Repositorium. meiner Sachen sind noch nicht ausgepakt und ich selbst bins noch nicht sondern scheine mir noch immer auf dem Kutschkissen zu leben. Erbarme dich meiner und wende mir einen Fuhrman zu. Tust du nichts: so freu' ich mich, daß ich doch die Hofnung behalte, deinem B[ruder] ans Herz zu greifen und besagtes zu rühren.5 Denn Besagter und Besagtes nahmen stets mehr Rüksicht auf arme Dorfprißiane und bescheerten ihnen Fuhrleute und Gibbons genug.
311. An Schreinert in Leipzig.
[Kopie][Schwarzenbach, 17. März 1790]10
Ausser dem Ziehen aus der Welt verwirt nichts die Haare und Gedanken so sehr als das in derselben.... so schikt' ich Ihnen nichts als einen -- Gedankenstrich. Denn der Kopf mus wie der Berggipfel in einem beständigen Winter leben und die Füsse in einem Sommer. Was Sie noch weniger als Arzenei zu nehmen haben, ist eine15 Frau --
312. An Kandidat Wernlein in Hof.
[Kopie][Schwarzenbach, 24. März 1790. Mittwoch]
Ich mus mir es gleich anfangs ausbedingen, daß Sie aus der Feinheit und dem Beschneiden dieses Papiers kein Recht für den20 künftigen Briefwechsel machen: es geschieht nur, weils das erstemal ist. -- Modejournal, Güterbuch der Narheit, Erkentnisbaum für Even und Schlangen -- da Ihre Studierstube ein litterarisches Konviktorium für meine Seele ist -- Wenn Sie dieses gute Beispiel gegeben haben: so sagen Sie am Sonabend den Ott[oen], sie sollens25 am Sontag nachahmen und etc. Sagen Sie ihnen, im Antonin -- Seneka -- und einigen franz[ösischen] Predigten stände es griechisch und lateinisch, daß ein Christ im Stand der Gnade einem andern Christen, der ein Simultan-Mentor (den Amts[verwalter] reformierte Kalvin, und seine Kinder ich) und zugleich Rektor, Terzius und Quintus30 in Schw[arzenbach] wäre, die 8 Bände des G[ibbon] alzeit leihen müste, wenn er sie haben wolte; ich wil sie aber haben. Ich erwarte einen Brief, Sie mögen etwas darin von Marggrafen [?] geschrieben haben oder nicht.
Repoſitorium. meiner Sachen ſind noch nicht ausgepakt und ich ſelbſt bins noch nicht ſondern ſcheine mir noch immer auf dem Kutſchkiſſen zu leben. Erbarme dich meiner und wende mir einen Fuhrman zu. Tuſt du nichts: ſo freu’ ich mich, daß ich doch die Hofnung behalte, deinem B[ruder] ans Herz zu greifen und beſagtes zu rühren.5 Denn Beſagter und Beſagtes nahmen ſtets mehr Rükſicht auf arme Dorfpriſziane und beſcheerten ihnen Fuhrleute und Gibbons genug.
311. An Schreinert in Leipzig.
[Kopie][Schwarzenbach, 17. März 1790]10
Auſſer dem Ziehen aus der Welt verwirt nichts die Haare und Gedanken ſo ſehr als das in derſelben.... ſo ſchikt’ ich Ihnen nichts als einen — Gedankenſtrich. Denn der Kopf mus wie der Berggipfel in einem beſtändigen Winter leben und die Füſſe in einem Sommer. Was Sie noch weniger als Arzenei zu nehmen haben, iſt eine15 Frau —
312. An Kandidat Wernlein in Hof.
[Kopie][Schwarzenbach, 24. März 1790. Mittwoch]
Ich mus mir es gleich anfangs ausbedingen, daß Sie aus der Feinheit und dem Beſchneiden dieſes Papiers kein Recht für den20 künftigen Briefwechſel machen: es geſchieht nur, weils das erſtemal iſt. — Modejournal, Güterbuch der Narheit, Erkentnisbaum für Even und Schlangen — da Ihre Studierſtube ein litterariſches Konviktorium für meine Seele iſt — Wenn Sie dieſes gute Beiſpiel gegeben haben: ſo ſagen Sie am Sonabend den Ott[oen], ſie ſollens25 am Sontag nachahmen und ꝛc. Sagen Sie ihnen, im Antonin — Seneka — und einigen franz[öſiſchen] Predigten ſtände es griechiſch und lateiniſch, daß ein Chriſt im Stand der Gnade einem andern Chriſten, der ein Simultan-Mentor (den Amts[verwalter] reformierte Kalvin, und ſeine Kinder ich) und zugleich Rektor, Terzius und Quintus30 in Schw[arzenbach] wäre, die 8 Bände des G[ibbon] alzeit leihen müſte, wenn er ſie haben wolte; ich wil ſie aber haben. Ich erwarte einen Brief, Sie mögen etwas darin von Marggrafen [?] geſchrieben haben oder nicht.
<TEI><text><body><divtype="letter"n="1"><p><pbfacs="#f0311"n="286"/>
Repoſitorium. <formulanotation="TeX">\nicefrac {999}{1000}</formula> meiner Sachen ſind noch nicht ausgepakt und<lb/>
ich ſelbſt bins noch nicht ſondern ſcheine mir noch immer auf dem<lb/>
Kutſchkiſſen zu leben. Erbarme dich meiner und wende mir einen<lb/>
Fuhrman zu. Tuſt du nichts: ſo freu’ ich mich, daß ich doch die Hofnung<lb/>
behalte, deinem B<metamark>[</metamark>ruder<metamark>]</metamark> ans Herz zu greifen und beſagtes zu rühren.<lbn="5"/>
Denn Beſagter und Beſagtes nahmen ſtets mehr Rükſicht auf<lb/>
arme Dorfpriſziane und beſcheerten ihnen Fuhrleute und Gibbons<lb/>
genug.</p></div><lb/><divtype="letter"n="1"><head>311. An <hirendition="#g">Schreinert in Leipzig.</hi></head><lb/><notetype="editorial"><metamark>[</metamark>Kopie<metamark>]</metamark></note><dateline><hirendition="#right"><metamark>[</metamark>Schwarzenbach, 17. März 1790<metamark>]</metamark></hi></dateline><lbn="10"/><p>Auſſer dem Ziehen aus der Welt verwirt nichts die Haare und<lb/>
Gedanken ſo ſehr als das in derſelben.... ſo ſchikt’ ich Ihnen nichts als<lb/>
einen — Gedankenſtrich. Denn der Kopf mus wie der Berggipfel in<lb/>
einem beſtändigen Winter leben und die Füſſe in einem Sommer.<lb/>
Was Sie noch weniger als Arzenei zu nehmen haben, iſt eine<lbn="15"/>
Frau —</p></div><lb/><divtype="letter"n="1"><head>312. An <hirendition="#g">Kandidat Wernlein in Hof.</hi></head><lb/><notetype="editorial"><metamark>[</metamark>Kopie<metamark>]</metamark></note><dateline><hirendition="#right"><metamark>[</metamark>Schwarzenbach, 24. März 1790. Mittwoch<metamark>]</metamark></hi></dateline><lb/><p>Ich mus mir es gleich anfangs ausbedingen, daß Sie aus der<lb/>
Feinheit und dem Beſchneiden dieſes Papiers kein Recht für den<lbn="20"/>
künftigen Briefwechſel machen: es geſchieht nur, weils das erſtemal<lb/>
iſt. — Modejournal, Güterbuch der Narheit, Erkentnisbaum für<lb/>
Even und Schlangen — da Ihre Studierſtube ein litterariſches<lb/>
Konviktorium für meine Seele iſt — Wenn Sie dieſes gute Beiſpiel<lb/>
gegeben haben: ſo ſagen Sie am Sonabend den Ott<metamark>[</metamark>oen<metamark>]</metamark>, ſie ſollens<lbn="25"/>
am Sontag nachahmen und ꝛc. Sagen Sie ihnen, im Antonin —<lb/>
Seneka — und einigen franz<metamark>[</metamark>öſiſchen<metamark>]</metamark> Predigten ſtände es griechiſch<lb/>
und lateiniſch, daß ein Chriſt im Stand der Gnade einem andern<lb/>
Chriſten, der ein Simultan-Mentor (den Amts<metamark>[</metamark>verwalter<metamark>]</metamark> reformierte<lb/>
Kalvin, und ſeine Kinder ich) und zugleich Rektor, Terzius und Quintus<lbn="30"/>
in Schw<metamark>[</metamark>arzenbach<metamark>]</metamark> wäre, die 8 Bände des G<metamark>[</metamark>ibbon<metamark>]</metamark> alzeit leihen<lb/>
müſte, wenn er ſie haben wolte; ich wil ſie aber haben. Ich erwarte<lb/>
einen Brief, Sie mögen etwas darin von Marggrafen <metamark>[?]</metamark> geſchrieben<lb/>
haben oder nicht.</p></div><lb/></body></text></TEI>
[286/0311]
Repoſitorium. [FORMEL] meiner Sachen ſind noch nicht ausgepakt und
ich ſelbſt bins noch nicht ſondern ſcheine mir noch immer auf dem
Kutſchkiſſen zu leben. Erbarme dich meiner und wende mir einen
Fuhrman zu. Tuſt du nichts: ſo freu’ ich mich, daß ich doch die Hofnung
behalte, deinem B[ruder] ans Herz zu greifen und beſagtes zu rühren. 5
Denn Beſagter und Beſagtes nahmen ſtets mehr Rükſicht auf
arme Dorfpriſziane und beſcheerten ihnen Fuhrleute und Gibbons
genug.
311. An Schreinert in Leipzig.
[Schwarzenbach, 17. März 1790] 10
Auſſer dem Ziehen aus der Welt verwirt nichts die Haare und
Gedanken ſo ſehr als das in derſelben.... ſo ſchikt’ ich Ihnen nichts als
einen — Gedankenſtrich. Denn der Kopf mus wie der Berggipfel in
einem beſtändigen Winter leben und die Füſſe in einem Sommer.
Was Sie noch weniger als Arzenei zu nehmen haben, iſt eine 15
Frau —
312. An Kandidat Wernlein in Hof.
[Schwarzenbach, 24. März 1790. Mittwoch]
Ich mus mir es gleich anfangs ausbedingen, daß Sie aus der
Feinheit und dem Beſchneiden dieſes Papiers kein Recht für den 20
künftigen Briefwechſel machen: es geſchieht nur, weils das erſtemal
iſt. — Modejournal, Güterbuch der Narheit, Erkentnisbaum für
Even und Schlangen — da Ihre Studierſtube ein litterariſches
Konviktorium für meine Seele iſt — Wenn Sie dieſes gute Beiſpiel
gegeben haben: ſo ſagen Sie am Sonabend den Ott[oen], ſie ſollens 25
am Sontag nachahmen und ꝛc. Sagen Sie ihnen, im Antonin —
Seneka — und einigen franz[öſiſchen] Predigten ſtände es griechiſch
und lateiniſch, daß ein Chriſt im Stand der Gnade einem andern
Chriſten, der ein Simultan-Mentor (den Amts[verwalter] reformierte
Kalvin, und ſeine Kinder ich) und zugleich Rektor, Terzius und Quintus 30
in Schw[arzenbach] wäre, die 8 Bände des G[ibbon] alzeit leihen
müſte, wenn er ſie haben wolte; ich wil ſie aber haben. Ich erwarte
einen Brief, Sie mögen etwas darin von Marggrafen [?] geſchrieben
haben oder nicht.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/311>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.