wie er selber in seinen Papieren sagt. Daß irgend ein andrer zufällig ihm mit einem Ebenbilde seines Systems zuvorkomme, ist ganz un- wahrscheinlich, weil man wol in einzelnen Gedanken aber nicht in ganzen Systemen, zumal so exzentrischen, sich begegnet.
Was du hierin billigst oder misbilligst und was ich mit seinem5 schmerzhaft schweigenden Vater zu machen habe: das schreibe mir, aber bald.
375. An Renate Wirth.
[Kopie][Schwarzenbach, 17. Mai 1791. Dienstag]
Ich schik das Romängen, weils so niedlich, so nüzlich und von10 Hermes ist und weils Morgen Mitwoch und schlechtes Wetter wird. -- Meine zweite und dritte Bitte ist ... meine 4te -- Im [?] Grund that ich diese 4 Bitten nur um die 5te anzubringen, daß [Sie] selbst[356] schreiben möchten. Ich weis nicht, ist heute der Himmel oder mein Kopf oder die Dinte zu dik oder hab' ich zuviel Essen oder zu wenig15 Neuigkeiten in mir -- genug ich mus eine Glaze von 2 Seiten lassen und nach der Empfehlung über diese hinunter springen, um unten an der Treppe mit besondrer Hochachtung zu stehen als etc.
376. An Christian Otto.
Schwarzenbach den 1 Jun. 1791.20
Ob ich gleich deine Arbeit, die ich mit soviel Liebe und Vergnügen las als du sie zeugtest, nach ihrer Volendung erst beurtheilen kan: so hab' ich doch ein Paar Bleiweis Striche und ein Paar Noten hier nicht unterlassen können. Wer in keinem ganz anelektrischen Körper stekt: dem mus die Weltgeschichte die Nerven und die Feder mit Aether25 füllen; oder kein Feuer des Stils und der Seele ist überhaupt zu- lässig -- vertausche also ja deinen feurigern Ton mit keinem andern, der etwan für feudalische Paragraphen passet.
1. Den genanten Gütern konten Barbaren nichts anhaben.
2. Höchstens Städte.30
3. Oder lieber: "der Uebermacht". Nach dem strengsten Sin hast du freilich Recht; aber sonst gilt dieses Schwanken des politischen Wagbalkens auch von Europa, wo die Majorität von Süden immer mehr gegen Norden zureisete.
4. Aufschwellen, überfüllen, überladen.
35
22 Jean Paul Briefe. I.
wie er ſelber in ſeinen Papieren ſagt. Daß irgend ein andrer zufällig ihm mit einem Ebenbilde ſeines Syſtems zuvorkomme, iſt ganz un- wahrſcheinlich, weil man wol in einzelnen Gedanken aber nicht in ganzen Syſtemen, zumal ſo exzentriſchen, ſich begegnet.
Was du hierin billigſt oder misbilligſt und was ich mit ſeinem5 ſchmerzhaft ſchweigenden Vater zu machen habe: das ſchreibe mir, aber bald.
375. An Renate Wirth.
[Kopie][Schwarzenbach, 17. Mai 1791. Dienstag]
Ich ſchik das Romängen, weils ſo niedlich, ſo nüzlich und von10 Hermes iſt und weils Morgen Mitwoch und ſchlechtes Wetter wird. — Meine zweite und dritte Bitte iſt … meine 4te — Im [?] Grund that ich dieſe 4 Bitten nur um die 5te anzubringen, daß [Sie] ſelbſt[356] ſchreiben möchten. Ich weis nicht, iſt heute der Himmel oder mein Kopf oder die Dinte zu dik oder hab’ ich zuviel Eſſen oder zu wenig15 Neuigkeiten in mir — genug ich mus eine Glaze von 2 Seiten laſſen und nach der Empfehlung über dieſe hinunter ſpringen, um unten an der Treppe mit beſondrer Hochachtung zu ſtehen als ꝛc.
376. An Chriſtian Otto.
Schwarzenbach den 1 Jun. 1791.20
Ob ich gleich deine Arbeit, die ich mit ſoviel Liebe und Vergnügen las als du ſie zeugteſt, nach ihrer Volendung erſt beurtheilen kan: ſo hab’ ich doch ein Paar Bleiweis Striche und ein Paar Noten hier nicht unterlaſſen können. Wer in keinem ganz anelektriſchen Körper ſtekt: dem mus die Weltgeſchichte die Nerven und die Feder mit Aether25 füllen; oder kein Feuer des Stils und der Seele iſt überhaupt zu- läſſig — vertauſche alſo ja deinen feurigern Ton mit keinem andern, der etwan für feudaliſche Paragraphen paſſet.
1. Den genanten Gütern konten Barbaren nichts anhaben.
2. Höchſtens Städte.30
3. Oder lieber: „der Uebermacht“. Nach dem ſtrengſten Sin haſt du freilich Recht; aber ſonſt gilt dieſes Schwanken des politiſchen Wagbalkens auch von Europa, wo die Majorität von Süden immer mehr gegen Norden zureiſete.
4. Aufſchwellen, überfüllen, überladen.
35
22 Jean Paul Briefe. I.
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wie er ſelber in ſeinen Papieren ſagt. Daß irgend ein andrer zufällig
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Was du hierin billigſt oder misbilligſt und was ich mit ſeinem 5
ſchmerzhaft ſchweigenden Vater zu machen habe: das ſchreibe mir,
aber bald.
375. An Renate Wirth.
[Schwarzenbach, 17. Mai 1791. Dienstag]
Ich ſchik das Romängen, weils ſo niedlich, ſo nüzlich und von 10
Hermes iſt und weils Morgen Mitwoch und ſchlechtes Wetter wird.
— Meine zweite und dritte Bitte iſt … meine 4te — Im [?] Grund
that ich dieſe 4 Bitten nur um die 5te anzubringen, daß [Sie] ſelbſt
ſchreiben möchten. Ich weis nicht, iſt heute der Himmel oder mein
Kopf oder die Dinte zu dik oder hab’ ich zuviel Eſſen oder zu wenig 15
Neuigkeiten in mir — genug ich mus eine Glaze von 2 Seiten laſſen
und nach der Empfehlung über dieſe hinunter ſpringen, um unten an
der Treppe mit beſondrer Hochachtung zu ſtehen als ꝛc.
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376. An Chriſtian Otto.
Schwarzenbach den 1 Jun. 1791. 20
Ob ich gleich deine Arbeit, die ich mit ſoviel Liebe und Vergnügen
las als du ſie zeugteſt, nach ihrer Volendung erſt beurtheilen kan: ſo
hab’ ich doch ein Paar Bleiweis Striche und ein Paar Noten hier
nicht unterlaſſen können. Wer in keinem ganz anelektriſchen Körper
ſtekt: dem mus die Weltgeſchichte die Nerven und die Feder mit Aether 25
füllen; oder kein Feuer des Stils und der Seele iſt überhaupt zu-
läſſig — vertauſche alſo ja deinen feurigern Ton mit keinem andern,
der etwan für feudaliſche Paragraphen paſſet.
1. Den genanten Gütern konten Barbaren nichts anhaben.
2. Höchſtens Städte. 30
3. Oder lieber: „der Uebermacht“. Nach dem ſtrengſten Sin haſt
du freilich Recht; aber ſonſt gilt dieſes Schwanken des politiſchen
Wagbalkens auch von Europa, wo die Majorität von Süden immer
mehr gegen Norden zureiſete.
4. Aufſchwellen, überfüllen, überladen.
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22 Jean Paul Briefe. I.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/363>, abgerufen am 25.07.2024.
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