"Mit allem! (sagte die Demokratin, und bedekte sich halb, wie die "Sonne, mit dem Abendrothe eines Parasols) -- ach ins weibliche "Herz sehen zu oft scheele Augen und zu selten menschenfreundliche. "Die menschenfreundlichen würden die Wunden darin finden, die "jeder Tag hineinschneidet und die Seufzer, die sich darin verschliessen.5 "Nicht blos den weiblichen Körper, sondern auch die weibliche Seele "presset eine ewige Schnürbrust -- wir gehen von einer Kette zur "andern" -- -- --
"Lassen Sie mich das trübe Bild ausmalen (sagte der Kaplan): "denn so weit ist es wahr. Ja, Sie haben Recht, die Vorurtheile, die10 "für uns Blumen sind, werden für diese schönen Wesen Disteln -- ihre "Lehrer, ihre Geselschafter, oft ihre Eltern, alles trampelt auf den "Paar Blumen herum, die sie sich etwan pflegen und brechen wollen -- "ihre Hände werden so viel, ihre Köpfe so wenig beschäftigt, sie "dürfen stat der Füsse blos ihre Fächer bewegen und ihnen wird nichts15 "verziehen, am wenigsten ein Herz" -- --
Demokratin: "Aber wie wollen Sie mich widerlegen? -- Wer kan "nun noch hart sein und spotten, wenn eine so bedrängte, von ver- "wickelten Ketten so gedrükte nicht den Muth hat, das Beste und "Weichste was sie noch hat, ihr Herz in mänliche Hände zu liefern, von20 "denen sie nicht weiß, werden sie es erwärmen oder zerdrücken, werden "sie es tragen oder martern -- was giebt es auf der Erde für eine "gefährlichere Wahl als die, die nie gutzumachen ist und die allen "Tagen des Lebens bis zum lezten das Kolorit ertheilt? Und kan sich "eine nicht rechtfertigen, die der Wahl ausweicht, wenn sie ein schönes25 "bandenloses Leben unter Freundinnen, unter leichten Pflichten, unter "wiederholten Jugendfreuden vor sich liegen sieht?" ....
"Machen Sie den Rahmen um Ihr Gemälde (sagte der Kaplan) "und vergessen Sie die nicht, die vielleicht den einmal fanden, an "dessen Arm sie gleichwol sich durch alle diese Dornen gedränget30 "hätten, der aber vor ihnen auf ewig umsank und unter jene Dornen "begraben wurde. In gewissen Jahren ists schwer zu vergessen, was "man liebte -- und noch schwerer zu ersezen. Das zerrissene Herz trit dan "in die einsame Zelle zurük und sucht höchstens noch -- Freundinnen."
"Sie sind also gar meiner Meinung?" sagte sie.[371]
35
"Behüte der Himmel! Als Kaplan bin ich aufs Kopulieren "aus." -- -- -- --
„Mit allem! (ſagte die Demokratin, und bedekte ſich halb, wie die „Sonne, mit dem Abendrothe eines Paraſols) — ach ins weibliche „Herz ſehen zu oft ſcheele Augen und zu ſelten menſchenfreundliche. „Die menſchenfreundlichen würden die Wunden darin finden, die „jeder Tag hineinſchneidet und die Seufzer, die ſich darin verſchlieſſen.5 „Nicht blos den weiblichen Körper, ſondern auch die weibliche Seele „preſſet eine ewige Schnürbruſt — wir gehen von einer Kette zur „andern“ — — —
„Laſſen Sie mich das trübe Bild ausmalen (ſagte der Kaplan): „denn ſo weit iſt es wahr. Ja, Sie haben Recht, die Vorurtheile, die10 „für uns Blumen ſind, werden für dieſe ſchönen Weſen Diſteln — ihre „Lehrer, ihre Geſelſchafter, oft ihre Eltern, alles trampelt auf den „Paar Blumen herum, die ſie ſich etwan pflegen und brechen wollen — „ihre Hände werden ſo viel, ihre Köpfe ſo wenig beſchäftigt, ſie „dürfen ſtat der Füſſe blos ihre Fächer bewegen und ihnen wird nichts15 „verziehen, am wenigſten ein Herz“ — —
Demokratin: „Aber wie wollen Sie mich widerlegen? — Wer kan „nun noch hart ſein und ſpotten, wenn eine ſo bedrängte, von ver- „wickelten Ketten ſo gedrükte nicht den Muth hat, das Beſte und „Weichſte was ſie noch hat, ihr Herz in mänliche Hände zu liefern, von20 „denen ſie nicht weiß, werden ſie es erwärmen oder zerdrücken, werden „ſie es tragen oder martern — was giebt es auf der Erde für eine „gefährlichere Wahl als die, die nie gutzumachen iſt und die allen „Tagen des Lebens bis zum lezten das Kolorit ertheilt? Und kan ſich „eine nicht rechtfertigen, die der Wahl ausweicht, wenn ſie ein ſchönes25 „bandenloſes Leben unter Freundinnen, unter leichten Pflichten, unter „wiederholten Jugendfreuden vor ſich liegen ſieht?“ ....
„Machen Sie den Rahmen um Ihr Gemälde (ſagte der Kaplan) „und vergeſſen Sie die nicht, die vielleicht den einmal fanden, an „deſſen Arm ſie gleichwol ſich durch alle dieſe Dornen gedränget30 „hätten, der aber vor ihnen auf ewig umſank und unter jene Dornen „begraben wurde. In gewiſſen Jahren iſts ſchwer zu vergeſſen, was „man liebte — und noch ſchwerer zu erſezen. Das zerriſſene Herz trit dan „in die einſame Zelle zurük und ſucht höchſtens noch — Freundinnen.“
„Sie ſind alſo gar meiner Meinung?“ ſagte ſie.[371]
35
„Behüte der Himmel! Als Kaplan bin ich aufs Kopulieren „aus.“ — — — —
<TEI><text><body><divtype="letter"n="1"><pbfacs="#f0377"n="351"/><p>„Mit allem! (ſagte die Demokratin, und bedekte ſich halb, wie die<lb/>„Sonne, mit dem Abendrothe eines Paraſols) — ach ins weibliche<lb/>„Herz ſehen zu oft ſcheele Augen und zu ſelten menſchenfreundliche.<lb/>„Die menſchenfreundlichen würden die Wunden darin finden, die<lb/>„jeder Tag hineinſchneidet und die Seufzer, die ſich darin verſchlieſſen.<lbn="5"/>„Nicht blos den weiblichen Körper, ſondern auch die weibliche Seele<lb/>„preſſet eine ewige Schnürbruſt — wir gehen von einer Kette zur<lb/>„andern“———</p><lb/><p>„Laſſen Sie mich das trübe Bild ausmalen (ſagte der Kaplan):<lb/>„denn ſo weit iſt es wahr. Ja, Sie haben Recht, die Vorurtheile, die<lbn="10"/>„für uns Blumen ſind, werden für dieſe ſchönen Weſen Diſteln — ihre<lb/>„Lehrer, ihre Geſelſchafter, oft ihre Eltern, alles trampelt auf den<lb/>„Paar Blumen herum, die ſie ſich etwan pflegen und brechen wollen —<lb/>„ihre Hände werden ſo viel, ihre Köpfe ſo wenig beſchäftigt, ſie<lb/>„dürfen ſtat der Füſſe blos ihre Fächer bewegen und ihnen wird nichts<lbn="15"/>„verziehen, am wenigſten ein Herz“——</p><lb/><p>Demokratin: „Aber wie wollen Sie mich widerlegen? — Wer kan<lb/>„nun noch hart ſein und ſpotten, wenn eine ſo bedrängte, von ver-<lb/>„wickelten Ketten ſo gedrükte nicht den Muth hat, das Beſte und<lb/>„Weichſte was ſie noch hat, ihr Herz in mänliche Hände zu liefern, von<lbn="20"/>„denen ſie nicht weiß, werden ſie es erwärmen oder zerdrücken, werden<lb/>„ſie es tragen oder martern — was giebt es auf der Erde für eine<lb/>„gefährlichere Wahl als die, die nie gutzumachen iſt und die allen<lb/>„Tagen des Lebens bis zum lezten das Kolorit ertheilt? Und kan ſich<lb/>„eine nicht rechtfertigen, die der Wahl ausweicht, wenn ſie ein ſchönes<lbn="25"/>„bandenloſes Leben unter Freundinnen, unter leichten Pflichten, unter<lb/>„wiederholten Jugendfreuden vor ſich liegen ſieht?“ ....</p><lb/><p>„Machen Sie den Rahmen um Ihr Gemälde (ſagte der Kaplan)<lb/>„und vergeſſen Sie die nicht, die vielleicht den einmal fanden, an<lb/>„deſſen Arm ſie gleichwol ſich durch alle dieſe Dornen gedränget<lbn="30"/>„hätten, der aber vor ihnen auf ewig umſank und unter jene Dornen<lb/>„begraben wurde. In gewiſſen Jahren iſts ſchwer zu vergeſſen, was<lb/>„man liebte — und noch ſchwerer zu erſezen. Das zerriſſene Herz trit dan<lb/>„in die einſame Zelle zurük und ſucht höchſtens noch — Freundinnen.“</p><lb/><p>„Sie ſind alſo gar meiner Meinung?“ſagte ſie.<noteplace="right"><reftarget="1922_Bd#_371">[371]</ref></note></p><lbn="35"/><p>„Behüte der Himmel! Als Kaplan bin ich aufs Kopulieren<lb/>„aus.“————</p><lb/></div></body></text></TEI>
[351/0377]
„Mit allem! (ſagte die Demokratin, und bedekte ſich halb, wie die
„Sonne, mit dem Abendrothe eines Paraſols) — ach ins weibliche
„Herz ſehen zu oft ſcheele Augen und zu ſelten menſchenfreundliche.
„Die menſchenfreundlichen würden die Wunden darin finden, die
„jeder Tag hineinſchneidet und die Seufzer, die ſich darin verſchlieſſen. 5
„Nicht blos den weiblichen Körper, ſondern auch die weibliche Seele
„preſſet eine ewige Schnürbruſt — wir gehen von einer Kette zur
„andern“ — — —
„Laſſen Sie mich das trübe Bild ausmalen (ſagte der Kaplan):
„denn ſo weit iſt es wahr. Ja, Sie haben Recht, die Vorurtheile, die 10
„für uns Blumen ſind, werden für dieſe ſchönen Weſen Diſteln — ihre
„Lehrer, ihre Geſelſchafter, oft ihre Eltern, alles trampelt auf den
„Paar Blumen herum, die ſie ſich etwan pflegen und brechen wollen —
„ihre Hände werden ſo viel, ihre Köpfe ſo wenig beſchäftigt, ſie
„dürfen ſtat der Füſſe blos ihre Fächer bewegen und ihnen wird nichts 15
„verziehen, am wenigſten ein Herz“ — —
Demokratin: „Aber wie wollen Sie mich widerlegen? — Wer kan
„nun noch hart ſein und ſpotten, wenn eine ſo bedrängte, von ver-
„wickelten Ketten ſo gedrükte nicht den Muth hat, das Beſte und
„Weichſte was ſie noch hat, ihr Herz in mänliche Hände zu liefern, von 20
„denen ſie nicht weiß, werden ſie es erwärmen oder zerdrücken, werden
„ſie es tragen oder martern — was giebt es auf der Erde für eine
„gefährlichere Wahl als die, die nie gutzumachen iſt und die allen
„Tagen des Lebens bis zum lezten das Kolorit ertheilt? Und kan ſich
„eine nicht rechtfertigen, die der Wahl ausweicht, wenn ſie ein ſchönes 25
„bandenloſes Leben unter Freundinnen, unter leichten Pflichten, unter
„wiederholten Jugendfreuden vor ſich liegen ſieht?“ ....
„Machen Sie den Rahmen um Ihr Gemälde (ſagte der Kaplan)
„und vergeſſen Sie die nicht, die vielleicht den einmal fanden, an
„deſſen Arm ſie gleichwol ſich durch alle dieſe Dornen gedränget 30
„hätten, der aber vor ihnen auf ewig umſank und unter jene Dornen
„begraben wurde. In gewiſſen Jahren iſts ſchwer zu vergeſſen, was
„man liebte — und noch ſchwerer zu erſezen. Das zerriſſene Herz trit dan
„in die einſame Zelle zurük und ſucht höchſtens noch — Freundinnen.“
„Sie ſind alſo gar meiner Meinung?“ ſagte ſie.
[371] 35
„Behüte der Himmel! Als Kaplan bin ich aufs Kopulieren
„aus.“ — — — —
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/377>, abgerufen am 25.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.