der Frau v. Beulwiz, nicht nach dem H. von Beulwiz. Und er hat Recht: es ist besser, in ieden andern als in sich verliebt zu sein.
[299]Die Abendsonne beschien das Traum-Kleeblat, besonders die Frau v. B. so schön, daß ich ihren Ehe-Souverain, den B., zum erstenmale in meinem Leben beneidete. Jezt fielen Sie mir ein: "Wenn die Sonne5 "vor 4 Wochen so geschienen hätte (sagt' ich): so hätte ich auch meine "prophetische Wette nicht verloren und die Frau Postmeisterin könte "keine andere Gedichte von mir begehren als Hölty's seine." Er fragte, wie Sie sich befänden -- ich sagte, diese Frage hätt' er und seine Frau längst und öfter an Sie selbst thun sollen, und Sie wären eine wahre10 Freundin seines Betragens und seiner Verse: "ich wolte nur (fügt' ich "hinzu), ich hätte eine so lange poetische Pulsader wie Sie!" Kurz -- denn sonst erzähl' ich Sie in den Schlaf hinein, aus dem ich erzähle -- in 3 Minuten waren wir eins, Sie zu betrügen; er solte die Verse hecken und ich wolte sie, wie Wezel in Bayreuth, für meine ausgeben.15 Nun sagt' ich ihm vor (ich mus das im Schlafe laut gesagt haben, weils meine Mutter am Morgen alles mir wieder erzählte), was ungefähr in das Gedicht hinein solte: "erstlich (sagt' ich) ein Decken- "gemälde des traurigen Februarhimmels, dessen Wolken nicht blos "die Sonne raubten, nicht blos die Wette, sondern mehr, ach mehr! in20 "Göttingen und Hof -- ferner müssen Sie zwei Wägen in Ihren "Versen machen, einen für die Frau Postmeisterin und ihre schöne "Nachahmerin und einen für den Richter -- auf dem erstern fahren Sie "beide schnel nach Bayreuth und noch schneller nach Hof; machen Sie "in Ihren Versen (ich thu' es in meinen Prophezeiungen) das schönste25 "Wetter dazu und die Märzenluft so sanft als das ist, was sie berührt "und zerstöhren könte; säen Sie um beide in Bayreuth einen Blumen- "flor von Freuden, aber da sie leichter vergessen können als vergessen "werden, so nehmen Sie den Bayreuthern unser schönes Darlehn "wieder so bald als möglich -- Sie können in Ihren angenehmen30 "Versen auch einen Wagen für den H. Postmeister anspannen, damit "er die Krankheit verfahre und auf der Reise vergesse, daß zwei Lieb- "linge auch auf der Reise sind -- der dritte Wagen, der mein ist, zerret "mich nach Schwarzenbach weg aus meinen zwei liebsten Häusern, "giebt mir iezt stat 7 schöner Abende wöchentlich nur 1 und lässet mir35 "von so vielen davongeflatterten Vergnügungen nur den Dank und die [300]"Erinnerung, die der Nachsommer der menschlichen Freude ist; aber
der Frau v. Beulwiz, nicht nach dem H. von Beulwiz. Und er hat Recht: es iſt beſſer, in ieden andern als in ſich verliebt zu ſein.
[299]Die Abendſonne beſchien das Traum-Kleeblat, beſonders die Frau v. B. ſo ſchön, daß ich ihren Ehe-Souverain, den B., zum erſtenmale in meinem Leben beneidete. Jezt fielen Sie mir ein: „Wenn die Sonne5 „vor 4 Wochen ſo geſchienen hätte (ſagt’ ich): ſo hätte ich auch meine „prophetiſche Wette nicht verloren und die Frau Poſtmeiſterin könte „keine andere Gedichte von mir begehren als Hölty’s ſeine.“ Er fragte, wie Sie ſich befänden — ich ſagte, dieſe Frage hätt’ er und ſeine Frau längſt und öfter an Sie ſelbſt thun ſollen, und Sie wären eine wahre10 Freundin ſeines Betragens und ſeiner Verſe: „ich wolte nur (fügt’ ich „hinzu), ich hätte eine ſo lange poetiſche Pulsader wie Sie!“ Kurz — denn ſonſt erzähl’ ich Sie in den Schlaf hinein, aus dem ich erzähle — in 3 Minuten waren wir eins, Sie zu betrügen; er ſolte die Verſe hecken und ich wolte ſie, wie Wezel in Bayreuth, für meine ausgeben.15 Nun ſagt’ ich ihm vor (ich mus das im Schlafe laut geſagt haben, weils meine Mutter am Morgen alles mir wieder erzählte), was ungefähr in das Gedicht hinein ſolte: „erſtlich (ſagt’ ich) ein Decken- „gemälde des traurigen Februarhimmels, deſſen Wolken nicht blos „die Sonne raubten, nicht blos die Wette, ſondern mehr, ach mehr! in20 „Göttingen und Hof — ferner müſſen Sie zwei Wägen in Ihren „Verſen machen, einen für die Frau Poſtmeiſterin und ihre ſchöne „Nachahmerin und einen für den Richter — auf dem erſtern fahren Sie „beide ſchnel nach Bayreuth und noch ſchneller nach Hof; machen Sie „in Ihren Verſen (ich thu’ es in meinen Prophezeiungen) das ſchönſte25 „Wetter dazu und die Märzenluft ſo ſanft als das iſt, was ſie berührt „und zerſtöhren könte; ſäen Sie um beide in Bayreuth einen Blumen- „flor von Freuden, aber da ſie leichter vergeſſen können als vergeſſen „werden, ſo nehmen Sie den Bayreuthern unſer ſchönes Darlehn „wieder ſo bald als möglich — Sie können in Ihren angenehmen30 „Verſen auch einen Wagen für den H. Poſtmeiſter anſpannen, damit „er die Krankheit verfahre und auf der Reiſe vergeſſe, daß zwei Lieb- „linge auch auf der Reiſe ſind — der dritte Wagen, der mein iſt, zerret „mich nach Schwarzenbach weg aus meinen zwei liebſten Häuſern, „giebt mir iezt ſtat 7 ſchöner Abende wöchentlich nur 1 und läſſet mir35 „von ſo vielen davongeflatterten Vergnügungen nur den Dank und die [300]„Erinnerung, die der Nachſommer der menſchlichen Freude iſt; aber
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der Frau v. Beulwiz, nicht nach dem H. von Beulwiz. Und er hat
Recht: es iſt beſſer, in ieden andern als in ſich verliebt zu ſein.
Die Abendſonne beſchien das Traum-Kleeblat, beſonders die Frau
v. B. ſo ſchön, daß ich ihren Ehe-Souverain, den B., zum erſtenmale
in meinem Leben beneidete. Jezt fielen Sie mir ein: „Wenn die Sonne 5
„vor 4 Wochen ſo geſchienen hätte (ſagt’ ich): ſo hätte ich auch meine
„prophetiſche Wette nicht verloren und die Frau Poſtmeiſterin könte
„keine andere Gedichte von mir begehren als Hölty’s ſeine.“ Er fragte,
wie Sie ſich befänden — ich ſagte, dieſe Frage hätt’ er und ſeine Frau
längſt und öfter an Sie ſelbſt thun ſollen, und Sie wären eine wahre 10
Freundin ſeines Betragens und ſeiner Verſe: „ich wolte nur (fügt’ ich
„hinzu), ich hätte eine ſo lange poetiſche Pulsader wie Sie!“ Kurz —
denn ſonſt erzähl’ ich Sie in den Schlaf hinein, aus dem ich erzähle —
in 3 Minuten waren wir eins, Sie zu betrügen; er ſolte die Verſe
hecken und ich wolte ſie, wie Wezel in Bayreuth, für meine ausgeben. 15
Nun ſagt’ ich ihm vor (ich mus das im Schlafe laut geſagt haben,
weils meine Mutter am Morgen alles mir wieder erzählte), was
ungefähr in das Gedicht hinein ſolte: „erſtlich (ſagt’ ich) ein Decken-
„gemälde des traurigen Februarhimmels, deſſen Wolken nicht blos
„die Sonne raubten, nicht blos die Wette, ſondern mehr, ach mehr! in 20
„Göttingen und Hof — ferner müſſen Sie zwei Wägen in Ihren
„Verſen machen, einen für die Frau Poſtmeiſterin und ihre ſchöne
„Nachahmerin und einen für den Richter — auf dem erſtern fahren Sie
„beide ſchnel nach Bayreuth und noch ſchneller nach Hof; machen Sie
„in Ihren Verſen (ich thu’ es in meinen Prophezeiungen) das ſchönſte 25
„Wetter dazu und die Märzenluft ſo ſanft als das iſt, was ſie berührt
„und zerſtöhren könte; ſäen Sie um beide in Bayreuth einen Blumen-
„flor von Freuden, aber da ſie leichter vergeſſen können als vergeſſen
„werden, ſo nehmen Sie den Bayreuthern unſer ſchönes Darlehn
„wieder ſo bald als möglich — Sie können in Ihren angenehmen 30
„Verſen auch einen Wagen für den H. Poſtmeiſter anſpannen, damit
„er die Krankheit verfahre und auf der Reiſe vergeſſe, daß zwei Lieb-
„linge auch auf der Reiſe ſind — der dritte Wagen, der mein iſt, zerret
„mich nach Schwarzenbach weg aus meinen zwei liebſten Häuſern,
„giebt mir iezt ſtat 7 ſchöner Abende wöchentlich nur 1 und läſſet mir 35
„von ſo vielen davongeflatterten Vergnügungen nur den Dank und die
„Erinnerung, die der Nachſommer der menſchlichen Freude iſt; aber
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/309>, abgerufen am 22.11.2024.
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