Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.Du liebes Bayreuth, auf einem so schön gearbeiteten, so grün an- Ich schreibe so lange als es regnet, damit ich mich um den ganzen Gestern gieng ich unter Finsternis, Regen und Musik der Vogel- Mandel! ... (Gerade war eine invitierende Magd bei mir, die allein soviel10 Unser theuerer Mandel hört ohne Hörrohr, wenigstens mein Um 9 Uhr an jenen Einklang der Brust, wenn Eine Saite, von einem Herzen 26 Jean Paul Briefe. I.
Du liebes Bayreuth, auf einem ſo ſchön gearbeiteten, ſo grün an- Ich ſchreibe ſo lange als es regnet, damit ich mich um den ganzen Geſtern gieng ich unter Finſternis, Regen und Muſik der Vogel- Mandel! … (Gerade war eine invitierende Magd bei mir, die allein ſoviel10 Unſer theuerer Mandel hört ohne Hörrohr, wenigſtens mein Um 9 Uhr an jenen Einklang der Bruſt, wenn Eine Saite, von einem Herzen 26 Jean Paul Briefe. I.
<TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <pb facs="#f0429" n="401"/> <p>Du liebes Bayreuth, auf einem ſo ſchön gearbeiteten, ſo grün an-<lb/> geſtrichenen Präſentierteller von Gegend einem dargeboten — man<lb/> ſolte ſich einbohren in dich, um nimmer heraus zu können — …</p><lb/> <p>Ich ſchreibe ſo lange als es regnet, damit ich mich um den ganzen<lb/> Himmel nichts ſcheere und meine Heiterkeit ohne die ſeinige be-<lb n="5"/> halte. — —</p><lb/> <p>Geſtern gieng ich unter Finſternis, Regen und Muſik der Vogel-<lb/> ſchüzen-Armee zum guten guten — — —</p><lb/> <p> <hi rendition="#et">Mandel! …</hi> </p><lb/> <p>(Gerade war eine invitierende Magd bei mir, die allein ſoviel<lb n="10"/> Freundlichkeit hat, daß damit die ganze Kappens oder Kapuzen<lb/> Familie auszuſtatten wäre)</p><lb/> <p>Unſer theuerer Mandel hört ohne Hörrohr, wenigſtens mein<lb/> Sprachrohr und braucht die Krüke wie wir den Stok, zu nichts. Er iſt<lb/> kein Jude ſondern ein Philoſoph — und den <metamark>[</metamark><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">unleserlich gemachtes<lb n="15"/> Wort</hi></hi><metamark>]</metamark> hätte man in ihrer Jugend ſo viel Verſtand einprügeln ſollen<lb/> als ſie ihm <metamark>[</metamark><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">zwei unleserlich gemachte Wörter</hi></hi><metamark>]</metamark> ausprügelten. Dieſe<lb/> ſchöne Seele ſolte nichts feil haben als — Wahrheiten; ſie iſt für einen<lb/> Juden und Kaufman zu edel. Erſt dieſesmal — das erſtemal nicht —<lb/> zog ich die Blätter aus einander, die dieſe für ein beſſeres Leben reife<lb n="20"/> Frucht verhüllen. Wir diſputierten faſt blos — ich konte gar nicht fort<lb/> — ein alter Jude mit einem Barte ſo lange wie ein Kometenſchwanz<lb/> kam dazu und ſprach dazu und recht gut — Sein erſtes Wort klang<lb/> Renata — Seine edle Wärme für Sie iſt ſo gros daß ich nicht weis,<lb/> welches ſchöner iſt, dieſe Wärme zu empfinden wie er oder zu ver-<lb n="25"/> dienen wie Sie. Wir ſtritten über die Freundſchaft, auf welche der<lb/> Uebergang von Ihnen nicht ſchwer iſt. Er glaubte an zwei Stufen —<lb/> an die theilnehmende, liebende, die aber in Proben erliegt — und an<lb/> die helfende, die in der Noth wie ein Gott die Arme reicht und heraus-<lb/> hebt. Ich ſtrit, weil ich noch an eine dritte höhere Stufe glaube:<lb n="30"/> </p> <div> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Um 9 Uhr</hi> </hi> </p><lb/> <p>an jenen Einklang der Bruſt, wenn Eine Saite, von einem Herzen<lb/> zum andern geſpant, auf beiden zittert, ſobald ſie der Ewige mit ſeiner<lb/> groſſen Welt berührt — an jene Aehnlichkeit, wo die Gedanken ſchon<lb/> Worte ſind und die Blicke ſchon Umarmungen — wo äuſſere Vortheile<lb n="35"/> nicht knüpfen, äuſſere Nachtheile nicht trennen — wo die zwei Ueber-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">26 Jean Paul Briefe. <hi rendition="#aq">I.</hi></fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [401/0429]
Du liebes Bayreuth, auf einem ſo ſchön gearbeiteten, ſo grün an-
geſtrichenen Präſentierteller von Gegend einem dargeboten — man
ſolte ſich einbohren in dich, um nimmer heraus zu können — …
Ich ſchreibe ſo lange als es regnet, damit ich mich um den ganzen
Himmel nichts ſcheere und meine Heiterkeit ohne die ſeinige be- 5
halte. — —
Geſtern gieng ich unter Finſternis, Regen und Muſik der Vogel-
ſchüzen-Armee zum guten guten — — —
Mandel! …
(Gerade war eine invitierende Magd bei mir, die allein ſoviel 10
Freundlichkeit hat, daß damit die ganze Kappens oder Kapuzen
Familie auszuſtatten wäre)
Unſer theuerer Mandel hört ohne Hörrohr, wenigſtens mein
Sprachrohr und braucht die Krüke wie wir den Stok, zu nichts. Er iſt
kein Jude ſondern ein Philoſoph — und den [unleserlich gemachtes 15
Wort] hätte man in ihrer Jugend ſo viel Verſtand einprügeln ſollen
als ſie ihm [zwei unleserlich gemachte Wörter] ausprügelten. Dieſe
ſchöne Seele ſolte nichts feil haben als — Wahrheiten; ſie iſt für einen
Juden und Kaufman zu edel. Erſt dieſesmal — das erſtemal nicht —
zog ich die Blätter aus einander, die dieſe für ein beſſeres Leben reife 20
Frucht verhüllen. Wir diſputierten faſt blos — ich konte gar nicht fort
— ein alter Jude mit einem Barte ſo lange wie ein Kometenſchwanz
kam dazu und ſprach dazu und recht gut — Sein erſtes Wort klang
Renata — Seine edle Wärme für Sie iſt ſo gros daß ich nicht weis,
welches ſchöner iſt, dieſe Wärme zu empfinden wie er oder zu ver- 25
dienen wie Sie. Wir ſtritten über die Freundſchaft, auf welche der
Uebergang von Ihnen nicht ſchwer iſt. Er glaubte an zwei Stufen —
an die theilnehmende, liebende, die aber in Proben erliegt — und an
die helfende, die in der Noth wie ein Gott die Arme reicht und heraus-
hebt. Ich ſtrit, weil ich noch an eine dritte höhere Stufe glaube: 30
Um 9 Uhr
an jenen Einklang der Bruſt, wenn Eine Saite, von einem Herzen
zum andern geſpant, auf beiden zittert, ſobald ſie der Ewige mit ſeiner
groſſen Welt berührt — an jene Aehnlichkeit, wo die Gedanken ſchon
Worte ſind und die Blicke ſchon Umarmungen — wo äuſſere Vortheile 35
nicht knüpfen, äuſſere Nachtheile nicht trennen — wo die zwei Ueber-
26 Jean Paul Briefe. I.
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(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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