[Nicht abgeschickt?]Hof im Voigtland d. 18 9bre 1795.
Wolgeborner Herr, Hochzuverehrender Herr Hofrath,
Vielleicht fangen in dieser Minute 100 Autores mit mir ähnliche5 Briefe an; aber so viele Beispiele können einander nicht entschuldigen, sondern müssen eher einander verklagen. Gegenwärtiges Buch theilt nicht mit dem Hesperus die Bitte eines beschleunigten Urtheils; denn es hat mit ihm keine einzige Entschuldigung einer solchen Bitte gemein. Es kan nicht wie der Hesperus sagen, daß es in drei Theilen10 in die Welt -- und nicht in den Meskatalog gekommen -- oder daß es wenig für Kurrent-, Kanzlei- und Reichsgerichtliche Wezlaer Leser passe (denn diese könten es eben so leicht machen als lesen) oder daß hier durch ein schnelles Urtheil ein spätes über einen Vorfahrer zu erstatten sei (denn über den Hesperus ist noch keines da, also auch15 kein spätes). Die Bitte des Verfassers kan mithin in nichts bestehen als in einer Wiederhohlung einer veralteten. Es wird immer Zeit genug sein, die Bitte um das citissime und instantissime in Rüksicht dieses 2ten Werkgens vorzutragen, wenn er das dritte schikt.
-- Verzeihen Sie vortreflicher Man, an den ich in einer bessern20 Angelegenheit zu schreiben wünschte als in der meinigen, verzeihen Sie meiner Tachygraphie die Hofnung ihrer Erwiederung. Der Weg von der Hofnung zum Rechte ist sehr weit. -- Es ist wider mein Gefühl, daß ich blos bei einer solchen eigennüzigen Gelegenheit und [129]nicht in dem schönern Verhältnisse und Bündnisse, das Ihre Schriften25 zwischen Ihnen und dem Leser schliessen, die warme Achtung offenbare, womit der höhere ästhetische Purismus Ihrer Werke einen Menschen, der die Erweiterung unsers Innern für alle Systeme und Schönheiten und Karaktere für die hiesige Bestimmung hält, immer erfüllet hat und erfüllen wird. Desto jämmerlicher klingt es, wenn ich30 dieses reine Gefühl des Herzens, wegen des Endes des Briefes, in die epistolarische Versicherung verkleiden mus, daß ich die Ehre habe, mit volkommenster Hochachtung zu beharren
Ew. Wolgeboren gehors. Diener35 J. P. Fr. Richter.
197. An Hofrat Schütz in Jena.
[Nicht abgeſchickt?]Hof im Voigtland d. 18 9bre 1795.
Wolgeborner Herr, Hochzuverehrender Herr Hofrath,
Vielleicht fangen in dieſer Minute 100 Autores mit mir ähnliche5 Briefe an; aber ſo viele Beiſpiele können einander nicht entſchuldigen, ſondern müſſen eher einander verklagen. Gegenwärtiges Buch theilt nicht mit dem Hesperus die Bitte eines beſchleunigten Urtheils; denn es hat mit ihm keine einzige Entſchuldigung einer ſolchen Bitte gemein. Es kan nicht wie der Hesperus ſagen, daß es in drei Theilen10 in die Welt — und nicht in den Meskatalog gekommen — oder daß es wenig für Kurrent-, Kanzlei- und Reichsgerichtliche Wezlaer Leſer paſſe (denn dieſe könten es eben ſo leicht machen als leſen) oder daß hier durch ein ſchnelles Urtheil ein ſpätes über einen Vorfahrer zu erſtatten ſei (denn über den Hesperus iſt noch keines da, alſo auch15 kein ſpätes). Die Bitte des Verfaſſers kan mithin in nichts beſtehen als in einer Wiederhohlung einer veralteten. Es wird immer Zeit genug ſein, die Bitte um das citissime und instantissime in Rükſicht dieſes 2ten Werkgens vorzutragen, wenn er das dritte ſchikt.
— Verzeihen Sie vortreflicher Man, an den ich in einer beſſern20 Angelegenheit zu ſchreiben wünſchte als in der meinigen, verzeihen Sie meiner Tachygraphie die Hofnung ihrer Erwiederung. Der Weg von der Hofnung zum Rechte iſt ſehr weit. — Es iſt wider mein Gefühl, daß ich blos bei einer ſolchen eigennüzigen Gelegenheit und [129]nicht in dem ſchönern Verhältniſſe und Bündniſſe, das Ihre Schriften25 zwiſchen Ihnen und dem Leſer ſchlieſſen, die warme Achtung offenbare, womit der höhere äſthetiſche Purismus Ihrer Werke einen Menſchen, der die Erweiterung unſers Innern für alle Syſteme und Schönheiten und Karaktere für die hieſige Beſtimmung hält, immer erfüllet hat und erfüllen wird. Deſto jämmerlicher klingt es, wenn ich30 dieſes reine Gefühl des Herzens, wegen des Endes des Briefes, in die epiſtolariſche Verſicherung verkleiden mus, daß ich die Ehre habe, mit volkommenſter Hochachtung zu beharren
Ew. Wolgeboren gehorſ. Diener35 J. P. Fr. Richter.
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197. An Hofrat Schütz in Jena.
Hof im Voigtland d. 18 9bre 1795.
Wolgeborner Herr,
Hochzuverehrender Herr Hofrath,
Vielleicht fangen in dieſer Minute 100 Autores mit mir ähnliche 5
Briefe an; aber ſo viele Beiſpiele können einander nicht entſchuldigen,
ſondern müſſen eher einander verklagen. Gegenwärtiges Buch theilt
nicht mit dem Hesperus die Bitte eines beſchleunigten Urtheils; denn
es hat mit ihm keine einzige Entſchuldigung einer ſolchen Bitte
gemein. Es kan nicht wie der Hesperus ſagen, daß es in drei Theilen 10
in die Welt — und nicht in den Meskatalog gekommen — oder daß
es wenig für Kurrent-, Kanzlei- und Reichsgerichtliche Wezlaer
Leſer paſſe (denn dieſe könten es eben ſo leicht machen als leſen) oder
daß hier durch ein ſchnelles Urtheil ein ſpätes über einen Vorfahrer
zu erſtatten ſei (denn über den Hesperus iſt noch keines da, alſo auch 15
kein ſpätes). Die Bitte des Verfaſſers kan mithin in nichts beſtehen als
in einer Wiederhohlung einer veralteten. Es wird immer Zeit genug
ſein, die Bitte um das citissime und instantissime in Rükſicht dieſes
2ten Werkgens vorzutragen, wenn er das dritte ſchikt.
— Verzeihen Sie vortreflicher Man, an den ich in einer beſſern 20
Angelegenheit zu ſchreiben wünſchte als in der meinigen, verzeihen
Sie meiner Tachygraphie die Hofnung ihrer Erwiederung. Der Weg
von der Hofnung zum Rechte iſt ſehr weit. — Es iſt wider mein
Gefühl, daß ich blos bei einer ſolchen eigennüzigen Gelegenheit und
nicht in dem ſchönern Verhältniſſe und Bündniſſe, das Ihre Schriften 25
zwiſchen Ihnen und dem Leſer ſchlieſſen, die warme Achtung offenbare,
womit der höhere äſthetiſche Purismus Ihrer Werke einen
Menſchen, der die Erweiterung unſers Innern für alle Syſteme und
Schönheiten und Karaktere für die hieſige Beſtimmung hält, immer
erfüllet hat und erfüllen wird. Deſto jämmerlicher klingt es, wenn ich 30
dieſes reine Gefühl des Herzens, wegen des Endes des Briefes, in die
epiſtolariſche Verſicherung verkleiden mus, daß ich die Ehre habe, mit
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Ew. Wolgeboren
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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/143>, abgerufen am 16.02.2025.
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