Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.der Dichter trocken. Vor 10 Jahren kreuzigte ich mich vor dem II. Wegen deiner Klage über die Einkleidung. Wenn du diesem III. Wegen der Stellung der Beweise. Es giebt zweierlei Stel- Uebrigens dünkt mich, hättest du dir einige Mühe Worte erspart, 21 Jean Paul Briefe. I.
der Dichter trocken. Vor 10 Jahren kreuzigte ich mich vor dem II. Wegen deiner Klage über die Einkleidung. Wenn du dieſem III. Wegen der Stellung der Beweiſe. Es giebt zweierlei Stel- Uebrigens dünkt mich, hätteſt du dir einige Mühe 〈Worte〉 erſpart, 21 Jean Paul Briefe. I.
<TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0347" n="321"/> der Dichter trocken. Vor 10 Jahren kreuzigte ich mich vor dem<lb/> Rechte, beſonders dem LehnR<metamark>[</metamark>echte<metamark>]</metamark>; iezt ſiz’ ich mit Wolluſt darüber.</p><lb/> <p><hi rendition="#aq">II.</hi> Wegen deiner Klage über die Einkleidung. Wenn du dieſem<lb/> Theorem eine geben wolteſt: ſo könteſt du es, nach deiner „Danziger“<lb/> Probe, von einem algemeinen Saz eine individuelle Anwendung zu<lb n="5"/> machen. Nehm’ eine wahre Linie, die eine Erbſchaft erſtreiten wil<note place="right"><ref target="1922_Bd#_339">[339]</ref></note><lb/> und defendiere ſtat der Wahrheit den adelichen Stam: ſo könte man<lb/> ſogar Feudal-Leſerinnen um ſich ſammeln, auf eine ſo leichte und ſo<lb/> närriſche Art wird das Intereſſe der Menſchen gewonnen und ver-<lb/> ſcherzt. Sogar in Schriften mus man wie in Geſelſchaften von Perſo-<lb n="10"/> nen ſtat von Sachen reden und dieſe in iene verkörpern. „Weibliche<lb/> Müzen ſizen ſchlecht.“ Das iſt der algemeine Saz und wenn du ihn<lb/> einem Mädgen vorträgſt: ſo hat es ihn vor dem Sontage vergeſſen.<lb/> Sagſt du aber: „im Schreibſpiel beſprizten verſchiedne Federn daſige<lb/> „weibliche Müzen und ſchwärzten ſie an“: ſo bleibts. Die unnöthige<lb n="15"/> Erläuterung meines Raths iſt wie ich ſehe auch eine Ausführung<lb/> deſſelben.</p><lb/> <p><hi rendition="#aq">III.</hi> Wegen der Stellung der Beweiſe. Es giebt zweierlei Stel-<lb/> lungen — die deutſche, langweilige, logiſche, analytiſche Stellung —<lb/> und zweitens die franzöſiſche, intereſſante und ſynthetiſche. Bei iener<lb n="20"/> fängſt du wie ein Kompendium an und ſchickeſt mit algemeinen, be-<lb/> kanten, zugeſtandnen Säzen ſoviel Eckel voraus, daß der Leſer nicht<lb/> weiter mit dir geht. Die zweite (die Voltairiſche, Möſerſche, Addi-<lb/> ſonſche) umſtrikt und fäſſet den Leſer ſogleich mit einem wichtigen,<lb/> partikularen Saz und zieht und ſchleift ihn an dieſem Intereſſe zu den<lb n="25"/> minder intereſſanten Beweiſen. Bleibe alſo bei deiner, wo du ſogleich<lb/> dadurch, daß du den Leſer ins Geſez wirfſt und in die Hauptſache,<lb/> Intereſſe gewinſt, das du einbüſſeteſt, wenn die Dedukzion aus dem<lb/><hi rendition="#aq">primo adquirente</hi> vorſtände. Der noch wichtigere Grund iſt aber der,<lb/> daß die Dedukzion <hi rendition="#aq">p.</hi> 20 ꝛc. das Geſez <hi rendition="#aq">II. F.</hi> 50 und die beſſere Inter-<lb n="30"/> pretazion des Geſezes <hi rendition="#aq">II. F.</hi> 37 rechtfertigt und wahrſcheinlich macht<lb/> und alſo beſſer zulezt ſteht. Da am Ende alles auf Geſeze und nichts<lb/> auf algemeine Schlüſſe ankömt: ſo ſind <hi rendition="#g">dieſe</hi> nur das Anhängſel von<lb/><hi rendition="#g">ienen</hi> und können iene nur erläutern, nie erſezen. Nicht die Vernunft-<lb/> mäſſigkeit ſondern das Daſein des Geſezes habt ihr zu erweiſen.<lb n="35"/> </p> <p>Uebrigens dünkt mich, hätteſt du dir einige Mühe 〈Worte〉 erſpart,<lb/> wenn du <hi rendition="#aq">F.</hi> 50 zum Grunde geleget und <hi rendition="#aq">F.</hi> 37 als einen Einwand be-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">21 Jean Paul Briefe. <hi rendition="#aq">I.</hi></fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [321/0347]
der Dichter trocken. Vor 10 Jahren kreuzigte ich mich vor dem
Rechte, beſonders dem LehnR[echte]; iezt ſiz’ ich mit Wolluſt darüber.
II. Wegen deiner Klage über die Einkleidung. Wenn du dieſem
Theorem eine geben wolteſt: ſo könteſt du es, nach deiner „Danziger“
Probe, von einem algemeinen Saz eine individuelle Anwendung zu 5
machen. Nehm’ eine wahre Linie, die eine Erbſchaft erſtreiten wil
und defendiere ſtat der Wahrheit den adelichen Stam: ſo könte man
ſogar Feudal-Leſerinnen um ſich ſammeln, auf eine ſo leichte und ſo
närriſche Art wird das Intereſſe der Menſchen gewonnen und ver-
ſcherzt. Sogar in Schriften mus man wie in Geſelſchaften von Perſo- 10
nen ſtat von Sachen reden und dieſe in iene verkörpern. „Weibliche
Müzen ſizen ſchlecht.“ Das iſt der algemeine Saz und wenn du ihn
einem Mädgen vorträgſt: ſo hat es ihn vor dem Sontage vergeſſen.
Sagſt du aber: „im Schreibſpiel beſprizten verſchiedne Federn daſige
„weibliche Müzen und ſchwärzten ſie an“: ſo bleibts. Die unnöthige 15
Erläuterung meines Raths iſt wie ich ſehe auch eine Ausführung
deſſelben.
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III. Wegen der Stellung der Beweiſe. Es giebt zweierlei Stel-
lungen — die deutſche, langweilige, logiſche, analytiſche Stellung —
und zweitens die franzöſiſche, intereſſante und ſynthetiſche. Bei iener 20
fängſt du wie ein Kompendium an und ſchickeſt mit algemeinen, be-
kanten, zugeſtandnen Säzen ſoviel Eckel voraus, daß der Leſer nicht
weiter mit dir geht. Die zweite (die Voltairiſche, Möſerſche, Addi-
ſonſche) umſtrikt und fäſſet den Leſer ſogleich mit einem wichtigen,
partikularen Saz und zieht und ſchleift ihn an dieſem Intereſſe zu den 25
minder intereſſanten Beweiſen. Bleibe alſo bei deiner, wo du ſogleich
dadurch, daß du den Leſer ins Geſez wirfſt und in die Hauptſache,
Intereſſe gewinſt, das du einbüſſeteſt, wenn die Dedukzion aus dem
primo adquirente vorſtände. Der noch wichtigere Grund iſt aber der,
daß die Dedukzion p. 20 ꝛc. das Geſez II. F. 50 und die beſſere Inter- 30
pretazion des Geſezes II. F. 37 rechtfertigt und wahrſcheinlich macht
und alſo beſſer zulezt ſteht. Da am Ende alles auf Geſeze und nichts
auf algemeine Schlüſſe ankömt: ſo ſind dieſe nur das Anhängſel von
ienen und können iene nur erläutern, nie erſezen. Nicht die Vernunft-
mäſſigkeit ſondern das Daſein des Geſezes habt ihr zu erweiſen. 35
Uebrigens dünkt mich, hätteſt du dir einige Mühe 〈Worte〉 erſpart,
wenn du F. 50 zum Grunde geleget und F. 37 als einen Einwand be-
21 Jean Paul Briefe. I.
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(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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