Morus ist unst[reitig] nicht ortodox. Er hat schon viele Verfolgungen gelitten; und eben dieses macht ihn behutsam, und hindert ihn, seine Meinung frei herauszusagen. Wo er ein Wunder, eine Stelle vom Teufel mit Recht [?] wegerklären [kan]; oder eine Allegorie aus dem A. T. zu einer Akkommodazion machen; so tut er's. In seiner Dog-5 matik, die er treflich liest, trägt er bei streitigen Punkten die Meinun- gen der entgegengesezten Parteien vor -- er überläst den Zuhörern die Entscheidung. Und wer wolte da nicht aus der Stärke seiner Gründe auf der einen Seite herausbringen, welches seine w[are] Meinung sei. --10
Erlauben Sie mir, daß ich Ihre Güte, mit welcher Sie Sich nach meiner eignen Beschäftigung erkundigen, durch die Freimütigkeit erwiedern darf, mit welcher ich Ihre Fragen beantworten wil. Aber vergeben Sie iezt den häufigen [?] Egoism, den ich nicht vermeiden kan. Ich habe gehört, und höre exegetische Kollegien über den Jo-15 hannes bei M[agister] W[eber], und [über] die Apostel[geschichte bei] Morus, über Logik und Metaphysik bei Platner, über Ästetik bei dem[selben], über Moral bei Wieland, über Geometrie [und] Trigono- metrie bei Geler, über des Philo's Brief an den Kaius bei Morus, und über die englische Sprache bei [Hempel]. Wenn ich Ihnen sage, was[33]20 ich eigentlich [?] studire, so werden Sie den Grund finden w[arum] ich gerade [?] diese Kollegien gehört habe. Die Sprachen sind iezt meine liebste Beschäftigung; blos deswegen weil ich für gewisse W[erke?] mer Liebe bekommen habe. Es wird mir schwer Ihnen gewisse Dinge zu sagen, da sie sich one den Schein von Stolz und Pralerei kaum25 sagen lassen: aber es wird mir leicht sie zu sagen, wenn ich mich er- innere, daß Sie mich zu gut kennen, um da mich stolz zu ver[muten], wo ich's nicht sein kan, oder da zu finden, wo man's blos zu sein scheint. Ich habe mir die Regel in meinen Studien gemacht, nur das zu treiben, was mir am angenemsten ist, für was ich am wenigsten30 ungeschikt bin, und was ich iezt schon nüzlich finde oder halte. Ich habe mich oft betrogen, wenn ich dieser Regel gefolgt bin: allein ich hab' es nie bereut, in einen Irtum gefallen zu sein, der ................. Das studiren, was man nicht liebt, das heist, mit dem Ekkel, mit der Lang- weile und dem Überdrus kämpfen, um ein Gut zu erhalten, das man35 nicht begert, das heist, die Kräfte, die sich zu etwas anderm geschaffen fülen, umsonst an eine Sache verschwenden, wo man nicht weit komt,
Morus iſt unſt[reitig] nicht ortodox. Er hat ſchon viele Verfolgungen gelitten; und eben dieſes macht ihn behutſam, und hindert ihn, ſeine Meinung frei herauszuſagen. Wo er ein Wunder, eine Stelle vom Teufel mit Recht [?] wegerklären [kan]; oder eine Allegorie aus dem A. T. zu einer Akkommodazion machen; ſo tut er’s. In ſeiner Dog-5 matik, die er treflich lieſt, trägt er bei ſtreitigen Punkten die Meinun- gen der entgegengeſezten Parteien vor — er überläſt den Zuhörern die Entſcheidung. Und wer wolte da nicht aus der Stärke ſeiner Gründe auf der einen Seite herausbringen, welches ſeine w[are] Meinung ſei. —10
Erlauben Sie mir, daß ich Ihre Güte, mit welcher Sie Sich nach meiner eignen Beſchäftigung erkundigen, durch die Freimütigkeit erwiedern darf, mit welcher ich Ihre Fragen beantworten wil. Aber vergeben Sie iezt den häufigen [?] Egoiſm, den ich nicht vermeiden kan. Ich habe gehört, und höre exegetiſche Kollegien über den Jo-15 hannes bei M[agiſter] W[eber], und [über] die Apoſtel[geſchichte bei] Morus, über Logik und Metaphyſik bei Platner, über Äſtetik bei dem[ſelben], über Moral bei Wieland, über Geometrie [und] Trigono- metrie bei Geler, über des Philo’s Brief an den Kaius bei Morus, und über die engliſche Sprache bei [Hempel]. Wenn ich Ihnen ſage, was[33]20 ich eigentlich [?] ſtudire, ſo werden Sie den Grund finden w[arum] ich gerade [?] dieſe Kollegien gehört habe. Die Sprachen ſind iezt meine liebſte Beſchäftigung; blos deswegen weil ich für gewiſſe W[erke?] mer Liebe bekommen habe. Es wird mir ſchwer Ihnen gewiſſe Dinge zu ſagen, da ſie ſich one den Schein von Stolz und Pralerei kaum25 ſagen laſſen: aber es wird mir leicht ſie zu ſagen, wenn ich mich er- innere, daß Sie mich zu gut kennen, um da mich ſtolz zu ver[muten], wo ich’s nicht ſein kan, oder da zu finden, wo man’s blos zu ſein ſcheint. Ich habe mir die Regel in meinen Studien gemacht, nur das zu treiben, was mir am angenemſten iſt, für was ich am wenigſten30 ungeſchikt bin, und was ich iezt ſchon nüzlich finde oder halte. Ich habe mich oft betrogen, wenn ich dieſer Regel gefolgt bin: allein ich hab’ es nie bereut, in einen Irtum gefallen zu ſein, der ................. Das ſtudiren, was man nicht liebt, das heiſt, mit dem Ekkel, mit der Lang- weile und dem Überdrus kämpfen, um ein Gut zu erhalten, das man35 nicht begert, das heiſt, die Kräfte, die ſich zu etwas anderm geſchaffen fülen, umſonſt an eine Sache verſchwenden, wo man nicht weit komt,
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Morus iſt unſt[reitig] nicht ortodox. Er hat ſchon viele Verfolgungen
gelitten; und eben dieſes macht ihn behutſam, und hindert ihn, ſeine
Meinung frei herauszuſagen. Wo er ein Wunder, eine Stelle vom
Teufel mit Recht [?] wegerklären [kan]; oder eine Allegorie aus dem
A. T. zu einer Akkommodazion machen; ſo tut er’s. In ſeiner Dog- 5
matik, die er treflich lieſt, trägt er bei ſtreitigen Punkten die Meinun-
gen der entgegengeſezten Parteien vor — er überläſt den Zuhörern die
Entſcheidung. Und wer wolte da nicht aus der Stärke ſeiner Gründe
auf der einen Seite herausbringen, welches ſeine w[are] Meinung
ſei. — 10
Erlauben Sie mir, daß ich Ihre Güte, mit welcher Sie Sich nach
meiner eignen Beſchäftigung erkundigen, durch die Freimütigkeit
erwiedern darf, mit welcher ich Ihre Fragen beantworten wil. Aber
vergeben Sie iezt den häufigen [?] Egoiſm, den ich nicht vermeiden
kan. Ich habe gehört, und höre exegetiſche Kollegien über den Jo- 15
hannes bei M[agiſter] W[eber], und [über] die Apoſtel[geſchichte bei]
Morus, über Logik und Metaphyſik bei Platner, über Äſtetik bei
dem[ſelben], über Moral bei Wieland, über Geometrie [und] Trigono-
metrie bei Geler, über des Philo’s Brief an den Kaius bei Morus, und
über die engliſche Sprache bei [Hempel]. Wenn ich Ihnen ſage, was 20
ich eigentlich [?] ſtudire, ſo werden Sie den Grund finden w[arum] ich
gerade [?] dieſe Kollegien gehört habe. Die Sprachen ſind iezt meine
liebſte Beſchäftigung; blos deswegen weil ich für gewiſſe W[erke?]
mer Liebe bekommen habe. Es wird mir ſchwer Ihnen gewiſſe Dinge
zu ſagen, da ſie ſich one den Schein von Stolz und Pralerei kaum 25
ſagen laſſen: aber es wird mir leicht ſie zu ſagen, wenn ich mich er-
innere, daß Sie mich zu gut kennen, um da mich ſtolz zu ver[muten], wo
ich’s nicht ſein kan, oder da zu finden, wo man’s blos zu ſein ſcheint.
Ich habe mir die Regel in meinen Studien gemacht, nur das zu
treiben, was mir am angenemſten iſt, für was ich am wenigſten 30
ungeſchikt bin, und was ich iezt ſchon nüzlich finde oder halte. Ich habe
mich oft betrogen, wenn ich dieſer Regel gefolgt bin: allein ich hab’ es
nie bereut, in einen Irtum gefallen zu ſein, der ................. Das
ſtudiren, was man nicht liebt, das heiſt, mit dem Ekkel, mit der Lang-
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nicht begert, das heiſt, die Kräfte, die ſich zu etwas anderm geſchaffen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/54>, abgerufen am 24.11.2024.
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