Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.Das Gericht hat einige fast blos grammatikalische Noten beigelegt -- -- Der Amtsverwalter war jezt 11/2 Stunden in meiner Gerichts-5 Ich wil mich einmal ganz wider meine Gewohnheit gar nichts um Brüte dein punctum saliens bald zu einem ordentlichen Feder- -- Mach dir vorher einen Bauriß und zeige mir ihn; und theil' -- An der Revoluzion des Christenthums must du wenigstens ihre -- Deine apokalyptischen Träume, womit dein Aufsaz wie die Das Gericht hat einige faſt blos grammatikaliſche Noten beigelegt — — Der Amtsverwalter war jezt 1½ Stunden in meiner Gerichts-5 Ich wil mich einmal ganz wider meine Gewohnheit gar nichts um Brüte dein punctum saliens bald zu einem ordentlichen Feder- — Mach dir vorher einen Bauriß und zeige mir ihn; und theil’ — An der Revoluzion des Chriſtenthums muſt du wenigſtens ihre — Deine apokalyptiſchen Träume, womit dein Aufſaz wie die <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <pb facs="#f0403" n="375"/> <p>Das Gericht hat einige faſt blos grammatikaliſche Noten beigelegt<lb/> und wird hier noch einige machen. Die Sachnoten beſtehen in einem<lb/> Quadrat am Rande (der bekanten Chiffre der Freimäuerer), welches<lb/> ſo viel bedeutet: „es hat mir recht ſehr gefallen.“</p><lb/> <p>— — Der Amtsverwalter war jezt 1½ Stunden in meiner Gerichts-<lb n="5"/> ſtube. — —</p><lb/> <p>Ich wil mich einmal ganz wider meine Gewohnheit gar nichts um<lb/> wahre Ordnung ſcheeren — —</p><lb/> <p>Brüte dein <hi rendition="#aq">punctum saliens</hi> bald zu einem ordentlichen <hi rendition="#g">Feder-</hi><lb/> Thier aus. Denn da jezt auf jedem Halſe ein Kopf mit Regierungs-<lb n="10"/> Paralleliſmen ſteht: ſo könte dir einer zwar nicht mit der Vergleichung<lb/> oder mit dem Stofe derſelben aber doch mit dem Stofe zum Verdachte<lb/> vorlaufen, daß er dich — auf alles gebracht. Es iſt ohnehin ſchon ſchlim<lb/> daß ein Spizbube, der ſich der erſten galliſchen Hälfte meines Namens<lb/> bedient, zu Oſtern 94 einige Winke über das Terzianfieber der Welt-<lb n="15"/> Revoluzion geben wird, bei denen die Welt, wenn du ſpät nachgewan-<lb/> delt komſt, recht leicht merken wird, wer eigentlich das Plagiat be-<lb/> gangen.</p><lb/> <p>— Mach dir vorher einen Bauriß und zeige mir ihn; und theil’<lb/> alles in Kapitel ab. Mache Digreſſionen, aber nicht parterre in<lb n="20"/> Noten ſondern oben — im Grunde muß jede Hauptmaterie für einen<lb/> Autor nur das Vehikel und das Pillenſilber und der Katheder ſein, um<lb/> darin über alles andre zu reden. —</p><lb/> <p>— An der Revoluzion des Chriſtenthums muſt du wenigſtens ihre<lb/> Unähnlichkeit mit den 3 andern aufklären und beſtimmen. So die<lb n="25"/> des Muhammediſmus. Wäre das Chriſtenthum in die republikaniſche<lb/> Blüte Roms gefallen: ſo hätt’ es ſeine Aeſte und Wurzeln nicht weiter<note place="right"><ref target="1922_Bd#_395">[395]</ref></note><lb/> herumgetrieben als bei uns der Hernhutiſmus; aber Roms Heiden-<lb/> thum war durch frühere Hände gefället als chriſtliche, durch monar-<lb/> chiſche. —<lb n="30"/> </p> <p>— Deine apokalyptiſchen Träume, womit dein Aufſaz wie die<lb/> Bibel entſchlummert, unterſcheiden ſich von Wahrheiten in nichts<lb/> als in der Zeit; aber der Unterſchied iſt um einige Jahre gröſſer als<lb/> du denkſt. Denn nur wenn Europa Ein gepreſtes, abgefreſſenes Gallien<lb/> wäre: dan müſte ſich dieſer Rieſengeiſt aufrichten von ſeiner über den<lb n="35"/> ganzen Welttheil reichenden Lagerſtätte. Aber jezt da uns nicht daſ-<lb/> ſelbe gemeinſchaftliche Bedürfnis — Druk — Wunſch — und Geiſt<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [375/0403]
Das Gericht hat einige faſt blos grammatikaliſche Noten beigelegt
und wird hier noch einige machen. Die Sachnoten beſtehen in einem
Quadrat am Rande (der bekanten Chiffre der Freimäuerer), welches
ſo viel bedeutet: „es hat mir recht ſehr gefallen.“
— — Der Amtsverwalter war jezt 1½ Stunden in meiner Gerichts- 5
ſtube. — —
Ich wil mich einmal ganz wider meine Gewohnheit gar nichts um
wahre Ordnung ſcheeren — —
Brüte dein punctum saliens bald zu einem ordentlichen Feder-
Thier aus. Denn da jezt auf jedem Halſe ein Kopf mit Regierungs- 10
Paralleliſmen ſteht: ſo könte dir einer zwar nicht mit der Vergleichung
oder mit dem Stofe derſelben aber doch mit dem Stofe zum Verdachte
vorlaufen, daß er dich — auf alles gebracht. Es iſt ohnehin ſchon ſchlim
daß ein Spizbube, der ſich der erſten galliſchen Hälfte meines Namens
bedient, zu Oſtern 94 einige Winke über das Terzianfieber der Welt- 15
Revoluzion geben wird, bei denen die Welt, wenn du ſpät nachgewan-
delt komſt, recht leicht merken wird, wer eigentlich das Plagiat be-
gangen.
— Mach dir vorher einen Bauriß und zeige mir ihn; und theil’
alles in Kapitel ab. Mache Digreſſionen, aber nicht parterre in 20
Noten ſondern oben — im Grunde muß jede Hauptmaterie für einen
Autor nur das Vehikel und das Pillenſilber und der Katheder ſein, um
darin über alles andre zu reden. —
— An der Revoluzion des Chriſtenthums muſt du wenigſtens ihre
Unähnlichkeit mit den 3 andern aufklären und beſtimmen. So die 25
des Muhammediſmus. Wäre das Chriſtenthum in die republikaniſche
Blüte Roms gefallen: ſo hätt’ es ſeine Aeſte und Wurzeln nicht weiter
herumgetrieben als bei uns der Hernhutiſmus; aber Roms Heiden-
thum war durch frühere Hände gefället als chriſtliche, durch monar-
chiſche. — 30
[395]— Deine apokalyptiſchen Träume, womit dein Aufſaz wie die
Bibel entſchlummert, unterſcheiden ſich von Wahrheiten in nichts
als in der Zeit; aber der Unterſchied iſt um einige Jahre gröſſer als
du denkſt. Denn nur wenn Europa Ein gepreſtes, abgefreſſenes Gallien
wäre: dan müſte ſich dieſer Rieſengeiſt aufrichten von ſeiner über den 35
ganzen Welttheil reichenden Lagerſtätte. Aber jezt da uns nicht daſ-
ſelbe gemeinſchaftliche Bedürfnis — Druk — Wunſch — und Geiſt
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(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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