Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958.nicht blos Erlaubnis sondern Befehl. Ich hebe meine Flügeldecken 128. An Christian Otto. Bayreuth d. 20 Jun. Sonabends 95.20Lieber Otto Wenn man an den andern aus einem Haus ins andre hinüber- Kurz Bayreuth ist mein Maienthal jezt, nur mangelts mir in Las mich, Otto, springen wie ich wil -- ich springe jezt auf den nicht blos Erlaubnis ſondern Befehl. Ich hebe meine Flügeldecken 128. An Chriſtian Otto. Bayreuth d. 20 Jun. 〈Sonabends〉 95.20Lieber Otto Wenn man an den andern aus einem Haus ins andre hinüber- Kurz Bayreuth iſt mein Maienthal jezt, nur mangelts mir in Las mich, Otto, ſpringen wie ich wil — ich ſpringe jezt auf den <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0103" n="93"/> nicht blos Erlaubnis ſondern Befehl. Ich hebe meine Flügeldecken<lb/> und meine Flügel wieder auf und flattere in Ihr[em] Elyſium nieder. —<lb/> Ihre Furcht um [Ihren] Eleven iſt ſo gros wie Ihr Verdienſt. Der<lb/> Menſch wird nicht viel ſchneller verſchlimmert als verbeſſert: nur, wie<lb/> er im enthuſiaſtiſchen Eintrit in die aufſteigende Bahn die gröſſern<lb n="5"/> Sprünge thut, ſo thut er im Eintrit in die niederwärtsgehende<lb/> anfangs die gröſſern Fälle. Es verliert ſich — von Ihrem Samen<lb/> können einige Wochen wol einige Beete aber nicht die ganze Ernte<lb/> ertreten. Was den Guten ewig tröſtet, iſt: jedes Gute hat ewige<lb/> Folgen, aber nicht jedes Schlimme. Denn ſonſt da es mehr Böſes als<lb n="10"/> Gutes hienieden giebt, hätte das Unkraut wenigſtens in arithmetiſcher<lb/> Progreſſion längſt alle Blumen ausgezehrt und überſchattet. Über das<lb/> Verdienſt, einen Fürſten zu bilden, welches gröſſer iſt als das einer zu<lb/> ſein, hat ein ſo kurzer Zufal keine Gewalt. Berechnen Sie die 1000<lb/> ſchlimmen Lagen jedes Guten und ſeine 10 guten: und dan <hi rendition="#g">hoffen</hi><lb n="15"/> Sie von andern, was Sie von ſich <hi rendition="#g">wiſſen.</hi> — Die Männer ſind<lb/> fähiger von Weibern zu lernen als dieſe von ihnen — Weiber, die<lb/> Ton haben ohne Fülle, wie leere Gläſer klingen.</p> </div><lb/> <div type="letter" n="1"> <head>128. An <hi rendition="#g">Chriſtian Otto.</hi></head><lb/> <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Bayreuth d. 20 Jun.</hi> 〈Sonabends〉 95.</hi> </dateline> <lb n="20"/> <opener> <salute> <hi rendition="#et">Lieber Otto</hi> </salute> </opener><lb/> <p>Wenn man an den andern aus einem Haus ins andre hinüber-<lb/> ſchreibt: ſo mus man ſchon wenn nicht gute, doch einige Gedanken<lb/> haben und bringen. Schreibt man aber über eine Chauſſee hinüber wie<lb/> ich: ſo brauchts das gar nicht — man nimt ſeine Hiſtorie und erzählt ſie.<lb n="25"/> </p> <p>Kurz Bayreuth iſt mein <hi rendition="#aq">Maienthal</hi> jezt, nur mangelts mir in<lb/> dieſem engliſchen Garten an einer geſcheuten himliſchen Pygmalions —<lb/> Statue.</p><lb/> <p>Las mich, Otto, ſpringen wie ich wil — ich ſpringe jezt auf den<lb/> Buchhändler <hi rendition="#aq">Lübek.</hi> 200 fl. zieh ich für den römiſchen Verkauf meines<lb n="30"/> Fötus; und da ichs noch öfter als ein römiſcher Vater verkaufen<lb/> darf, ſo bekomm ich bei der 2<hi rendition="#sup">ten</hi> Auflage <hi rendition="#u">160</hi>, dritten 180 und ſo fort<note place="right"><ref target="1922_Bd2_88">[88]</ref></note><lb/> bis zur 180<hi rendition="#sup">ten</hi> Auflage ſelber. Die 20 fl. die er den 180 beigelegt,<lb/> ſubtrahiert er der 2<hi rendition="#sup">ten</hi> Auflage. Er hat ein abgeplattetes, unten zu-<lb/> ſammengedrehtes, lächelndes, verſchmiztes, ſchwaches Paſten-Geſicht.<lb n="35"/> </p> </div> </body> </text> </TEI> [93/0103]
nicht blos Erlaubnis ſondern Befehl. Ich hebe meine Flügeldecken
und meine Flügel wieder auf und flattere in Ihr[em] Elyſium nieder. —
Ihre Furcht um [Ihren] Eleven iſt ſo gros wie Ihr Verdienſt. Der
Menſch wird nicht viel ſchneller verſchlimmert als verbeſſert: nur, wie
er im enthuſiaſtiſchen Eintrit in die aufſteigende Bahn die gröſſern 5
Sprünge thut, ſo thut er im Eintrit in die niederwärtsgehende
anfangs die gröſſern Fälle. Es verliert ſich — von Ihrem Samen
können einige Wochen wol einige Beete aber nicht die ganze Ernte
ertreten. Was den Guten ewig tröſtet, iſt: jedes Gute hat ewige
Folgen, aber nicht jedes Schlimme. Denn ſonſt da es mehr Böſes als 10
Gutes hienieden giebt, hätte das Unkraut wenigſtens in arithmetiſcher
Progreſſion längſt alle Blumen ausgezehrt und überſchattet. Über das
Verdienſt, einen Fürſten zu bilden, welches gröſſer iſt als das einer zu
ſein, hat ein ſo kurzer Zufal keine Gewalt. Berechnen Sie die 1000
ſchlimmen Lagen jedes Guten und ſeine 10 guten: und dan hoffen 15
Sie von andern, was Sie von ſich wiſſen. — Die Männer ſind
fähiger von Weibern zu lernen als dieſe von ihnen — Weiber, die
Ton haben ohne Fülle, wie leere Gläſer klingen.
128. An Chriſtian Otto.
Bayreuth d. 20 Jun. 〈Sonabends〉 95. 20
Lieber Otto
Wenn man an den andern aus einem Haus ins andre hinüber-
ſchreibt: ſo mus man ſchon wenn nicht gute, doch einige Gedanken
haben und bringen. Schreibt man aber über eine Chauſſee hinüber wie
ich: ſo brauchts das gar nicht — man nimt ſeine Hiſtorie und erzählt ſie. 25
Kurz Bayreuth iſt mein Maienthal jezt, nur mangelts mir in
dieſem engliſchen Garten an einer geſcheuten himliſchen Pygmalions —
Statue.
Las mich, Otto, ſpringen wie ich wil — ich ſpringe jezt auf den
Buchhändler Lübek. 200 fl. zieh ich für den römiſchen Verkauf meines 30
Fötus; und da ichs noch öfter als ein römiſcher Vater verkaufen
darf, ſo bekomm ich bei der 2ten Auflage 160, dritten 180 und ſo fort
bis zur 180ten Auflage ſelber. Die 20 fl. die er den 180 beigelegt,
ſubtrahiert er der 2ten Auflage. Er hat ein abgeplattetes, unten zu-
ſammengedrehtes, lächelndes, verſchmiztes, ſchwaches Paſten-Geſicht. 35
[88]
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |