Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.

Bild:
<< vorherige Seite
Atheismus, um ihn aus der Bibel zu widerlegen, aus der man (wie
jezt wieder) den ersten Beweis des götlichen Daseins zog.
7. Denn alle Gründe, die sich sagen lassen, um die erste Auflage
dieser Akte zu rechtfertigen, müssen auch für die verbesserte gelten.
So gut der König das Volk (seine Krone) abdanken kan, so gut dieses ihn.5
9. In Robertson stehen noch mehr Beispiele: "im 13ten Jahrhundert
nahmen die Lombarden 20 proc., oft 30 -- im 14ten sezte Philip der
Schöne die Zinsen auf 20 pr. herab -- im 15ten gab man in Placentia
40 proc." Seine Anmerkungen must du wieder zu bekommen suchen.
10. Da das Prädikat so spät nach einer Reihe von Subjekten kömt,10
die dan den Leser in einem rathenden Schwanken lassen: so würd' ich
jenes gleich zuerst stellen, ob gleich jeder sonst diese Erleichterung seiner
Leser versäumt.
11. "Nachdenken" ist zu wenig und zu algemein; und "Philo-
sophieren" vielleicht passender.15
12. Daher die Aehnlichkeit des Mystizismus und Stoizismus -- des
Spinozismus und Jakob Böhismus; aber warum antizipiert der
Schwärmer? -- Eine Ursache ist, daß blos Phantasie erfindet (im
Metaphysiker so gut wie im Dichter; und der Unterschied liegt nur im
Gegenstand und Gebrauch des Funds) und daß der Mensch zwar über20
[398]die Anspannung, in der erfunden wird, gebieten könne, aber nicht über
die Erfolge dieser Anspannung. Man kan sich blos die Lage zu erfinden,
geben; aber die Ausbeute nicht weissagen und nicht erzwingen und nicht
beabsichtigen. Und doch liegt dieser Kraft ein regelnder Mechanismus
zum Grunde.25
13. Die dritte Aehnlichkeit hast du nicht dem Geist der Epoche,
sondern nur einigen Separatisten zu danken.
14. Kürzer! (Daher hab' ich in deinem Aufsaz mehr Parenthesen
als Noten gemacht)
15. Stelle alles so kurz neben einander wie zu Ende des Aufsazes30
im "Triumphgefolge"; du kanst doch hintennach die Nachbarschaft
des ca ira, deus lo vult, und unser Gott ist eine feste Burg etc. noch
erklären oder beweisen. Falle nicht wie der Deutsche oder Herman oder
Zizero in Bestimmungen, die der Leser leicht ersezt oder entbehrt. z. B.
warum hier "Gefahren vergessen und den Tod verachten -- den35
"gesunknen Muth am Rande der grösten Verzweiflung beleben."
Denn sonst, wenn dem Leser keine Bestimmungen aufgehoben werden,
Atheiſmus, um ihn aus der Bibel zu widerlegen, aus der man (wie
jezt wieder) den erſten Beweis des götlichen Daſeins zog.
7. Denn alle Gründe, die ſich ſagen laſſen, um die erſte Auflage
dieſer Akte zu rechtfertigen, müſſen auch für die verbeſſerte gelten.
So gut der König das Volk (ſeine Krone) abdanken kan, ſo gut dieſes ihn.5
9. In Robertſon ſtehen noch mehr Beiſpiele: „im 13ten Jahrhundert
nahmen die Lombarden 20 proc., oft 30 — im 14ten ſezte Philip der
Schöne die Zinſen auf 20 pr. herab — im 15ten gab man in Placentia
40 proc.“ Seine Anmerkungen muſt du wieder zu bekommen ſuchen.
10. Da das Prädikat ſo ſpät nach einer Reihe von Subjekten kömt,10
die dan den Leſer in einem rathenden Schwanken laſſen: ſo würd’ ich
jenes gleich zuerſt ſtellen, ob gleich jeder ſonſt dieſe Erleichterung ſeiner
Leſer verſäumt.
11. „Nachdenken“ iſt zu wenig und zu algemein; und „Philo-
ſophieren“ vielleicht paſſender.15
12. Daher die Aehnlichkeit des Myſtiziſmus und Stoiziſmus — des
Spinoziſmus und Jakob Böhiſmus; aber warum antizipiert der
Schwärmer? — Eine Urſache iſt, daß blos Phantaſie erfindet (im
Metaphyſiker ſo gut wie im Dichter; und der Unterſchied liegt nur im
Gegenſtand und Gebrauch des Funds) und daß der Menſch zwar über20
[398]die Anſpannung, in der erfunden wird, gebieten könne, aber nicht über
die Erfolge dieſer Anſpannung. Man kan ſich blos die Lage zu erfinden,
geben; aber die Ausbeute nicht weiſſagen und nicht erzwingen und nicht
beabſichtigen. Und doch liegt dieſer Kraft ein regelnder Mechaniſmus
zum Grunde.25
13. Die dritte Aehnlichkeit haſt du nicht dem Geiſt der Epoche,
ſondern nur einigen Separatiſten zu danken.
14. Kürzer! (Daher hab’ ich in deinem Aufſaz mehr Parentheſen
als Noten gemacht)
15. Stelle alles ſo kurz neben einander wie zu Ende des Aufſazes30
im „Triumphgefolge“; du kanſt doch hintennach die Nachbarſchaft
des ça ira, deus lo vult, und unser Gott ist eine feste Burg ꝛc. noch
erklären oder beweiſen. Falle nicht wie der Deutſche oder Herman oder
Zizero in Beſtimmungen, die der Leſer leicht erſezt oder entbehrt. z. B.
warum hier „Gefahren vergeſſen und den Tod verachten — den35
geſunknen Muth am Rande der gröſten Verzweiflung beleben.“
Denn ſonſt, wenn dem Leſer keine Beſtimmungen aufgehoben werden,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <div>
          <list>
            <item><pb facs="#f0406" n="378"/>
Athei&#x017F;mus, um ihn aus der Bibel zu widerlegen, aus der man (wie<lb/>
jezt wieder) den er&#x017F;ten Beweis des götlichen Da&#x017F;eins zog.</item><lb/>
            <item>7. Denn alle Gründe, die &#x017F;ich &#x017F;agen la&#x017F;&#x017F;en, um die er&#x017F;te Auflage<lb/>
die&#x017F;er Akte zu rechtfertigen, mü&#x017F;&#x017F;en auch für die verbe&#x017F;&#x017F;erte gelten.<lb/>
So gut der König das Volk (&#x017F;eine Krone) abdanken kan, &#x017F;o gut die&#x017F;es ihn.<lb n="5"/>
</item>
            <item>9. In Robert&#x017F;on &#x017F;tehen noch mehr Bei&#x017F;piele: &#x201E;im 13<hi rendition="#sup">ten</hi> Jahrhundert<lb/>
nahmen die Lombarden 20 <hi rendition="#aq">proc.,</hi> oft 30 &#x2014; im 14<hi rendition="#sup">ten</hi> &#x017F;ezte Philip der<lb/>
Schöne die Zin&#x017F;en auf 20 <hi rendition="#aq">pr.</hi> herab &#x2014; im 15<hi rendition="#sup">ten</hi> gab man in Placentia<lb/>
40 <hi rendition="#aq">proc.</hi>&#x201C; Seine Anmerkungen mu&#x017F;t du wieder zu bekommen &#x017F;uchen.</item><lb/>
            <item>10. Da das Prädikat &#x017F;o &#x017F;pät nach einer Reihe von Subjekten kömt,<lb n="10"/>
die dan den Le&#x017F;er in einem rathenden Schwanken la&#x017F;&#x017F;en: &#x017F;o würd&#x2019; ich<lb/>
jenes gleich zuer&#x017F;t &#x017F;tellen, ob gleich jeder &#x017F;on&#x017F;t die&#x017F;e Erleichterung &#x017F;einer<lb/>
Le&#x017F;er ver&#x017F;äumt.</item><lb/>
            <item>11. &#x201E;Nachdenken&#x201C; i&#x017F;t zu wenig und zu algemein; und &#x201E;Philo-<lb/>
&#x017F;ophieren&#x201C; vielleicht pa&#x017F;&#x017F;ender.<lb n="15"/>
</item>
            <item>12. Daher die Aehnlichkeit des My&#x017F;tizi&#x017F;mus und Stoizi&#x017F;mus &#x2014; des<lb/>
Spinozi&#x017F;mus und Jakob Böhi&#x017F;mus; aber warum antizipiert der<lb/>
Schwärmer? &#x2014; Eine Ur&#x017F;ache i&#x017F;t, daß blos <hi rendition="#g">Phanta&#x017F;ie</hi> erfindet (im<lb/>
Metaphy&#x017F;iker &#x017F;o gut wie im Dichter; und der Unter&#x017F;chied liegt nur im<lb/>
Gegen&#x017F;tand und Gebrauch des Funds) und daß der Men&#x017F;ch zwar über<lb n="20"/>
<note place="left"><ref target="1922_Bd#_398">[398]</ref></note>die An&#x017F;pannung, in der erfunden wird, gebieten könne, aber nicht über<lb/>
die Erfolge die&#x017F;er An&#x017F;pannung. Man kan &#x017F;ich blos die Lage zu erfinden,<lb/>
geben; aber die Ausbeute nicht wei&#x017F;&#x017F;agen und nicht erzwingen und nicht<lb/>
beab&#x017F;ichtigen. Und doch liegt die&#x017F;er Kraft ein regelnder Mechani&#x017F;mus<lb/>
zum Grunde.<lb n="25"/>
</item>
            <item>13. Die dritte Aehnlichkeit ha&#x017F;t du nicht dem Gei&#x017F;t der Epoche,<lb/>
&#x017F;ondern nur einigen Separati&#x017F;ten zu danken.</item><lb/>
            <item>14. Kürzer! (Daher hab&#x2019; ich in deinem Auf&#x017F;az mehr Parenthe&#x017F;en<lb/>
als Noten gemacht)</item><lb/>
            <item>15. Stelle alles &#x017F;o kurz neben einander wie zu Ende des Auf&#x017F;azes<lb n="30"/>
im &#x201E;Triumphgefolge&#x201C;; du kan&#x017F;t doch hintennach die Nachbar&#x017F;chaft<lb/>
des <hi rendition="#aq">ça ira, deus lo vult,</hi> und <hi rendition="#aq">unser Gott ist eine feste Burg</hi> &#xA75B;c. noch<lb/>
erklären oder bewei&#x017F;en. Falle nicht wie der Deut&#x017F;che oder Herman oder<lb/>
Zizero in Be&#x017F;timmungen, die der Le&#x017F;er leicht er&#x017F;ezt oder entbehrt. z. B.<lb/>
warum hier &#x201E;Gefahren verge&#x017F;&#x017F;en und den Tod verachten &#x2014; den<lb n="35"/>
&#x201E;<hi rendition="#g">ge&#x017F;unknen</hi> Muth am <hi rendition="#g">Rande</hi> der <hi rendition="#g">grö&#x017F;ten</hi> Verzweiflung beleben.&#x201C;<lb/>
Denn &#x017F;on&#x017F;t, wenn dem Le&#x017F;er keine Be&#x017F;timmungen aufgehoben werden,<lb/></item>
          </list>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[378/0406] Atheiſmus, um ihn aus der Bibel zu widerlegen, aus der man (wie jezt wieder) den erſten Beweis des götlichen Daſeins zog. 7. Denn alle Gründe, die ſich ſagen laſſen, um die erſte Auflage dieſer Akte zu rechtfertigen, müſſen auch für die verbeſſerte gelten. So gut der König das Volk (ſeine Krone) abdanken kan, ſo gut dieſes ihn. 5 9. In Robertſon ſtehen noch mehr Beiſpiele: „im 13ten Jahrhundert nahmen die Lombarden 20 proc., oft 30 — im 14ten ſezte Philip der Schöne die Zinſen auf 20 pr. herab — im 15ten gab man in Placentia 40 proc.“ Seine Anmerkungen muſt du wieder zu bekommen ſuchen. 10. Da das Prädikat ſo ſpät nach einer Reihe von Subjekten kömt, 10 die dan den Leſer in einem rathenden Schwanken laſſen: ſo würd’ ich jenes gleich zuerſt ſtellen, ob gleich jeder ſonſt dieſe Erleichterung ſeiner Leſer verſäumt. 11. „Nachdenken“ iſt zu wenig und zu algemein; und „Philo- ſophieren“ vielleicht paſſender. 15 12. Daher die Aehnlichkeit des Myſtiziſmus und Stoiziſmus — des Spinoziſmus und Jakob Böhiſmus; aber warum antizipiert der Schwärmer? — Eine Urſache iſt, daß blos Phantaſie erfindet (im Metaphyſiker ſo gut wie im Dichter; und der Unterſchied liegt nur im Gegenſtand und Gebrauch des Funds) und daß der Menſch zwar über 20 die Anſpannung, in der erfunden wird, gebieten könne, aber nicht über die Erfolge dieſer Anſpannung. Man kan ſich blos die Lage zu erfinden, geben; aber die Ausbeute nicht weiſſagen und nicht erzwingen und nicht beabſichtigen. Und doch liegt dieſer Kraft ein regelnder Mechaniſmus zum Grunde. 25 13. Die dritte Aehnlichkeit haſt du nicht dem Geiſt der Epoche, ſondern nur einigen Separatiſten zu danken. 14. Kürzer! (Daher hab’ ich in deinem Aufſaz mehr Parentheſen als Noten gemacht) 15. Stelle alles ſo kurz neben einander wie zu Ende des Aufſazes 30 im „Triumphgefolge“; du kanſt doch hintennach die Nachbarſchaft des ça ira, deus lo vult, und unser Gott ist eine feste Burg ꝛc. noch erklären oder beweiſen. Falle nicht wie der Deutſche oder Herman oder Zizero in Beſtimmungen, die der Leſer leicht erſezt oder entbehrt. z. B. warum hier „Gefahren vergeſſen und den Tod verachten — den 35 „geſunknen Muth am Rande der gröſten Verzweiflung beleben.“ Denn ſonſt, wenn dem Leſer keine Beſtimmungen aufgehoben werden,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T14:52:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T14:52:17Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/406
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/406>, abgerufen am 24.11.2024.