gar vor Gericht abläugnen und Ihre vielen Requisitorialschreiben aus Prag würden wenig verfangen. Wäre Alexander eben so klug wie ich gewesen und hätt' er die Manuskripte des Aristoteles ihm abgelogen und vorenthalten: so hätt' ihn nachher der Stagyrit nicht mit der Edizion derselben ärgern können.5
Der Zwek dieses Briefes ist Sie zu bitten, daß Sie es -- nicht so machen wie ich, sondern wie Alexander. Mein satirisches Mskpt über die menschliche Tugend nistet zwar bei Ihnen wie in einem Ägypten, gegen den bethlehemitischen Kindermord der Rezensenten geschirmt; allein ich möcht' es doch haben.10
Zwar wäre mirs aus 2 Gründen recht lieb, wenn Sie mir meinen Willen nicht thäten. Denn ich hätte dan doch bei Ihnen immer einen Vorwand liegen, unter welchem ich mir das Vergnügen an Sie zu schreiben herausnehmen könte. Und zweitens hätt' ich das Misver- gnügen nicht, durch die Erinnerung meiner litterarischen Tölpeliahre15 und deren Mis- und Nachgeburten gedemüthigt zu werden; denn das Manuskript wird mich gewis dadurch erbossen, daß ich damit nicht nur das Publikum ergözen wollen sondern auch Sie.
Allein ich habe auf der andern Seite 2 stärkere Gegengründe[288] warum Sie mir doch zu Willen sein sollen. Ich wil 1) das Mspt mit20 meiner zur Ostermesse ausgekrochenen "Auswahl aus den Papieren des Teufels"*) zusammenhalten, um zu sehen, ob der offizinelle und heilende Tadel, den Sie ienem eingaben, diese purgirt habe. Der zweite Gegengrund ist ...... ia warlich vor 3 Minuten wust' ich ihn noch und er ist mir vor einem Augenblik aus dem Kopfe.25
Vielleicht haben Sie gar das Mspt selber ediret, nach Art der Alten nämlich; ich meine, vielleicht haben Sie, wie die Alten ein Mspt durch Aufrollung um Holz oder Knochen in ein Buch veredelten, auch mit meinem etwas umflochten, etwas recht weiches, etwan die Lokken- haare -- allein ich kan das nicht glauben sondern blos hoffen. Denn30 nur Ihre Schriften wurden bisher zur Verschönerung und Bil- dung des Kopfes verwendet und zwar nicht an seiner äussern sondern innern Seite, ia sie wurden sogar zur Reinigung des anus -- cerebri (wie die Anatomiker die Gehirnkammern nennen) verbraucht -- eine
*) Ich hätte Ihnen das ganze Werkgen geschikt, wenn es nicht 38 Bögen hätte und mithin nicht eben so viel Porto als Langeweile machte.
18 Jean Paul Briefe. I.
gar vor Gericht abläugnen und Ihre vielen Requiſitorialſchreiben aus Prag würden wenig verfangen. Wäre Alexander eben ſo klug wie ich geweſen und hätt’ er die Manuſkripte des Ariſtoteles ihm abgelogen und vorenthalten: ſo hätt’ ihn nachher der Stagyrit nicht mit der Edizion derſelben ärgern können.5
Der Zwek dieſes Briefes iſt Sie zu bitten, daß Sie es — nicht ſo machen wie ich, ſondern wie Alexander. Mein ſatiriſches Mſkpt über die menſchliche Tugend niſtet zwar bei Ihnen wie in einem Ägypten, gegen den bethlehemitiſchen Kindermord der Rezenſenten geſchirmt; allein ich möcht’ es doch haben.10
Zwar wäre mirs aus 2 Gründen recht lieb, wenn Sie mir meinen Willen nicht thäten. Denn ich hätte dan doch bei Ihnen immer einen Vorwand liegen, unter welchem ich mir das Vergnügen an Sie zu ſchreiben herausnehmen könte. Und zweitens hätt’ ich das Misver- gnügen nicht, durch die Erinnerung meiner litterariſchen Tölpeliahre15 und deren Mis- und Nachgeburten gedemüthigt zu werden; denn das Manuſkript wird mich gewis dadurch erboſſen, daß ich damit nicht nur das Publikum ergözen wollen ſondern auch Sie.
Allein ich habe auf der andern Seite 2 ſtärkere Gegengründe[288] warum Sie mir doch zu Willen ſein ſollen. Ich wil 1) das Mſpt mit20 meiner zur Oſtermeſſe ausgekrochenen „Auswahl aus den Papieren des Teufels“*) zuſammenhalten, um zu ſehen, ob der offizinelle und heilende Tadel, den Sie ienem eingaben, dieſe purgirt habe. Der zweite Gegengrund iſt ...... ia warlich vor 3 Minuten wuſt’ ich ihn noch und er iſt mir vor einem Augenblik aus dem Kopfe.25
Vielleicht haben Sie gar das Mſpt ſelber ediret, nach Art der Alten nämlich; ich meine, vielleicht haben Sie, wie die Alten ein Mſpt durch Aufrollung um Holz oder Knochen in ein Buch veredelten, auch mit meinem etwas umflochten, etwas recht weiches, etwan die Lokken- haare — allein ich kan das nicht glauben ſondern blos hoffen. Denn30 nur Ihre Schriften wurden bisher zur Verſchönerung und Bil- dung des Kopfes verwendet und zwar nicht an ſeiner äuſſern ſondern innern Seite, ia ſie wurden ſogar zur Reinigung des anus — cerebri (wie die Anatomiker die Gehirnkammern nennen) verbraucht — eine
*) Ich hätte Ihnen das ganze Werkgen geſchikt, wenn es nicht 38 Bögen hätte und mithin nicht eben ſo viel Porto als Langeweile machte.
18 Jean Paul Briefe. I.
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und vorenthalten: ſo hätt’ ihn nachher der Stagyrit nicht mit der
Edizion derſelben ärgern können. 5
Der Zwek dieſes Briefes iſt Sie zu bitten, daß Sie es — nicht ſo
machen wie ich, ſondern wie Alexander. Mein ſatiriſches Mſkpt über
die menſchliche Tugend niſtet zwar bei Ihnen wie in einem Ägypten,
gegen den bethlehemitiſchen Kindermord der Rezenſenten geſchirmt;
allein ich möcht’ es doch haben. 10
Zwar wäre mirs aus 2 Gründen recht lieb, wenn Sie mir meinen
Willen nicht thäten. Denn ich hätte dan doch bei Ihnen immer einen
Vorwand liegen, unter welchem ich mir das Vergnügen an Sie zu
ſchreiben herausnehmen könte. Und zweitens hätt’ ich das Misver-
gnügen nicht, durch die Erinnerung meiner litterariſchen Tölpeliahre 15
und deren Mis- und Nachgeburten gedemüthigt zu werden; denn das
Manuſkript wird mich gewis dadurch erboſſen, daß ich damit nicht nur
das Publikum ergözen wollen ſondern auch Sie.
Allein ich habe auf der andern Seite 2 ſtärkere Gegengründe
warum Sie mir doch zu Willen ſein ſollen. Ich wil 1) das Mſpt mit 20
meiner zur Oſtermeſſe ausgekrochenen „Auswahl aus den Papieren
des Teufels“ *) zuſammenhalten, um zu ſehen, ob der offizinelle und
heilende Tadel, den Sie ienem eingaben, dieſe purgirt habe. Der
zweite Gegengrund iſt ...... ia warlich vor 3 Minuten wuſt’ ich ihn
noch und er iſt mir vor einem Augenblik aus dem Kopfe. 25
[288]Vielleicht haben Sie gar das Mſpt ſelber ediret, nach Art der
Alten nämlich; ich meine, vielleicht haben Sie, wie die Alten ein Mſpt
durch Aufrollung um Holz oder Knochen in ein Buch veredelten, auch
mit meinem etwas umflochten, etwas recht weiches, etwan die Lokken-
haare — allein ich kan das nicht glauben ſondern blos hoffen. Denn 30
nur Ihre Schriften wurden bisher zur Verſchönerung und Bil-
dung des Kopfes verwendet und zwar nicht an ſeiner äuſſern ſondern
innern Seite, ia ſie wurden ſogar zur Reinigung des anus — cerebri
(wie die Anatomiker die Gehirnkammern nennen) verbraucht — eine
*) Ich hätte Ihnen das ganze Werkgen geſchikt, wenn es nicht 38 Bögen hätte
und mithin nicht eben ſo viel Porto als Langeweile machte.
18 Jean Paul Briefe. I.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/298>, abgerufen am 16.02.2025.
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