Hier send' ich Ihnen an Briefes stat einen von den Aufsäzen für [175]Becker in Dresden, weil Sie ihn doch schwerlich gedrukt in die Hände bekommen. Mein Otto sezt ihn um einen etc. Zol über die "Rede des todten Christus, daß kein Gott sei". Darum leg' ich ihn vor Ihr Herz: aber ich mus Sie bitten, daß Sie ihn Dienstags*) abends5 wieder auf dem heutigen Plaz ankommen lassen. Die einzelnen mit Ottoischen Bleiweis belorbeerten Blätter sind aus der ersten Aus- gabe noch. Wil unser guter Schäfer -- dem ich nur aus geistiger Paralysie [!] die Antwort so lange schuldig bleibe -- und Elrodt den Aufsaz in dem kleinen Zeitraum hören oder lesen: ich werde ihnen10 und Ihnen danken. --
Leben Sie wol, mein Emanuel. Uns kan nie etwas anders trennen als das Laster; darum bleiben wir beisammen.
Glauben Sie nicht, daß ein fremder Kummer, den man errathen mus, grösser scheint und schwerer drükt als einer, der in bestimte Worte15 eingeschränket wird? -- Ich wil Sie lieber vernehmen als errathen. Gute Nacht!
Ihr Richter
290. An Wilhelmine von Kropff in Bayreuth.20
[Kopie][Hof, 16. April 1796]
Es kostet Sie blos 2 Seiten um einen Leser glüklich zu machen, indes ein Autor [es] in 400 kaum vermag. H. [Ahlefeld] werd' ich meinen Dank für die Gelegenheit sagen, die ich ihm halb zuzuschreiben [?] habe, daß ich Ihnen den jezigen bringen darf. [Ich werde H. Ahlefeld immer25 mehr über Sie glauben als Ihnen selber:] ehe der Enthusiasmus grosse Schönheiten erdichtet, müssen sie schon dagewesen sein, um ihn zu er- zeugen. Der Reiz einer schönen weiblichen Seele ist, da die Fassung so sehr als der Edelstein glänzt, almächtig. Sie wirft ihre Stralen durch eine schöne Hülle, die wie Vasen von Volterra Alabaster den Schimmer30 mildert, um ihn zu verschönern. -- Möge das Schiksal im rohen nordischen Wetter des Lebens den weichen zarten Blüten einer jeden schönen Seele eine milde Sonne und eine schirmende Decke geben.
*) Der Zweideutigkeit wegen: montags spedieren Sie ihn.35
Hier ſend’ ich Ihnen an Briefes ſtat einen von den Aufſäzen für [175]Becker in Dresden, weil Sie ihn doch ſchwerlich gedrukt in die Hände bekommen. Mein Otto ſezt ihn um einen ꝛc. Zol über die „Rede des todten Chriſtus, daß kein Gott ſei“. Darum leg’ ich ihn vor Ihr Herz: aber ich mus Sie bitten, daß Sie ihn Dienſtags*) abends5 wieder auf dem heutigen Plaz ankommen laſſen. Die einzelnen mit Ottoiſchen Bleiweis belorbeerten Blätter ſind aus der erſten Aus- gabe noch. Wil unſer guter Schäfer — dem ich nur aus geiſtiger Paralyſie [!] die Antwort ſo lange ſchuldig bleibe — und Elrodt den Aufſaz in dem kleinen Zeitraum hören oder leſen: ich werde ihnen10 und Ihnen danken. —
Leben Sie wol, mein Emanuel. Uns kan nie etwas anders trennen als das Laſter; darum bleiben wir beiſammen.
Glauben Sie nicht, daß ein fremder Kummer, den man errathen mus, gröſſer ſcheint und ſchwerer drükt als einer, der in beſtimte Worte15 eingeſchränket wird? — Ich wil Sie lieber vernehmen als errathen. Gute Nacht!
Ihr Richter
290. An Wilhelmine von Kropff in Bayreuth.20
[Kopie][Hof, 16. April 1796]
Es koſtet Sie blos 2 Seiten um einen Leſer glüklich zu machen, indes ein Autor [es] in 400 kaum vermag. H. [Ahlefeld] werd’ ich meinen Dank für die Gelegenheit ſagen, die ich ihm halb zuzuſchreiben [?] habe, daß ich Ihnen den jezigen bringen darf. [Ich werde H. Ahlefeld immer25 mehr über Sie glauben als Ihnen ſelber:] ehe der Enthuſiaſmus groſſe Schönheiten erdichtet, müſſen ſie ſchon dageweſen ſein, um ihn zu er- zeugen. Der Reiz einer ſchönen weiblichen Seele iſt, da die Faſſung ſo ſehr als der Edelſtein glänzt, almächtig. Sie wirft ihre Stralen durch eine ſchöne Hülle, die wie Vaſen von Volterra Alabaſter den Schimmer30 mildert, um ihn zu verſchönern. — Möge das Schikſal im rohen nordiſchen Wetter des Lebens den weichen zarten Blüten einer jeden ſchönen Seele eine milde Sonne und eine ſchirmende Decke geben.
*) Der Zweideutigkeit wegen: montags ſpedieren Sie ihn.35
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Hier ſend’ ich Ihnen an Briefes ſtat einen von den Aufſäzen für
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wieder auf dem heutigen Plaz ankommen laſſen. Die einzelnen mit
Ottoiſchen Bleiweis belorbeerten Blätter ſind aus der erſten Aus-
gabe noch. Wil unſer guter Schäfer — dem ich nur aus geiſtiger
Paralyſie [!] die Antwort ſo lange ſchuldig bleibe — und Elrodt den
Aufſaz in dem kleinen Zeitraum hören oder leſen: ich werde ihnen 10
und Ihnen danken. —
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Leben Sie wol, mein Emanuel. Uns kan nie etwas anders trennen
als das Laſter; darum bleiben wir beiſammen.
Glauben Sie nicht, daß ein fremder Kummer, den man errathen
mus, gröſſer ſcheint und ſchwerer drükt als einer, der in beſtimte Worte 15
eingeſchränket wird? — Ich wil Sie lieber vernehmen als errathen.
Gute Nacht!
Ihr
Richter
290. An Wilhelmine von Kropff in Bayreuth. 20
[Hof, 16. April 1796]
Es koſtet Sie blos 2 Seiten um einen Leſer glüklich zu machen, indes
ein Autor [es] in 400 kaum vermag. H. [Ahlefeld] werd’ ich meinen
Dank für die Gelegenheit ſagen, die ich ihm halb zuzuſchreiben [?] habe,
daß ich Ihnen den jezigen bringen darf. [Ich werde H. Ahlefeld immer 25
mehr über Sie glauben als Ihnen ſelber:] ehe der Enthuſiaſmus groſſe
Schönheiten erdichtet, müſſen ſie ſchon dageweſen ſein, um ihn zu er-
zeugen. Der Reiz einer ſchönen weiblichen Seele iſt, da die Faſſung ſo
ſehr als der Edelſtein glänzt, almächtig. Sie wirft ihre Stralen durch
eine ſchöne Hülle, die wie Vaſen von Volterra Alabaſter den Schimmer 30
mildert, um ihn zu verſchönern. — Möge das Schikſal im rohen
nordiſchen Wetter des Lebens den weichen zarten Blüten einer
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*) Der Zweideutigkeit wegen: montags ſpedieren Sie ihn. 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/191>, abgerufen am 16.02.2025.
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