Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.kommenden Bücher dank' ich; "mitkommend" ist doppelsinnig und kan 335. An Wernlein in Hof.[319] [Kopie][Schwarzenbach, 9. Aug. 1790. Montag]-- Ich beginne dieses Geschreibe 3 Terzien vor meinem aktiven10 den 10. Ich möchte damals gethan haben, was ich wolte: auch iezt treibt Wie man nämlich von dem iüngsten Richtstuhl in den Himmel kommenden Bücher dank’ ich; „mitkommend“ iſt doppelſinnig und kan 335. An Wernlein in Hof.[319] [Kopie][Schwarzenbach, 9. Aug. 1790. Montag]— Ich beginne dieſes Geſchreibe 3 Terzien vor meinem aktiven10 den 10. Ich möchte damals gethan haben, was ich wolte: auch iezt treibt Wie man nämlich von dem iüngſten Richtſtuhl in den Himmel <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0329" n="303"/> kommenden Bücher dank’ ich; „mitkommend“ iſt doppelſinnig und kan<lb/> Bücher bedeuten, die zu und von Ihnen kommen, und ſo mein’ ichs<lb/> auch — ob Sie mir nicht das Buch <hi rendition="#g">oder</hi> ienes <metamark>[?]</metamark> geben und ob Sie<lb/> nicht das unterſtrichne Oder in Und verwandeln wollen — deren Seele<lb/> ſo ſanft iſt wie ihre Stücke und Spiele und deren Höflichkeit den Gaſt<lb n="5"/> zur Unhöflichkeit verlokt — die Philoſ<metamark>[</metamark>ophin<metamark>]</metamark>, die eben ſo gut denkt<lb/> als ſingt.</p> </div><lb/> <div type="letter" n="1"> <head>335. An <hi rendition="#g">Wernlein in Hof.</hi><note place="right"><ref target="1922_Bd#_319">[319]</ref></note></head><lb/> <note type="editorial"><metamark>[</metamark>Kopie<metamark>]</metamark></note> <dateline> <hi rendition="#right"><metamark>[</metamark>Schwarzenbach, 9. Aug. 1790. Montag<metamark>]</metamark></hi> </dateline><lb/> <p>— Ich beginne dieſes Geſchreibe 3 Terzien vor meinem aktiven<lb n="10"/> Examen, nachdem ich eine Maas Bier getrunken um zu viſieren, ob die<lb/> figürlichen Köpfe meiner Seminariſten ſo vol ſind als mein unfigür-<lb/> licher. — Mein Herz iſt noch voller von Ihrem Brief. O wenn Sie mir<lb/> vor 10 J<metamark>[</metamark>ahren<metamark>]</metamark> einen ſolchen geſchenkt hätten, wo ich meine Arme<lb/> um ieden ephemeriſchen Freund ſo innig ſchlug wie iezt um einen<lb n="15"/> perennierenden — wo ich keinen Menſchen kante, nicht einmal den<lb/> nächſten, mich ſelbſt, alle aber liebte — wo ich noch glaubte, ein<lb/> Freund wäre ſo leicht aus der Glüks Zahlenlotterie zu ziehen als eine<lb/> Geliebte — wo ich aus dem Jugendparadies noch nicht geiagt war, aus<lb/> dem wir alle müſſen und in das das Alter und die Erfahrung mit dem<lb n="20"/> blizenden und ſchneidenden Schwerte keine Rükkehr verſtatten — ach<lb/> damals, wo ich die Sonnen- und Sommerflecken des weiblichen Herzens<lb/> und die Phaſen des mänlichen nicht kante — wo meine ungetäuſchte<lb/> Seele (ausgenommen von ſich ſelbſt) alle Seelen umſchlang und ich<lb/> zugleich war 10 mal dümmer und glüklicher und närriſcher und tugend-<lb n="25"/> hafter.</p><lb/> <div> <dateline> <hi rendition="#right">den 10.</hi> </dateline><lb/> <p>Ich möchte damals gethan haben, was ich wolte: auch iezt treibt<lb/> Ihr Brief mit ſeinen liberalen Aeuſſerungen mein Blut um 1 mal<lb/> öfter um. Der 9 und 10 Auguſt verhalten ſich wie die beiden Lebens-<lb n="30"/> Abtheilungen, die ich an beiden beſchrieben: denn heute bin ich vom<lb/> geſtrigen Vergnügen gelähmt und ausgepumpt.</p><lb/> <p>Wie man nämlich von dem iüngſten Richtſtuhl in den Himmel<lb/> übertrit: ſo wurde unſer Examen mit einem Tanz im hieſigen Walhalla<lb/> verknüpft. Was mich noch dieſe Minute wundert, iſt, daß der Examina-<lb n="35"/><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [303/0329]
kommenden Bücher dank’ ich; „mitkommend“ iſt doppelſinnig und kan
Bücher bedeuten, die zu und von Ihnen kommen, und ſo mein’ ichs
auch — ob Sie mir nicht das Buch oder ienes [?] geben und ob Sie
nicht das unterſtrichne Oder in Und verwandeln wollen — deren Seele
ſo ſanft iſt wie ihre Stücke und Spiele und deren Höflichkeit den Gaſt 5
zur Unhöflichkeit verlokt — die Philoſ[ophin], die eben ſo gut denkt
als ſingt.
335. An Wernlein in Hof.
[Schwarzenbach, 9. Aug. 1790. Montag]
— Ich beginne dieſes Geſchreibe 3 Terzien vor meinem aktiven 10
Examen, nachdem ich eine Maas Bier getrunken um zu viſieren, ob die
figürlichen Köpfe meiner Seminariſten ſo vol ſind als mein unfigür-
licher. — Mein Herz iſt noch voller von Ihrem Brief. O wenn Sie mir
vor 10 J[ahren] einen ſolchen geſchenkt hätten, wo ich meine Arme
um ieden ephemeriſchen Freund ſo innig ſchlug wie iezt um einen 15
perennierenden — wo ich keinen Menſchen kante, nicht einmal den
nächſten, mich ſelbſt, alle aber liebte — wo ich noch glaubte, ein
Freund wäre ſo leicht aus der Glüks Zahlenlotterie zu ziehen als eine
Geliebte — wo ich aus dem Jugendparadies noch nicht geiagt war, aus
dem wir alle müſſen und in das das Alter und die Erfahrung mit dem 20
blizenden und ſchneidenden Schwerte keine Rükkehr verſtatten — ach
damals, wo ich die Sonnen- und Sommerflecken des weiblichen Herzens
und die Phaſen des mänlichen nicht kante — wo meine ungetäuſchte
Seele (ausgenommen von ſich ſelbſt) alle Seelen umſchlang und ich
zugleich war 10 mal dümmer und glüklicher und närriſcher und tugend- 25
hafter.
den 10.
Ich möchte damals gethan haben, was ich wolte: auch iezt treibt
Ihr Brief mit ſeinen liberalen Aeuſſerungen mein Blut um 1 mal
öfter um. Der 9 und 10 Auguſt verhalten ſich wie die beiden Lebens- 30
Abtheilungen, die ich an beiden beſchrieben: denn heute bin ich vom
geſtrigen Vergnügen gelähmt und ausgepumpt.
Wie man nämlich von dem iüngſten Richtſtuhl in den Himmel
übertrit: ſo wurde unſer Examen mit einem Tanz im hieſigen Walhalla
verknüpft. Was mich noch dieſe Minute wundert, iſt, daß der Examina- 35
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(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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