es der Theologie schädlich und gewöhnlich war. -- Schade daß ich bei deinen Aufsäzen nicht deine Kritik erwiedern kan und daß ich dabei meine Exzerpten weniger brauchen als vermehren kan. -- Fahre ia fort; du wirst mir einmal danken, wenn du einen Stos Arbeiten vor dir stehen siehest, zu dessen Zeugung ich dich wie die Bienenweibgen die5 Bienenmängen zu ihrer anreizte. -- Apropos! schreibe deine Be- merkungen über meine "Unsterblichkeit der Seele" auch auf. -- Du soltest 1000 Fragen vornehmen: bei welchen Beweisen einer bei den Römern pro prodigo erklärt wurde und warum überhaupt das un- begreifliche Gesez de prodigis; wie bei uns Privatverbrechen und10 -strafen zu öffentlichen wurden; durch welche Uebergänge die Sklaven zu Bauern und die Aemter zu Regierungen wurden; nach welcher Regel, mit welchen Einschränkungen und mit welchen Abwechselungen[333] die Kaiser wie ich bei meinen Scholarchen, von Stadt zu Stadt hausierten ....... mach nur recht viel.15
Für deine Homische Kritik mus ich dir sehr danken. Sie gewöhnt mir selber welche an und den abscheulichen Fehler aller schlechten Autoren ab, daß man irgend einer Schönheit alle andre Schönheiten auf- opfert. Z. B. Sonst bracht' ich dem Wize und dem Lakonismus alles zum Opfer dar, iezt der Laune und scheere mich um die Unschiklich-20 keiten daraus nichts. Meißner stimt und hämmert blos Wolklang und Lessingsche Resonanz in seine Sachen. Da Schiller noch ohne Ge- schmak schrieb: so bekleidete, nicht bekränzte er alles mit Blumen -- er fühlte sicher die Nachtheile daraus für die Karakterzeichnung so gut als seine Scharf- und Kunstrichter, aber er sezte sich darüber hinweg. --25 Am Ende mus einer wenn er viel schreibt, zum Geschmak kommen.
Dein am meisten richtiger Tadel des Zerstreueten stelte mein sizendes Original in die rechte Entfernung vom Maler. Ich dachte gar nicht darin, daß der Zerstreuete sich selbst nicht kennen mus und blos die Es-Szene war Dessein. Jezt hab' ich ihn ordentlich ausgeschaffen30 und ein Paar neue Szenen dazu gethan. Bei der einen must' ich 9 mal aufstehen und abbrechen, weil mir sehr lächerliche Dinge den Athem nehmen; und so gehts mir leider allemal, daß ich im besten Machen über der Einwirkung des Komischen Puls und Athem verliere. Ich werd' einmal an einem rechten Spas sterben, lieber Otto, und seht nur35 auf meinem Schreibtisch nach.
Kritisiere immer weitläuftiger fort und schreib die Gründe bei.
es der Theologie ſchädlich und gewöhnlich war. — Schade daß ich bei deinen Aufſäzen nicht deine Kritik erwiedern kan und daß ich dabei meine Exzerpten weniger brauchen als vermehren kan. — Fahre ia fort; du wirſt mir einmal danken, wenn du einen Stos Arbeiten vor dir ſtehen ſieheſt, zu deſſen Zeugung ich dich wie die Bienenweibgen die5 Bienenmängen zu ihrer anreizte. — Apropos! ſchreibe deine Be- merkungen über meine „Unſterblichkeit der Seele“ auch auf. — Du ſolteſt 1000 Fragen vornehmen: bei welchen Beweiſen einer bei den Römern pro prodigo erklärt wurde und warum überhaupt das un- begreifliche Geſez de prodigis; wie bei uns Privatverbrechen und10 -ſtrafen zu öffentlichen wurden; durch welche Uebergänge die Sklaven zu Bauern und die Aemter zu Regierungen wurden; nach welcher Regel, mit welchen Einſchränkungen und mit welchen Abwechſelungen[333] die Kaiſer wie ich bei meinen Scholarchen, von Stadt zu Stadt hauſierten ....... mach nur recht viel.15
Für deine Homiſche Kritik mus ich dir ſehr danken. Sie gewöhnt mir ſelber welche an und den abſcheulichen Fehler aller ſchlechten Autoren ab, daß man irgend einer Schönheit alle andre Schönheiten auf- opfert. Z. B. Sonſt bracht’ ich dem Wize und dem Lakoniſmus alles zum Opfer dar, iezt der Laune und ſcheere mich um die Unſchiklich-20 keiten daraus nichts. Meißner ſtimt und hämmert blos Wolklang und Leſſingſche Reſonanz in ſeine Sachen. Da Schiller noch ohne Ge- ſchmak ſchrieb: ſo bekleidete, nicht bekränzte er alles mit Blumen — er fühlte ſicher die Nachtheile daraus für die Karakterzeichnung ſo gut als ſeine Scharf- und Kunſtrichter, aber er ſezte ſich darüber hinweg. —25 Am Ende mus einer wenn er viel ſchreibt, zum Geſchmak kommen.
Dein am meiſten richtiger Tadel des Zerſtreueten ſtelte mein ſizendes Original in die rechte Entfernung vom Maler. Ich dachte gar nicht darin, daß der Zerſtreuete ſich ſelbſt nicht kennen mus und blos die Es-Szene war Deſſein. Jezt hab’ ich ihn ordentlich ausgeſchaffen30 und ein Paar neue Szenen dazu gethan. Bei der einen muſt’ ich 9 mal aufſtehen und abbrechen, weil mir ſehr lächerliche Dinge den Athem nehmen; und ſo gehts mir leider allemal, daß ich im beſten Machen über der Einwirkung des Komiſchen Puls und Athem verliere. Ich werd’ einmal an einem rechten Spas ſterben, lieber Otto, und ſeht nur35 auf meinem Schreibtiſch nach.
Kritiſiere immer weitläuftiger fort und ſchreib die Gründe bei.
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es der Theologie ſchädlich und gewöhnlich war. — Schade daß ich bei
deinen Aufſäzen nicht deine Kritik erwiedern kan und daß ich dabei
meine Exzerpten weniger brauchen als vermehren kan. — Fahre ia
fort; du wirſt mir einmal danken, wenn du einen Stos Arbeiten vor
dir ſtehen ſieheſt, zu deſſen Zeugung ich dich wie die Bienenweibgen die 5
Bienenmängen zu ihrer anreizte. — Apropos! ſchreibe deine Be-
merkungen über meine „Unſterblichkeit der Seele“ auch auf. — Du
ſolteſt 1000 Fragen vornehmen: bei welchen Beweiſen einer bei den
Römern pro prodigo erklärt wurde und warum überhaupt das un-
begreifliche Geſez de prodigis; wie bei uns Privatverbrechen und 10
-ſtrafen zu öffentlichen wurden; durch welche Uebergänge die Sklaven
zu Bauern und die Aemter zu Regierungen wurden; nach welcher
Regel, mit welchen Einſchränkungen und mit welchen Abwechſelungen
die Kaiſer wie ich bei meinen Scholarchen, von Stadt zu Stadt
hauſierten ....... mach nur recht viel. 15
[333]Für deine Homiſche Kritik mus ich dir ſehr danken. Sie gewöhnt mir
ſelber welche an und den abſcheulichen Fehler aller ſchlechten Autoren
ab, daß man irgend einer Schönheit alle andre Schönheiten auf-
opfert. Z. B. Sonſt bracht’ ich dem Wize und dem Lakoniſmus alles
zum Opfer dar, iezt der Laune und ſcheere mich um die Unſchiklich- 20
keiten daraus nichts. Meißner ſtimt und hämmert blos Wolklang und
Leſſingſche Reſonanz in ſeine Sachen. Da Schiller noch ohne Ge-
ſchmak ſchrieb: ſo bekleidete, nicht bekränzte er alles mit Blumen — er
fühlte ſicher die Nachtheile daraus für die Karakterzeichnung ſo gut als
ſeine Scharf- und Kunſtrichter, aber er ſezte ſich darüber hinweg. — 25
Am Ende mus einer wenn er viel ſchreibt, zum Geſchmak kommen.
Dein am meiſten richtiger Tadel des Zerſtreueten ſtelte mein
ſizendes Original in die rechte Entfernung vom Maler. Ich dachte gar
nicht darin, daß der Zerſtreuete ſich ſelbſt nicht kennen mus und blos
die Es-Szene war Deſſein. Jezt hab’ ich ihn ordentlich ausgeſchaffen 30
und ein Paar neue Szenen dazu gethan. Bei der einen muſt’ ich 9 mal
aufſtehen und abbrechen, weil mir ſehr lächerliche Dinge den Athem
nehmen; und ſo gehts mir leider allemal, daß ich im beſten Machen
über der Einwirkung des Komiſchen Puls und Athem verliere. Ich
werd’ einmal an einem rechten Spas ſterben, lieber Otto, und ſeht nur 35
auf meinem Schreibtiſch nach.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/341>, abgerufen am 22.11.2024.
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