Einhängen einer chronologischen Skala" hast du mir etwas sehr Nüz- liches gesagt. Ich wolte gerade einige Manipel in Form eines datierten Tagebuches geben. Es ist bei einem Verfasser natürlich: er sieht, da er keinen Totaleindruk bekömt, die klaffenden Lücken der Zeit in seiner Geschichte, besonders einer häuslichen. Um nun die Einheit der Zeit zu5 beobachten, merkt er geschikt das Vorübergehen dieser Zeit an und sagt "es passierte nichts darin" anstat daß er nur Zusammenhang und Kette in die leidenschaftlichen Begebenheiten -- die einzige poetische [116]Einheit der Zeit -- bringen solte. Das Vermeiden dieser Lücken ver- bärge die chronologischen. Denn am Ende macht man den Leser nur10 fragsüchtiger: geh ich von Woche zu Woche: so wird er von Tag zu Tag gehen wollen; und thu' ichs auch: so wird er wissen wollen, was der Held im Bette vornahm.
-- Leb recht wol, Guter, und habe noch einmal Dank für alles.
Richter15
177. An Christian Otto.
[Hof, 10. Okt. 1795]
Ich habe dein Mspt. noch einmal durchzugehen: und schicke dir also doch meines.
178. An Christian Otto.20
[Hof, Mitte Okt. 1795]
Auf der 5 Seite des neuen ersten Zusazes mus der Periode "Aber da" der Deutlichkeit und Sprache wegen in den nächsten verschmolzen werden.
= Da nun aber dieses nicht ist: so würde man wenn man den25 Grundsaz des Verf. annähme, die Folge annehmen müssen, daß -- be- zogen werden könte.
+ bedeutet Undeutlichkeit.
Im III. verwandelst du zu oft die Verba in Substantiva, welches nur eine anscheinende Kürze giebt, weil nachher ein neues Verbum nöthig30 ist z. B. Dadurch wird die Ersteigung der Höhe bewirkt, stat die Höhe erstiegen. -- Verwandle lieber die passiven nur durch die Präposizionen "durch" "mit" dastehenden Substantiva in aktive Nominativa. Z. B. Stat: die Natur hat durch die Berge die Sitten der Völker getrent, nim: die Berge trennen die Sitten -- z. B. st[at]: wenn durch die Er-35
Einhängen einer chronologiſchen Skala“ haſt du mir etwas ſehr Nüz- liches geſagt. Ich wolte gerade einige Manipel in Form eines datierten Tagebuches geben. Es iſt bei einem Verfaſſer natürlich: er ſieht, da er keinen Totaleindruk bekömt, die klaffenden Lücken der Zeit in ſeiner Geſchichte, beſonders einer häuslichen. Um nun die Einheit der Zeit zu5 beobachten, merkt er geſchikt das Vorübergehen dieſer Zeit an und ſagt „es paſſierte nichts darin“ anſtat daß er nur Zuſammenhang und Kette in die leidenſchaftlichen Begebenheiten — die einzige poetiſche [116]Einheit der Zeit — bringen ſolte. Das Vermeiden dieſer Lücken ver- bärge die chronologiſchen. Denn am Ende macht man den Leſer nur10 fragſüchtiger: geh ich von Woche zu Woche: ſo wird er von Tag zu Tag gehen wollen; und thu’ ichs auch: ſo wird er wiſſen wollen, was der Held im Bette vornahm.
— Leb recht wol, Guter, und habe noch einmal Dank für alles.
Richter15
177. An Chriſtian Otto.
[Hof, 10. Okt. 1795]
Ich habe dein Mſpt. noch einmal durchzugehen: und ſchicke dir alſo doch meines.
178. An Chriſtian Otto.20
[Hof, Mitte Okt. 1795]
Auf der 5 Seite des neuen erſten Zuſazes mus der Periode „Aber da“ der Deutlichkeit und Sprache wegen in den nächſten verſchmolzen werden.
= Da nun aber dieſes nicht iſt: ſo würde man wenn man den25 Grundſaz des Verf. annähme, die Folge annehmen müſſen, daß — be- zogen werden könte.
+ bedeutet Undeutlichkeit.
Im III. verwandelſt du zu oft die Verba in Subſtantiva, welches nur eine anſcheinende Kürze giebt, weil nachher ein neues Verbum nöthig30 iſt z. B. Dadurch wird die Erſteigung der Höhe bewirkt, ſtat die Höhe erſtiegen. — Verwandle lieber die paſſiven nur durch die Präpoſizionen „durch“ „mit“ daſtehenden Subſtantiva in aktive Nominativa. Z. B. Stat: die Natur hat durch die Berge die Sitten der Völker getrent, nim: die Berge trennen die Sitten — z. B. ſt[at]: wenn durch die Er-35
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Einheit der Zeit — bringen ſolte. Das Vermeiden dieſer Lücken ver-
bärge die chronologiſchen. Denn am Ende macht man den Leſer nur 10
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Tag gehen wollen; und thu’ ichs auch: ſo wird er wiſſen wollen, was
der Held im Bette vornahm.
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— Leb recht wol, Guter, und habe noch einmal Dank für alles.
Richter 15
177. An Chriſtian Otto.
[Hof, 10. Okt. 1795]
Ich habe dein Mſpt. noch einmal durchzugehen: und ſchicke dir alſo
doch meines.
178. An Chriſtian Otto. 20
[Hof, Mitte Okt. 1795]
Auf der 5 Seite des neuen erſten Zuſazes mus der Periode „Aber da“
der Deutlichkeit und Sprache wegen in den nächſten verſchmolzen
werden.
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Grundſaz des Verf. annähme, die Folge annehmen müſſen, daß — be-
zogen werden könte.
+ bedeutet Undeutlichkeit.
Im III. verwandelſt du zu oft die Verba in Subſtantiva, welches nur
eine anſcheinende Kürze giebt, weil nachher ein neues Verbum nöthig 30
iſt z. B. Dadurch wird die Erſteigung der Höhe bewirkt, ſtat die Höhe
erſtiegen. — Verwandle lieber die paſſiven nur durch die Präpoſizionen
„durch“ „mit“ daſtehenden Subſtantiva in aktive Nominativa. Z. B.
Stat: die Natur hat durch die Berge die Sitten der Völker getrent,
nim: die Berge trennen die Sitten — z. B. [FORMEL] ſt[at]: wenn durch die Er- 35
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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
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Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
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Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/131>, abgerufen am 07.07.2024.
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