Schleiern umwickelt, daß der beste Schleier ist, keinen vorzuhängen und daß verstelte leichter zu errathen sind als offenherzige. Wie schön, mein Theuerer, ist unser dreifacher Freundschaftsbund, der eng ist, ob gleich das Band durch drei Städte laufen mus! -- Ich bin unordent- lich und eilig; ich wolte dir noch von vielem sagen, von ihrem Berenizens5 Haar, von ihrem biedern wohlwollenden Gatten -- aber in mir klinget jezt ein trauriger Ton aus ihrem Munde nach und macht mich traurig. Nie müsse diese schöne Stimme, der die Klage so schön steht, eine führen, und ihr Auge möge nie die Thräne sondern blos der Schleier verdunkeln! Und du, mein Freund, thue das Schönste, was10 du auf der Erde thun kanst, und nim von einem Herzen, das so viele Qualen schon gedrücket haben, die schwerste weg, die Sorge um dich und mache sie glüklich, indem du es wirst.
Dein Freund Richter15
[190]313. An Emanuel.
Bayreuth d. 15 Mai 96 [Pfingstsonntag].
Mein Lieber,
Gehöret das nicht unter die kleinen Träume unsers grossen Traums, daß ich gestern Vormittags nach Bayreuth gekommen und heute noch20 nicht bei Ihnen gewesen bin -- und leider auch nicht sein werde? -- Ich habe Elrodt belogen, ich habe mich belogen, blos um einer Frau das Wort zu halten. Mit einem Wort die Frau v. Kropf hat mich nach Bayreuth hergeschrieben, fuhr mir Donnerstags, wo ich kommen wolte, bis Bernek entgegen, machte mich gestern 2 Stunden in ihrem25 Wagen und [von] 3 Uhr bis 11 Abends in ihrer Stube fest und legt mich heute wieder vom 12 Uhr Essen an bis ich weis nicht wie lange, an ihre Perlenschnur. Morgen geht sie nach Kulmbach -- und dan heb' ich meine Flügel in die Höhe. Nicht einmal Vormittag kan ich Sie sehen, da [ich] seit einer Stunde bis zum Anziehen Briefe schmieren30 mus. Mein guter Emanuel, entschuldigen Sie diese Anomalie mit der Nachsicht der Freundschaft und thun Sie es auch bei meinem Freund Schäfer -- Ich weis aber, Sie werden beide etwas [anders] thun als mich entschuldigen -- mich auslachen, wie wol ich bin
Ihr Freund35 Richter.
Schleiern umwickelt, daß der beſte Schleier iſt, keinen vorzuhängen und daß verſtelte leichter zu errathen ſind als offenherzige. Wie ſchön, mein Theuerer, iſt unſer dreifacher Freundſchaftsbund, der eng iſt, ob gleich das Band durch drei Städte laufen mus! — Ich bin unordent- lich und eilig; ich wolte dir noch von vielem ſagen, von ihrem Berenizens5 Haar, von ihrem biedern wohlwollenden Gatten — aber in mir klinget jezt ein trauriger Ton aus ihrem Munde nach und macht mich traurig. Nie müſſe dieſe ſchöne Stimme, der die Klage ſo ſchön ſteht, eine führen, und ihr Auge möge nie die Thräne ſondern blos der Schleier verdunkeln! Und du, mein Freund, thue das Schönſte, was10 du auf der Erde thun kanſt, und nim von einem Herzen, das ſo viele Qualen ſchon gedrücket haben, die ſchwerſte weg, die Sorge um dich und mache ſie glüklich, indem du es wirſt.
Dein Freund Richter15
[190]313. An Emanuel.
Bayreuth d. 15 Mai 96 [Pfingſtſonntag].
Mein Lieber,
Gehöret das nicht unter die kleinen Träume unſers groſſen Traums, daß ich geſtern Vormittags nach Bayreuth gekommen und heute noch20 nicht bei Ihnen geweſen bin — und leider auch nicht ſein werde? — Ich habe Elrodt belogen, ich habe mich belogen, blos um einer Frau das Wort zu halten. Mit einem Wort die Frau v. Kropf hat mich nach Bayreuth hergeſchrieben, fuhr mir Donnerſtags, wo ich kommen wolte, bis Bernek entgegen, machte mich geſtern 2 Stunden in ihrem25 Wagen und [von] 3 Uhr bis 11 Abends in ihrer Stube feſt und legt mich heute wieder vom 12 Uhr Eſſen an bis ich weis nicht wie lange, an ihre Perlenſchnur. Morgen geht ſie nach Kulmbach — und dan heb’ ich meine Flügel in die Höhe. Nicht einmal Vormittag kan ich Sie ſehen, da [ich] ſeit einer Stunde bis zum Anziehen Briefe ſchmieren30 mus. Mein guter Emanuel, entſchuldigen Sie dieſe Anomalie mit der Nachſicht der Freundſchaft und thun Sie es auch bei meinem Freund Schäfer — Ich weis aber, Sie werden beide etwas [anders] thun als mich entſchuldigen — mich auslachen, wie wol ich bin
Ihr Freund35 Richter.
<TEI><text><body><divtype="letter"n="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0205"n="192"/>
Schleiern umwickelt, daß der beſte Schleier iſt, keinen vorzuhängen und<lb/>
daß verſtelte leichter zu errathen ſind als offenherzige. Wie ſchön,<lb/>
mein Theuerer, iſt unſer dreifacher Freundſchaftsbund, der eng iſt, ob<lb/>
gleich das Band durch drei Städte laufen mus! — Ich bin unordent-<lb/>
lich und eilig; ich wolte dir noch von vielem ſagen, von ihrem Berenizens<lbn="5"/>
Haar, von ihrem biedern wohlwollenden Gatten — aber in mir<lb/>
klinget jezt ein trauriger Ton aus ihrem Munde nach und macht mich<lb/>
traurig. Nie müſſe dieſe ſchöne Stimme, der die Klage ſo ſchön ſteht,<lb/>
eine führen, und ihr Auge möge nie die Thräne ſondern blos der<lb/>
Schleier verdunkeln! Und du, mein Freund, thue das Schönſte, was<lbn="10"/>
du auf der Erde thun kanſt, und nim von einem Herzen, das ſo viele<lb/>
Qualen ſchon gedrücket haben, die ſchwerſte weg, die Sorge um dich<lb/>
und mache ſie glüklich, indem du es wirſt.</p><lb/><closer><salute><hirendition="#right">Dein Freund<lb/>
Richter</hi><lbn="15"/></salute></closer></div></div><lb/><divtype="letter"n="1"><head><noteplace="left"><reftarget="1922_Bd2_190">[190]</ref></note>313. An <hirendition="#g">Emanuel.</hi></head><lb/><dateline><hirendition="#right"><hirendition="#aq">Bayreuth</hi> d. 15 Mai 96 [Pfingſtſonntag].</hi></dateline><lb/><opener><salute><hirendition="#et">Mein Lieber,</hi></salute></opener><lb/><p>Gehöret das nicht unter die kleinen Träume unſers groſſen Traums,<lb/>
daß ich geſtern Vormittags nach Bayreuth gekommen und heute noch<lbn="20"/>
nicht bei Ihnen geweſen bin — und leider auch nicht ſein werde? —<lb/>
Ich habe <hirendition="#aq">Elrodt</hi> belogen, ich habe mich belogen, blos um einer Frau<lb/>
das Wort zu halten. Mit einem Wort die Frau v. Kropf hat mich nach<lb/><hirendition="#aq">Bayreuth</hi> hergeſchrieben, fuhr mir Donnerſtags, wo ich kommen<lb/>
wolte, bis Bernek entgegen, machte mich geſtern 2 Stunden in ihrem<lbn="25"/>
Wagen und [von] 3 Uhr bis 11 Abends in ihrer Stube feſt und legt<lb/>
mich heute wieder vom 12 Uhr Eſſen an bis ich weis nicht wie lange,<lb/>
an ihre Perlenſchnur. Morgen geht ſie nach Kulmbach — und dan<lb/>
heb’ ich meine Flügel in die Höhe. Nicht einmal Vormittag kan ich<lb/>
Sie ſehen, da [ich] ſeit einer Stunde bis zum Anziehen Briefe ſchmieren<lbn="30"/>
mus. Mein guter Emanuel, entſchuldigen Sie dieſe Anomalie mit<lb/>
der Nachſicht der Freundſchaft und thun Sie es auch bei meinem<lb/>
Freund Schäfer — Ich weis aber, Sie werden beide etwas [anders]<lb/>
thun als mich entſchuldigen — mich auslachen, wie wol ich bin</p><lb/><closer><salute><hirendition="#right">Ihr Freund<lbn="35"/>
Richter.</hi></salute></closer></div><lb/></body></text></TEI>
[192/0205]
Schleiern umwickelt, daß der beſte Schleier iſt, keinen vorzuhängen und
daß verſtelte leichter zu errathen ſind als offenherzige. Wie ſchön,
mein Theuerer, iſt unſer dreifacher Freundſchaftsbund, der eng iſt, ob
gleich das Band durch drei Städte laufen mus! — Ich bin unordent-
lich und eilig; ich wolte dir noch von vielem ſagen, von ihrem Berenizens 5
Haar, von ihrem biedern wohlwollenden Gatten — aber in mir
klinget jezt ein trauriger Ton aus ihrem Munde nach und macht mich
traurig. Nie müſſe dieſe ſchöne Stimme, der die Klage ſo ſchön ſteht,
eine führen, und ihr Auge möge nie die Thräne ſondern blos der
Schleier verdunkeln! Und du, mein Freund, thue das Schönſte, was 10
du auf der Erde thun kanſt, und nim von einem Herzen, das ſo viele
Qualen ſchon gedrücket haben, die ſchwerſte weg, die Sorge um dich
und mache ſie glüklich, indem du es wirſt.
Dein Freund
Richter 15
313. An Emanuel.
Bayreuth d. 15 Mai 96 [Pfingſtſonntag].
Mein Lieber,
Gehöret das nicht unter die kleinen Träume unſers groſſen Traums,
daß ich geſtern Vormittags nach Bayreuth gekommen und heute noch 20
nicht bei Ihnen geweſen bin — und leider auch nicht ſein werde? —
Ich habe Elrodt belogen, ich habe mich belogen, blos um einer Frau
das Wort zu halten. Mit einem Wort die Frau v. Kropf hat mich nach
Bayreuth hergeſchrieben, fuhr mir Donnerſtags, wo ich kommen
wolte, bis Bernek entgegen, machte mich geſtern 2 Stunden in ihrem 25
Wagen und [von] 3 Uhr bis 11 Abends in ihrer Stube feſt und legt
mich heute wieder vom 12 Uhr Eſſen an bis ich weis nicht wie lange,
an ihre Perlenſchnur. Morgen geht ſie nach Kulmbach — und dan
heb’ ich meine Flügel in die Höhe. Nicht einmal Vormittag kan ich
Sie ſehen, da [ich] ſeit einer Stunde bis zum Anziehen Briefe ſchmieren 30
mus. Mein guter Emanuel, entſchuldigen Sie dieſe Anomalie mit
der Nachſicht der Freundſchaft und thun Sie es auch bei meinem
Freund Schäfer — Ich weis aber, Sie werden beide etwas [anders]
thun als mich entſchuldigen — mich auslachen, wie wol ich bin
Ihr Freund 35
Richter.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/205>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.