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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958.

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Man glaubt hier am Hofe, ich sei an einem gewesen und Knebel
schlos es aus den Partikularitäten und ich kont' ihm selber nicht recht
sagen, wo ich sie aufgegabelt.

Ich logier' herlich im Erbprinz vorn heraus.

(*)338. An Charlotte von Kalb in Jena.5
[Kopie, z. T. Konzept]

[Gestern verbot mir die Eile die kleine Antwort auf Ihr Billet vol
glänzenden Morgenthau. Ein Buch hab' ich jezt nicht für Sie, aber
mitbringen wil ich mehrere Briefe. Gestern schwankte ich träumend
mit Oertel und Düvau im Park umher; --] die Nacht zieht die10
Alleen höher und riesenhafter empor und lag wie eine zusammen-
gerolte Ewigkeitsschlange in der Kluft. Die Sehnsucht regte sich wie
ein lebend[iges] Kind [immer stärker] in meiner Brust [und ich hieng
liebkosend und weich an der Seele, die ich liebe. Sie wandelte un-
sichtbar an meinem Arme --] Ich höre ihre Gedanken und ihr lautes15
Herz. Wenn es schön ist im drückenden Zimmer [gleichsam] jede
Empfindung aus dem fremden Auge zu trinken und dan gefült an das
Angesicht zu sinken, das in der Liebe glänzt: so ist es viel schöner,
mitten im donnernden Zauberkreise der [algewaltigen] Natur zwischen
Bergen und Strömen und Sternen ans geliebte Herz zu fallen und20
leise zu sagen: [du bist die Natur,] du bist das Universum um mich
und ich gebe deinem nahen Herzen alles, was der [grosse] Geist um
uns in meinem erschaft.

Er [Goethe] ist ein Vulkan, aussen überschneit, innen vol ge-
schmolzner Materie. [Schreiben Sie mir bald.]25

339. An Wieland in Zürich.
[Nicht abgegangene Fassung]

Jean Paul ist endlich in der heiligen Stadt Gottes, nach welcher er
von Jugend auf wie nach einer Keblah seine Augen richtete. Er war[208]
im Musentempel zu Tiefurth, aber dieser glich einem altgriechischen,30
der Tempel war ohne das Bild des Gottes, und der Gott war nur
unsichtbar da. Deswegen spreche der Verfasser des erhabenen Oberons
dieses wagende Blätgen frei, das mit meiner Liebe, mit meiner
Ehrfurcht und mit meinen Wünschen für Sie bis zu den Alpen und zu
Ihnen fliegt und womit ich die getäuschte Sehnsucht mildere. Sie wird35

14 Jean Paul Briefe. II.

Man glaubt hier am Hofe, ich ſei an einem geweſen und Knebel
ſchlos es aus den Partikularitäten und ich kont’ ihm ſelber nicht recht
ſagen, wo ich ſie aufgegabelt.

Ich logier’ herlich im Erbprinz vorn heraus.

(*)338. An Charlotte von Kalb in Jena.5
[Kopie, z. T. Konzept]

[Geſtern verbot mir die Eile die kleine Antwort auf Ihr Billet vol
glänzenden Morgenthau. Ein Buch hab’ ich jezt nicht für Sie, aber
mitbringen wil ich mehrere Briefe. Geſtern ſchwankte ich träumend
mit Oertel und Düvau im Park umher; —] die Nacht zieht die10
Alleen höher und rieſenhafter empor und lag wie eine zuſammen-
gerolte Ewigkeitsſchlange in der Kluft. Die Sehnſucht regte ſich wie
ein lebend[iges] Kind [immer ſtärker] in meiner Bruſt [und ich hieng
liebkoſend und weich an der Seele, die ich liebe. Sie wandelte un-
ſichtbar an meinem Arme —] Ich höre ihre Gedanken und ihr lautes15
Herz. Wenn es ſchön iſt im drückenden Zimmer [gleichſam] jede
Empfindung aus dem fremden Auge zu trinken und dan gefült an das
Angeſicht zu ſinken, das in der Liebe glänzt: ſo iſt es viel ſchöner,
mitten im donnernden Zauberkreiſe der [algewaltigen] Natur zwiſchen
Bergen und Strömen und Sternen ans geliebte Herz zu fallen und20
leiſe zu ſagen: [du biſt die Natur,] du biſt das Univerſum um mich
und ich gebe deinem nahen Herzen alles, was der [groſſe] Geiſt um
uns in meinem erſchaft.

Er [Goethe] iſt ein Vulkan, auſſen überſchneit, innen vol ge-
ſchmolzner Materie. [Schreiben Sie mir bald.]25

339. An Wieland in Zürich.
[Nicht abgegangene Faſſung]

Jean Paul iſt endlich in der heiligen Stadt Gottes, nach welcher er
von Jugend auf wie nach einer Keblah ſeine Augen richtete. Er war[208]
im Muſentempel zu Tiefurth, aber dieſer glich einem altgriechiſchen,30
der Tempel war ohne das Bild des Gottes, und der Gott war nur
unſichtbar da. Deswegen ſpreche der Verfaſſer des erhabenen Oberons
dieſes wagende Blätgen frei, das mit meiner Liebe, mit meiner
Ehrfurcht und mit meinen Wünſchen für Sie bis zu den Alpen und zu
Ihnen fliegt und womit ich die getäuſchte Sehnſucht mildere. Sie wird35

14 Jean Paul Briefe. II.
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[209/0223] Man glaubt hier am Hofe, ich ſei an einem geweſen und Knebel ſchlos es aus den Partikularitäten und ich kont’ ihm ſelber nicht recht ſagen, wo ich ſie aufgegabelt. Ich logier’ herlich im Erbprinz vorn heraus. (*)338. An Charlotte von Kalb in Jena. 5 [Weimar, 18. Juni 1796. Sonnabend] [Geſtern verbot mir die Eile die kleine Antwort auf Ihr Billet vol glänzenden Morgenthau. Ein Buch hab’ ich jezt nicht für Sie, aber mitbringen wil ich mehrere Briefe. Geſtern ſchwankte ich träumend mit Oertel und Düvau im Park umher; —] die Nacht zieht die 10 Alleen höher und rieſenhafter empor und lag wie eine zuſammen- gerolte Ewigkeitsſchlange in der Kluft. Die Sehnſucht regte ſich wie ein lebend[iges] Kind [immer ſtärker] in meiner Bruſt [und ich hieng liebkoſend und weich an der Seele, die ich liebe. Sie wandelte un- ſichtbar an meinem Arme —] Ich höre ihre Gedanken und ihr lautes 15 Herz. Wenn es ſchön iſt im drückenden Zimmer [gleichſam] jede Empfindung aus dem fremden Auge zu trinken und dan gefült an das Angeſicht zu ſinken, das in der Liebe glänzt: ſo iſt es viel ſchöner, mitten im donnernden Zauberkreiſe der [algewaltigen] Natur zwiſchen Bergen und Strömen und Sternen ans geliebte Herz zu fallen und 20 leiſe zu ſagen: [du biſt die Natur,] du biſt das Univerſum um mich und ich gebe deinem nahen Herzen alles, was der [groſſe] Geiſt um uns in meinem erſchaft. Er [Goethe] iſt ein Vulkan, auſſen überſchneit, innen vol ge- ſchmolzner Materie. [Schreiben Sie mir bald.] 25 339. An Wieland in Zürich. Weimar d. 18 Jun. 1796. Jean Paul iſt endlich in der heiligen Stadt Gottes, nach welcher er von Jugend auf wie nach einer Keblah ſeine Augen richtete. Er war im Muſentempel zu Tiefurth, aber dieſer glich einem altgriechiſchen, 30 der Tempel war ohne das Bild des Gottes, und der Gott war nur unſichtbar da. Deswegen ſpreche der Verfaſſer des erhabenen Oberons dieſes wagende Blätgen frei, das mit meiner Liebe, mit meiner Ehrfurcht und mit meinen Wünſchen für Sie bis zu den Alpen und zu Ihnen fliegt und womit ich die getäuſchte Sehnſucht mildere. Sie wird 35 [208] 14 Jean Paul Briefe. II.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:02:06Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:02:06Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/223>, abgerufen am 24.11.2024.