zutreiben daß du einen deutlichen Begrif von dem Noten- buche bekömst: aber hast du ihn?
3. Einen Brief, wenn eure Geschäfte wollen.
Lebt wol und thut mir zuweilen einen Gefallen, ich meine dem Herman einen Tort.
Richter
5
[Adr.] An die Herren Herren Otto in Hof. Durch Einschlag du mouchoir.
207. An Pfarrer Vogel in Rehau.
[Kopie][Töpen, 16. Dez. 1787]
Ich hoffe ich habe Sie nunmehr überzeugt, daß ich lügen kan. Das10 was ich iezt zu thun habe ist, Sie auch vom Gegentheil zu überführen und am 3 Feiertage zu kommen. Nehmen Sie mich dan als das Hintertreffen der Nürnbergischen Puppenware auf, die Weihnacht Ihren Kindern giebt... Ich wil Sie mit einer Sonne vergleichen (so wie den Pf[arrer] hier mit einer aus Dünsten geformten Nebensonne)15 und mich selbst mit einem unregel[mässigen] Kometen: offenbar mus dan der Komet bald in der grösten Sonnenferne, bald in der grösten Sonnennähe sein und nach Bode sezet blos die Sonne dem Kometen seinen Schweif an. Können Sie auch das mit einem Zopf .... Am Ende bewegen Sie sich noch weniger als ich und nicht stärker als die20 Sonne und nur um Ihre Axe.
Indessen Scherz und Astronomie bei Seite, ich wil ernsthaft sein, wenn die 3 Loth Kaffee, die ich getrunken habe, nichts darwider haben. "So sehr lebt der Geist unter der Subordinazion der Materie[247] und findet an seinem und fremden Körper[n] seine unbekanten Obern25 und die Windlade des Unterleibs ist sein verstekter Soufleur." Sehen Sie, solche gute Gleichnisse und elende Schlüsse hätt' ich sonst ge- macht; iezt mach' ich den: so wenig die Seele entehrt wird, wenn sie keine äussere Bilder ohne den Beistand des Sehnervens überkommen kan: eben so wenig wird sies, wenn sie zu ienen das Gehirn bedarf.30 Die Samenfeuchtigkeit ist der treibende Nahrungsaft der edelsten Empfindungen: was thuts? Materie ist Materie und Samenfeuchtig- keit nicht unedler als Nervensaft. Die Samenfeuchtigkeit ist doch nicht die Empfindung, der bewegte Nervensaft nicht der Gedanke, hat schlechterdings gar nichts ähnliches damit und ist blosses Werkzeug:35
zutreiben daß du einen deutlichen Begrif von dem Noten- buche bekömſt: aber haſt du ihn?
3. Einen Brief, wenn eure Geſchäfte wollen.
Lebt wol und thut mir zuweilen einen Gefallen, ich meine dem Herman einen Tort.
Richter
5
[Adr.] An die Herren Herren Otto in Hof. Durch Einſchlag du mouchoir.
207. An Pfarrer Vogel in Rehau.
[Kopie][Töpen, 16. Dez. 1787]
Ich hoffe ich habe Sie nunmehr überzeugt, daß ich lügen kan. Das10 was ich iezt zu thun habe iſt, Sie auch vom Gegentheil zu überführen und am 3 Feiertage zu kommen. Nehmen Sie mich dan als das Hintertreffen der Nürnbergiſchen Puppenware auf, die Weihnacht Ihren Kindern giebt... Ich wil Sie mit einer Sonne vergleichen (ſo wie den Pf[arrer] hier mit einer aus Dünſten geformten Nebenſonne)15 und mich ſelbſt mit einem unregel[mäſſigen] Kometen: offenbar mus dan der Komet bald in der gröſten Sonnenferne, bald in der gröſten Sonnennähe ſein und nach Bode ſezet blos die Sonne dem Kometen ſeinen Schweif an. Können Sie auch das mit einem Zopf .... Am Ende bewegen Sie ſich noch weniger als ich und nicht ſtärker als die20 Sonne und nur um Ihre Axe.
Indeſſen Scherz und Aſtronomie bei Seite, ich wil ernſthaft ſein, wenn die 3 Loth Kaffee, die ich getrunken habe, nichts darwider haben. „So ſehr lebt der Geiſt unter der Subordinazion der Materie[247] und findet an ſeinem und fremden Körper[n] ſeine unbekanten Obern25 und die Windlade des Unterleibs iſt ſein verſtekter Soufleur.“ Sehen Sie, ſolche gute Gleichniſſe und elende Schlüſſe hätt’ ich ſonſt ge- macht; iezt mach’ ich den: ſo wenig die Seele entehrt wird, wenn ſie keine äuſſere Bilder ohne den Beiſtand des Sehnervens überkommen kan: eben ſo wenig wird ſies, wenn ſie zu ienen das Gehirn bedarf.30 Die Samenfeuchtigkeit iſt der treibende Nahrungſaft der edelſten Empfindungen: was thuts? Materie iſt Materie und Samenfeuchtig- keit nicht unedler als Nervenſaft. Die Samenfeuchtigkeit iſt doch nicht die Empfindung, der bewegte Nervenſaft nicht der Gedanke, hat ſchlechterdings gar nichts ähnliches damit und iſt bloſſes Werkzeug:35
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[233/0258]
zutreiben daß du einen deutlichen Begrif von dem Noten-
buche bekömſt: aber haſt du ihn?
3. Einen Brief, wenn eure Geſchäfte wollen.
Lebt wol und thut mir zuweilen einen Gefallen, ich meine dem
Herman einen Tort.
Richter 5
[Adr.] An die Herren Herren Otto in Hof. Durch Einſchlag du
mouchoir.
207. An Pfarrer Vogel in Rehau.
[Töpen, 16. Dez. 1787]
Ich hoffe ich habe Sie nunmehr überzeugt, daß ich lügen kan. Das 10
was ich iezt zu thun habe iſt, Sie auch vom Gegentheil zu überführen
und am 3 Feiertage zu kommen. Nehmen Sie mich dan als das
Hintertreffen der Nürnbergiſchen Puppenware auf, die Weihnacht
Ihren Kindern giebt... Ich wil Sie mit einer Sonne vergleichen (ſo
wie den Pf[arrer] hier mit einer aus Dünſten geformten Nebenſonne) 15
und mich ſelbſt mit einem unregel[mäſſigen] Kometen: offenbar mus
dan der Komet bald in der gröſten Sonnenferne, bald in der gröſten
Sonnennähe ſein und nach Bode ſezet blos die Sonne dem Kometen
ſeinen Schweif an. Können Sie auch das mit einem Zopf .... Am
Ende bewegen Sie ſich noch weniger als ich und nicht ſtärker als die 20
Sonne und nur um Ihre Axe.
Indeſſen Scherz und Aſtronomie bei Seite, ich wil ernſthaft ſein,
wenn die 3 Loth Kaffee, die ich getrunken habe, nichts darwider
haben. „So ſehr lebt der Geiſt unter der Subordinazion der Materie
und findet an ſeinem und fremden Körper[n] ſeine unbekanten Obern 25
und die Windlade des Unterleibs iſt ſein verſtekter Soufleur.“ Sehen
Sie, ſolche gute Gleichniſſe und elende Schlüſſe hätt’ ich ſonſt ge-
macht; iezt mach’ ich den: ſo wenig die Seele entehrt wird, wenn ſie
keine äuſſere Bilder ohne den Beiſtand des Sehnervens überkommen
kan: eben ſo wenig wird ſies, wenn ſie zu ienen das Gehirn bedarf. 30
Die Samenfeuchtigkeit iſt der treibende Nahrungſaft der edelſten
Empfindungen: was thuts? Materie iſt Materie und Samenfeuchtig-
keit nicht unedler als Nervenſaft. Die Samenfeuchtigkeit iſt doch nicht
die Empfindung, der bewegte Nervenſaft nicht der Gedanke, hat
ſchlechterdings gar nichts ähnliches damit und iſt bloſſes Werkzeug: 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/258>, abgerufen am 25.07.2024.
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