Da Sie von Geschäften, Manuskripten und Büchern umringt sind: so wil ich iene vermehren, weil ich diese vermehrt habe und weil mein Aufsaz unter etc. so leicht sich verlieren kan.5
367. An Christian Otto.
[Schwarzenbach] den 14 März 91 [Montag].
Gerade um 71/2 Uhr, wo ich zufrüh ankam, kömt dein so unver- muthet wie der schöne Tag auffliegender Aufsaz abends an. Was mir einmal Oertel schrieb, "im Intelligenzblat auch für die Höfer10 Intelligenz zu arbeiten" hast du zwar nicht befolget und weder für das Gedächtnis noch für den Verstand der Intelligenz-Firma ist dein Avant-Propos geformt; diese Unverständl[ichkeit] war aber das einzige Mittel, daß der erste (du) und 2te Leser dabei gewannen. Gleichwol sind -- welches sonderbar ist -- deine mündlichen Wen-15 dungen in Geselschaften noch hieroglyphischer als deine schriftlichen und ich wolte in einem Wetkomtoir 10 Honorarien gegen eines wetten, daß unter 10 Wendungen deiner Tisch-, Kanapee-, Sessel- etc. und andrer Reden von deinen meisten Zuhörer[n] wenigstens 10 nicht verstanden werden, wenn du mich und dich und den Holofernes aus-20 nimst.
So wenig ich deine physischen Vexier-Gesichter-Metamorphosen aushalte: so sehr gefallen mir deine satirischen und geschriebnen (denn eine Satire machen heisset blos ein metaphorisches Gesicht schneiden). Das Wenige unterstrich ich, über dessen Aenderung oder Weglassung25 du nachdenken solst.
[347]a) Du kanst beides behalten und etwan es in diese Parenthese zu- sammendrücken: "Fände sich gar nichts (denn auf dem Turnierplaz des J. B. wil die Intelligenz-Gallerie nur das Gebalge sehen, nicht aber ob jemand zur Ehre der Ritterschaft oder als gedungner Cham-30 pion aufreite, ob er seine Turnierübungen nach oder wider die Turnier- geseze und Regeln der Kunst vormache) so etc."
b) Zwei vermodern in Kirchen neben andern Todten.
N. S. [19. März?]
Eh ich iezt in deine Nachbarschaft gehe: wil ich noch an dich eine35 Bitte um Verzeihung der verschlimmerten Gestalt thun, in der du dein
366. An Buchhändler Göſchen in Leipzig.
[Kopie][Schwarzenbach, 15. März 1791]
Da Sie von Geſchäften, Manuſkripten und Büchern umringt ſind: ſo wil ich iene vermehren, weil ich dieſe vermehrt habe und weil mein Aufſaz unter ꝛc. ſo leicht ſich verlieren kan.5
367. An Chriſtian Otto.
[Schwarzenbach] den 14 März 91 [Montag].
Gerade um 7½ Uhr, wo ich zufrüh ankam, kömt dein ſo unver- muthet wie der ſchöne Tag auffliegender Aufſaz abends an. Was mir einmal Oertel ſchrieb, „im Intelligenzblat auch für die Höfer10 Intelligenz zu arbeiten“ haſt du zwar nicht befolget und weder für das Gedächtnis noch für den Verſtand der Intelligenz-Firma iſt dein Avant-Propos geformt; dieſe Unverſtändl[ichkeit] war aber das einzige Mittel, daß der erſte (du) und 2te Leſer dabei gewannen. Gleichwol ſind — welches ſonderbar iſt — deine mündlichen Wen-15 dungen in Geſelſchaften noch hieroglyphiſcher als deine ſchriftlichen und ich wolte in einem Wetkomtoir 10 Honorarien gegen eines wetten, daß unter 10 Wendungen deiner Tiſch-, Kanapee-, Seſſel- ꝛc. und andrer Reden von deinen meiſten Zuhörer[n] wenigſtens 10 nicht verſtanden werden, wenn du mich und dich und den Holofernes aus-20 nimſt.
So wenig ich deine phyſiſchen Vexier-Geſichter-Metamorphoſen aushalte: ſo ſehr gefallen mir deine ſatiriſchen und geſchriebnen (denn eine Satire machen heiſſet blos ein metaphoriſches Geſicht ſchneiden). Das Wenige unterſtrich ich, über deſſen Aenderung oder Weglaſſung25 du nachdenken ſolſt.
[347]a) Du kanſt beides behalten und etwan es in dieſe Parentheſe zu- ſammendrücken: „Fände ſich gar nichts (denn auf dem Turnierplaz des J. B. wil die Intelligenz-Gallerie nur das Gebalge ſehen, nicht aber ob jemand zur Ehre der Ritterſchaft oder als gedungner Cham-30 pion aufreite, ob er ſeine Turnierübungen nach oder wider die Turnier- geſeze und Regeln der Kunſt vormache) ſo ꝛc.“
b) Zwei vermodern in Kirchen neben andern Todten.
N. S. [19. März?]
Eh ich iezt in deine Nachbarſchaft gehe: wil ich noch an dich eine35 Bitte um Verzeihung der verſchlimmerten Geſtalt thun, in der du dein
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366. An Buchhändler Göſchen in Leipzig.
[Schwarzenbach, 15. März 1791]
Da Sie von Geſchäften, Manuſkripten und Büchern umringt ſind:
ſo wil ich iene vermehren, weil ich dieſe vermehrt habe und weil mein
Aufſaz unter ꝛc. ſo leicht ſich verlieren kan. 5
367. An Chriſtian Otto.
[Schwarzenbach] den 14 März 91 [Montag].
Gerade um 7½ Uhr, wo ich zufrüh ankam, kömt dein ſo unver-
muthet wie der ſchöne Tag auffliegender Aufſaz abends an. Was mir
einmal Oertel ſchrieb, „im Intelligenzblat auch für die Höfer 10
Intelligenz zu arbeiten“ haſt du zwar nicht befolget und weder für
das Gedächtnis noch für den Verſtand der Intelligenz-Firma iſt dein
Avant-Propos geformt; dieſe Unverſtändl[ichkeit] war aber das
einzige Mittel, daß der erſte (du) und 2te Leſer dabei gewannen.
Gleichwol ſind — welches ſonderbar iſt — deine mündlichen Wen- 15
dungen in Geſelſchaften noch hieroglyphiſcher als deine ſchriftlichen
und ich wolte in einem Wetkomtoir 10 Honorarien gegen eines wetten,
daß unter 10 Wendungen deiner Tiſch-, Kanapee-, Seſſel- ꝛc. und
andrer Reden von deinen meiſten Zuhörer[n] wenigſtens 10 nicht
verſtanden werden, wenn du mich und dich und den Holofernes aus- 20
nimſt.
So wenig ich deine phyſiſchen Vexier-Geſichter-Metamorphoſen
aushalte: ſo ſehr gefallen mir deine ſatiriſchen und geſchriebnen (denn
eine Satire machen heiſſet blos ein metaphoriſches Geſicht ſchneiden).
Das Wenige unterſtrich ich, über deſſen Aenderung oder Weglaſſung 25
du nachdenken ſolſt.
a) Du kanſt beides behalten und etwan es in dieſe Parentheſe zu-
ſammendrücken: „Fände ſich gar nichts (denn auf dem Turnierplaz
des J. B. wil die Intelligenz-Gallerie nur das Gebalge ſehen, nicht
aber ob jemand zur Ehre der Ritterſchaft oder als gedungner Cham- 30
pion aufreite, ob er ſeine Turnierübungen nach oder wider die Turnier-
geſeze und Regeln der Kunſt vormache) ſo ꝛc.“
b) Zwei vermodern in Kirchen neben andern Todten.
N. S. [19. März?]
Eh ich iezt in deine Nachbarſchaft gehe: wil ich noch an dich eine 35
Bitte um Verzeihung der verſchlimmerten Geſtalt thun, in der du dein
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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/354>, abgerufen am 25.07.2024.
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