Briefe prächtig und herlich, wiewol kochend; und Schäfer sagte mir, er habe noch keine solchen von einer Frau gelesen. Ich bin zwar in Zweifel, ob ich ihrs sage; aber das weis ich desto gewisser, daß ich in einer Minute, wo ich ihr eine schöne zuwenden wil, damit hervor- plaze.5
Wenn ich dir in dieser Briefsamlung nicht mehr das Gegentheil schreibe: so komm' ich Mitwochs Nachmittag gewis in Münchberg an. -- Ach eine Bitte, die ich schon lange beherberge: gieb mir alle meine Briefe an dich von 90 bis 96, und diesen mit, zum Lesen nur auf 8 Tage: ich habe nie einen an dich kopiert. Welcher Wiederschein10 längst tief untergegangner Minuten wird dabei an meiner Seele vorüberlaufen! Auch hast du, per (fas et) nefas, einen Pak Briefe an mich von dir, welche ich mir bei dieser Gelegenheit nicht von deinem Willen, sondern von deinem Gewissen wolte ausgebeten haben. Ich lieh sie dir, aber mit deinem Geschenk wolt' ich nicht dir eines machen. --15
Ich bin nicht spazieren gegangen, sondern habe in einem fort ein- getunkt und fahre fort bis Schäfer hereinbricht. Trinken thu' ich jezt früh nüchtern in der That wenig, ich müste denn ganz besondere Auf- [144]foderungen und Tage haben, dergleichen mir wirklich seit meinem Hiersein nicht mehr vorgekommen als ein Paar. Der Kellererer [!]20 nent mich Doktor: so sollen in Erfurth die Weinschenker heissen; er meint aber nichts damit. --
Die Staatsinquisi[zi]on hier liegt wie Bleiplatten auf Kopf und Brust und es laufen eigentliche mouchards herum. Alles seufzt, keiner spricht. Gleichwol ist ein Auskultant Geier aus Erlang hier, der25 öffentlich in Retouden Freiheit und Gleichheit predigt, der gleich seinen 2 Klientinnen schon 7 mal hinausgeworfen wurde, und der das 8te mal wieder auftrit. Er stelt den Soldaten Dinge vor, die sie nicht anhören dürfen solang sie nicht Sansculotten im bildlichen Sinne sind. Völderndorf lies ihn ...30
Das andere wil ich dir erzählen. Ich komme eben vom concert -- corporel zurük: der Ton ist ein wenig höher als in Hof, aber die Saiten sind immer aus Därmern [!] von Schafen. Meine Hand ist eingefroren. Was mich am meisten freuete, ist -- was gerade die Thüre zumachte und mein Bette zurecht -- ein grosäugiges, weichlippiges, hart-35 backiges Ding. Sie macht schöne Betten. Ich gab ihr erstlich einen Neuner.
Briefe prächtig und herlich, wiewol kochend; und Schäfer ſagte mir, er habe noch keine ſolchen von einer Frau geleſen. Ich bin zwar in Zweifel, ob ich ihrs ſage; aber das weis ich deſto gewiſſer, daß ich in einer Minute, wo ich ihr eine ſchöne zuwenden wil, damit hervor- plaze.5
Wenn ich dir in dieſer Briefſamlung nicht mehr das Gegentheil ſchreibe: ſo komm’ ich Mitwochs Nachmittag gewis in Münchberg an. — Ach eine Bitte, die ich ſchon lange beherberge: gieb mir alle meine Briefe an dich von 90 bis 96, und dieſen mit, zum Leſen nur auf 8 Tage: ich habe nie einen an dich kopiert. Welcher Wiederſchein10 längſt tief untergegangner Minuten wird dabei an meiner Seele vorüberlaufen! Auch haſt du, per (fas et) nefas, einen Pak Briefe an mich von dir, welche ich mir bei dieſer Gelegenheit nicht von deinem Willen, ſondern von deinem Gewiſſen wolte ausgebeten haben. Ich lieh ſie dir, aber mit deinem Geſchenk wolt’ ich nicht dir eines machen. —15
Ich bin nicht ſpazieren gegangen, ſondern habe in einem fort ein- getunkt und fahre fort bis Schäfer hereinbricht. Trinken thu’ ich jezt früh nüchtern in der That wenig, ich müſte denn ganz beſondere Auf- [144]foderungen und Tage haben, dergleichen mir wirklich ſeit meinem Hierſein nicht mehr vorgekommen als ein Paar. Der Kellererer [!]20 nent mich Doktor: ſo ſollen in Erfurth die Weinſchenker heiſſen; er meint aber nichts damit. —
Die Staatsinquiſi[zi]on hier liegt wie Bleiplatten auf Kopf und Bruſt und es laufen eigentliche mouchards herum. Alles ſeufzt, keiner ſpricht. Gleichwol iſt ein Auſkultant Geier aus Erlang hier, der25 öffentlich in Retouden Freiheit und Gleichheit predigt, der gleich ſeinen 2 Klientinnen ſchon 7 mal hinausgeworfen wurde, und der das 8te mal wieder auftrit. Er ſtelt den Soldaten Dinge vor, die ſie nicht anhören dürfen ſolang ſie nicht Sansculotten im bildlichen Sinne ſind. Völderndorf lies ihn ...30
Das andere wil ich dir erzählen. Ich komme eben vom concert — corporel zurük: der Ton iſt ein wenig höher als in Hof, aber die Saiten ſind immer aus Därmern [!] von Schafen. Meine Hand iſt eingefroren. Was mich am meiſten freuete, iſt — was gerade die Thüre zumachte und mein Bette zurecht — ein grosäugiges, weichlippiges, hart-35 backiges Ding. Sie macht ſchöne Betten. Ich gab ihr erſtlich einen Neuner.
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Briefe prächtig und herlich, wiewol kochend; und Schäfer ſagte mir,
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einer Minute, wo ich ihr eine ſchöne zuwenden wil, damit hervor-
plaze. 5
Wenn ich dir in dieſer Briefſamlung nicht mehr das Gegentheil
ſchreibe: ſo komm’ ich Mitwochs Nachmittag gewis in Münchberg
an. — Ach eine Bitte, die ich ſchon lange beherberge: gieb mir alle
meine Briefe an dich von 90 bis 96, und dieſen mit, zum Leſen nur auf
8 Tage: ich habe nie einen an dich kopiert. Welcher Wiederſchein 10
längſt tief untergegangner Minuten wird dabei an meiner Seele
vorüberlaufen! Auch haſt du, per (fas et) nefas, einen Pak Briefe an
mich von dir, welche ich mir bei dieſer Gelegenheit nicht von deinem
Willen, ſondern von deinem Gewiſſen wolte ausgebeten haben. Ich
lieh ſie dir, aber mit deinem Geſchenk wolt’ ich nicht dir eines machen. — 15
Ich bin nicht ſpazieren gegangen, ſondern habe in einem fort ein-
getunkt und fahre fort bis Schäfer hereinbricht. Trinken thu’ ich jezt
früh nüchtern in der That wenig, ich müſte denn ganz beſondere Auf-
foderungen und Tage haben, dergleichen mir wirklich ſeit meinem
Hierſein nicht mehr vorgekommen als ein Paar. Der Kellererer [!] 20
nent mich Doktor: ſo ſollen in Erfurth die Weinſchenker heiſſen; er
meint aber nichts damit. —
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Die Staatsinquiſi[zi]on hier liegt wie Bleiplatten auf Kopf und
Bruſt und es laufen eigentliche mouchards herum. Alles ſeufzt, keiner
ſpricht. Gleichwol iſt ein Auſkultant Geier aus Erlang hier, der 25
öffentlich in Retouden Freiheit und Gleichheit predigt, der gleich
ſeinen 2 Klientinnen ſchon 7 mal hinausgeworfen wurde, und der das
8te mal wieder auftrit. Er ſtelt den Soldaten Dinge vor, die ſie nicht
anhören dürfen ſolang ſie nicht Sansculotten im bildlichen Sinne
ſind. Völderndorf lies ihn ... 30
Das andere wil ich dir erzählen. Ich komme eben vom concert —
corporel zurük: der Ton iſt ein wenig höher als in Hof, aber die Saiten
ſind immer aus Därmern [!] von Schafen. Meine Hand iſt eingefroren.
Was mich am meiſten freuete, iſt — was gerade die Thüre zumachte
und mein Bette zurecht — ein grosäugiges, weichlippiges, hart- 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/157>, abgerufen am 24.11.2024.
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