen Geſtalten ſeh’ ich die gröſte zuerſt5 und zulezt und am längſten — und da ich die Ihrige, verehrungs- würdigſter Lehrer, ſeit 8 Tagen anſchaue, ſo werd’ ich ſie doch auch anreden und Ihnen mit drei Zeilen drei Minuten nehmen dürfen? —
Ihr weiter und voller Kreis verſtattet Ihnen kaum das Leſen der Briefe, geſchweige ihr Erwiedern. Ich bitte Sie alſo um nichts; aber10 ich wünſche Ihnen alles mit der gerührteſten Seele, in der je Ihr Bild gezittert hat. Um die Katarakten unſerer Tage ſind wie um andere, Nebel — möge auf den Ihrigen ein Regenbogen ſein! — Möge auf die äuſſere Welt ein Wiederſchein aus Ihrer innern fallen! — Möge jedes Auge, das ſich Ihnen nahet, Sie ſo freude-15 trunken anſchauen wie meines und möge immer in Ihrer Bruſt der [223]Himmel bleiben, der ſich in der meinigen aufthat, als ich nach einem funfzehnjährigen Wunſche endlich an Ihrem ſo lang geliebten Herzen hieng!
Ihr20 Jean Paul Fr. Richter
359. An Dr. Ellrodt in Bayreuth.
[Kopie][Hof, 18. Juli 1796]
Ihre pädagogiſche Therapevtik — Ihre moraliſch-kliniſche Anſtalt. Ich habe mich in lauter Vergröſſerungsſpiegeln geſehen.25
360. An Wilhelmine von Kropff in Bayreuth.
Hof. d. 22 Jul. 96.
Endlich, unvergeſſene und unvergesliche Freundin, bin ich wieder auf Ihrem — Nähtiſch. Drei Wochen lang tauchte das Schikſal — wenn ich ſo ſonderbar ſprechen darf — meinen Kopf bald in Morgen-30 roth, bald in Abendroth, bald in Blumenkelche, bald in Regenbogen und ſättigte mich ganz: d. h. ich war 3 Wochen lang in Weimar. Aber eben ſo lange müſt’ ich ſchreiben, wenn ich Ihnen eine Geſchichte der Reiſe und des Aufenthalts zufertigen wolte. Mündlich brauch’ ich
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Für mich iſt jezt die Zeit der mundus patens, worin die Unter-
welt, d. h. auf der Erde die Vergangenheit, ſich vor meine Augen
heraufhebt: und unter allen dieſen Geſtalten ſeh’ ich die gröſte zuerſt 5
und zulezt und am längſten — und da ich die Ihrige, verehrungs-
würdigſter Lehrer, ſeit 8 Tagen anſchaue, ſo werd’ ich ſie doch auch
anreden und Ihnen mit drei Zeilen drei Minuten nehmen dürfen? —
Ihr weiter und voller Kreis verſtattet Ihnen kaum das Leſen der
Briefe, geſchweige ihr Erwiedern. Ich bitte Sie alſo um nichts; aber 10
ich wünſche Ihnen alles mit der gerührteſten Seele, in der je Ihr
Bild gezittert hat. Um die Katarakten unſerer Tage ſind wie um
andere, Nebel — möge auf den Ihrigen ein Regenbogen ſein! —
Möge auf die äuſſere Welt ein Wiederſchein aus Ihrer innern
fallen! — Möge jedes Auge, das ſich Ihnen nahet, Sie ſo freude- 15
trunken anſchauen wie meines und möge immer in Ihrer Bruſt der
Himmel bleiben, der ſich in der meinigen aufthat, als ich nach einem
funfzehnjährigen Wunſche endlich an Ihrem ſo lang geliebten Herzen
hieng!
[223]
Ihr 20
Jean Paul Fr. Richter
359. An Dr. Ellrodt in Bayreuth.
[Hof, 18. Juli 1796]
Ihre pädagogiſche Therapevtik — Ihre moraliſch-kliniſche Anſtalt.
Ich habe mich in lauter Vergröſſerungsſpiegeln geſehen. 25
360. An Wilhelmine von Kropff in Bayreuth.
Hof. d. 22 Jul. 96.
Endlich, unvergeſſene und unvergesliche Freundin, bin ich wieder
auf Ihrem — Nähtiſch. Drei Wochen lang tauchte das Schikſal —
wenn ich ſo ſonderbar ſprechen darf — meinen Kopf bald in Morgen- 30
roth, bald in Abendroth, bald in Blumenkelche, bald in Regenbogen
und ſättigte mich ganz: d. h. ich war 3 Wochen lang in Weimar.
Aber eben ſo lange müſt’ ich ſchreiben, wenn ich Ihnen eine Geſchichte
der Reiſe und des Aufenthalts zufertigen wolte. Mündlich brauch’ ich
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/238>, abgerufen am 07.07.2024.
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