Mein Herz schlägt stärker, je länger ich schreibe -- ich endige mit dem Wunsche, daß Ihres meines niemals verkenne, was alle Menschen so liebt und was der ewige Freund des Ihrigen ist, vor dem es so oft zerflos.
Ihr Freund Richter5
5. An Goethe in Weimar.
Hof in Vogtland d. 27 März 1794.
Mit einer namenlosen Empfindung schreib' ich dieses Blat, das diese Löschenkohlische Gruppe von Schattengestalten zum Verfasser des Tasso begleitet. Daß es erst ein Jahr nach ihrem Druk geschieht, ist10 vielleicht eine -- Entschuldigung mehr. Wie Nachtgeister arbeiten und poltern die Menschen in ihrer Nacht, und am Morgen ist nichts gethan -- wie Blei in den h. Nächten wird die warme Seele in Flus gebracht und ausgegossen und abgekühlt und eine unbekante Macht hat den Gus zu Blumen oder Klumpen gebildet.15
Gewisse Menschen erinnern an die ganze Menschheit, wie grosse Begebenheiten ans ganze Leben; Sie werden daher dieser für mich grossen Minute jene Betrachtung so wie meiner unaussprechlichen Liebe für den Man, der über mein Herz wie ein guter Genius waltet, die Übersendung meiner Blei-Konfigurazionen verzeihen.20
-- Und über diesem von so vielen Tausenden geliebten Genius [I, 436]schwebe die Wolke des Lebens noch lange mit sanft spielenden Lichtern und Schatten -- und erst abends wenn die ganze Sonne in sie hinein- geflossen ist, ziehe sie leuchtend herab und hebe unsern Geliebten auf und steige mit ihm in die zweite so weit zurükliegende Welt zurük, die25 für unsere arme Hofnung nur die Parallaxe einer Sekunde hat!
Ewig der Ihrige Joh. Paull. Fried. Richter.
6. An Renate Wirth in Hof.30
Schwarzenbach d. 14 Apr. 94 [Montag].
Liebe Freundin,
Heute war das erste 1794ziger Gewitter. Entweder dieses erinnert mich an das in Bayreuth, wo ich schöne Tage mit einem anfieng -- oder die Person, die dort ihr sanftes Herz verbirgt, beweget durch die35 Bilder von tausend schönen eingesunknen Stunden das meinige zu
Mein Herz ſchlägt ſtärker, je länger ich ſchreibe — ich endige mit dem Wunſche, daß Ihres meines niemals verkenne, was alle Menſchen ſo liebt und was der ewige Freund des Ihrigen iſt, vor dem es ſo oft zerflos.
Ihr Freund Richter5
5. An Goethe in Weimar.
Hof in Vogtland d. 27 März 1794.
Mit einer namenloſen Empfindung ſchreib’ ich dieſes Blat, das dieſe Löſchenkohliſche Gruppe von Schattengeſtalten zum Verfaſſer des Taſſo begleitet. Daß es erſt ein Jahr nach ihrem Druk geſchieht, iſt10 vielleicht eine — Entſchuldigung mehr. Wie Nachtgeiſter arbeiten und poltern die Menſchen in ihrer Nacht, und am Morgen iſt nichts gethan — wie Blei in den h. Nächten wird die warme Seele in Flus gebracht und ausgegoſſen und abgekühlt und eine unbekante Macht hat den Gus zu Blumen oder Klumpen gebildet.15
Gewiſſe Menſchen erinnern an die ganze Menſchheit, wie groſſe Begebenheiten ans ganze Leben; Sie werden daher dieſer für mich groſſen Minute jene Betrachtung ſo wie meiner unausſprechlichen Liebe für den Man, der über mein Herz wie ein guter Genius waltet, die Überſendung meiner Blei-Konfigurazionen verzeihen.20
— Und über dieſem von ſo vielen Tauſenden geliebten Genius [I, 436]ſchwebe die Wolke des Lebens noch lange mit ſanft ſpielenden Lichtern und Schatten — und erſt abends wenn die ganze Sonne in ſie hinein- gefloſſen iſt, ziehe ſie leuchtend herab und hebe unſern Geliebten auf und ſteige mit ihm in die zweite ſo weit zurükliegende Welt zurük, die25 für unſere arme Hofnung nur die Parallaxe einer Sekunde hat!
Ewig der Ihrige Joh. Paull. Fried. Richter.
6. An Renate Wirth in Hof.30
Schwarzenbach d. 14 Apr. 94 [Montag].
Liebe Freundin,
Heute war das erſte 1794ziger Gewitter. Entweder dieſes erinnert mich an das in Bayreuth, wo ich ſchöne Tage mit einem anfieng — oder die Perſon, die dort ihr ſanftes Herz verbirgt, beweget durch die35 Bilder von tauſend ſchönen eingeſunknen Stunden das meinige zu
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Mein Herz ſchlägt ſtärker, je länger ich ſchreibe — ich endige mit
dem Wunſche, daß Ihres meines niemals verkenne, was alle Menſchen
ſo liebt und was der ewige Freund des Ihrigen iſt, vor dem es ſo
oft zerflos.
Ihr Freund Richter 5
5. An Goethe in Weimar.
Hof in Vogtland d. 27 März 1794.
Mit einer namenloſen Empfindung ſchreib’ ich dieſes Blat, das dieſe
Löſchenkohliſche Gruppe von Schattengeſtalten zum Verfaſſer des
Taſſo begleitet. Daß es erſt ein Jahr nach ihrem Druk geſchieht, iſt 10
vielleicht eine — Entſchuldigung mehr. Wie Nachtgeiſter arbeiten und
poltern die Menſchen in ihrer Nacht, und am Morgen iſt nichts gethan
— wie Blei in den h. Nächten wird die warme Seele in Flus gebracht
und ausgegoſſen und abgekühlt und eine unbekante Macht hat den
Gus zu Blumen oder Klumpen gebildet. 15
Gewiſſe Menſchen erinnern an die ganze Menſchheit, wie groſſe
Begebenheiten ans ganze Leben; Sie werden daher dieſer für mich
groſſen Minute jene Betrachtung ſo wie meiner unausſprechlichen Liebe
für den Man, der über mein Herz wie ein guter Genius waltet, die
Überſendung meiner Blei-Konfigurazionen verzeihen. 20
— Und über dieſem von ſo vielen Tauſenden geliebten Genius
ſchwebe die Wolke des Lebens noch lange mit ſanft ſpielenden Lichtern
und Schatten — und erſt abends wenn die ganze Sonne in ſie hinein-
gefloſſen iſt, ziehe ſie leuchtend herab und hebe unſern Geliebten auf
und ſteige mit ihm in die zweite ſo weit zurükliegende Welt zurük, die 25
für unſere arme Hofnung nur die Parallaxe einer Sekunde hat!
[I, 436]
Ewig der
Ihrige
Joh. Paull. Fried. Richter.
6. An Renate Wirth in Hof. 30
Schwarzenbach d. 14 Apr. 94 [Montag].
Liebe Freundin,
Heute war das erſte 1794ziger Gewitter. Entweder dieſes erinnert
mich an das in Bayreuth, wo ich ſchöne Tage mit einem anfieng —
oder die Perſon, die dort ihr ſanftes Herz verbirgt, beweget durch die 35
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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/15>, abgerufen am 16.02.2025.
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