Hätt' ich diesen langen Brief mit sympathetischer Dinte hinge- schrieben: so wär' es überaus gut; denn Sie könten ihn dan gar nicht5 lesen -- stat daß ich iezt bei der schwarzen unglaublich schlecht fahre. Gewis wird Ihnen nun der Brief (ich wolte darauf schwören) alles hinterbringen, was ich Ihnen doch verhalten wil. Er wird Ihnen -- Sie können mir glauben -- ohne Bedenken die Bitte verrathen, die ich im Namen meiner Mutter an Sie wagen wollen und die ich Ihnen10 [217]wol nicht zu eröfnen brauche, da ich mich mit ihr geschikt schon zur h. Anna gewandt. Diese Heilige, die wie die Katholiken glauben, sich mit der Vertheilung des Reichthums unter die Menschen abgiebt -- sie ist sonach die algemeine Kriegszahlmeisterin und gefället mir sehr wegen ihrer kontanten Zahlung -- diese hab' ich nämlich so angeredet:15 "Einen grossen Gefallen thätest du mir und auch meiner Mutter freilich, liebe h. Anna, wenn du es so machtest und ihr wie gesagt zu dem Vorlehn von 20 fl. vom H. Bürgermeister Köhler verhälfest. Sie wird, um es dir noch einmal zu wiederholen, fast überal gedrükt, verkant, ver- läumdet, und ohne Hülfe gelassen; mancher verschlimmert sogar ihre20 Lage heimlich, um die seinige zu verbessern, weil er ihr durch diese Ver- schlimmerung endlich ihren Garten abzunöthigen hoft. Es ist ia nicht das erste mal, daß du den H. Bürgermeister zu einem wolthätigen Ent- schlusse bewegst. Ich thäte die Bitte selber, aber ich bin nur ein gemeiner Satirenschreiber und bin dabei zu närrisch angezogen; du hingegen bist25 ein Frauenzimmer und dem kan er es aus Höflichkeit weniger abschlagen, weil das schöne Geschlecht auch eine schöne und mithin entscheidende Stimme hat. Erscheine ihm im Traume oder in Gestalt einer Predigt, oder du kanst auch heute abend zu ihm gehen und meine ganze Figur annehmen, indem du ein Paar Beinkleider anlegst, einen runden Hut30 aufsezest und dein Haar verschneidest, so daß wahrhaftig ieder denkt, ich wär' es leibhaftig." Ich habe es Ihnen aber vorausgesagt, daß dieser fatale Brief alles verrathen würde.
Und ich glaube gar, er offenbaret es Ihnen auch, wie sehr ich Sie schäze: ich wil es aber nicht hoffen; denn es wäre zu unschiklich, iemand35 ins Gesicht mündlich oder schriftlich zu loben, es müste denn ein Frauenzimmer sein.
Hätt’ ich dieſen langen Brief mit ſympathetiſcher Dinte hinge- ſchrieben: ſo wär’ es überaus gut; denn Sie könten ihn dan gar nicht5 leſen — ſtat daß ich iezt bei der ſchwarzen unglaublich ſchlecht fahre. Gewis wird Ihnen nun der Brief (ich wolte darauf ſchwören) alles hinterbringen, was ich Ihnen doch verhalten wil. Er wird Ihnen — Sie können mir glauben — ohne Bedenken die Bitte verrathen, die ich im Namen meiner Mutter an Sie wagen wollen und die ich Ihnen10 [217]wol nicht zu eröfnen brauche, da ich mich mit ihr geſchikt ſchon zur h. Anna gewandt. Dieſe Heilige, die wie die Katholiken glauben, ſich mit der Vertheilung des Reichthums unter die Menſchen abgiebt — ſie iſt ſonach die algemeine Kriegszahlmeiſterin und gefället mir ſehr wegen ihrer kontanten Zahlung — dieſe hab’ ich nämlich ſo angeredet:15 „Einen groſſen Gefallen thäteſt du mir und auch meiner Mutter freilich, liebe h. Anna, wenn du es ſo machteſt und ihr wie geſagt zu dem Vorlehn von 20 fl. vom H. Bürgermeiſter Köhler verhälfeſt. Sie wird, um es dir noch einmal zu wiederholen, faſt überal gedrükt, verkant, ver- läumdet, und ohne Hülfe gelaſſen; mancher verſchlimmert ſogar ihre20 Lage heimlich, um die ſeinige zu verbeſſern, weil er ihr durch dieſe Ver- ſchlimmerung endlich ihren Garten abzunöthigen hoft. Es iſt ia nicht das erſte mal, daß du den H. Bürgermeiſter zu einem wolthätigen Ent- ſchluſſe bewegſt. Ich thäte die Bitte ſelber, aber ich bin nur ein gemeiner Satirenſchreiber und bin dabei zu närriſch angezogen; du hingegen biſt25 ein Frauenzimmer und dem kan er es aus Höflichkeit weniger abſchlagen, weil das ſchöne Geſchlecht auch eine ſchöne und mithin entſcheidende Stimme hat. Erſcheine ihm im Traume oder in Geſtalt einer Predigt, oder du kanſt auch heute abend zu ihm gehen und meine ganze Figur annehmen, indem du ein Paar Beinkleider anlegſt, einen runden Hut30 aufſezeſt und dein Haar verſchneideſt, ſo daß wahrhaftig ieder denkt, ich wär’ es leibhaftig.“ Ich habe es Ihnen aber vorausgeſagt, daß dieſer fatale Brief alles verrathen würde.
Und ich glaube gar, er offenbaret es Ihnen auch, wie ſehr ich Sie ſchäze: ich wil es aber nicht hoffen; denn es wäre zu unſchiklich, iemand35 ins Geſicht mündlich oder ſchriftlich zu loben, es müſte denn ein Frauenzimmer ſein.
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161. An Bürgermeiſter Köhler in Hof.
Hochedelgeborner,
Hochzuverehrender Herr Bürgermeiſter,
Hätt’ ich dieſen langen Brief mit ſympathetiſcher Dinte hinge-
ſchrieben: ſo wär’ es überaus gut; denn Sie könten ihn dan gar nicht 5
leſen — ſtat daß ich iezt bei der ſchwarzen unglaublich ſchlecht fahre.
Gewis wird Ihnen nun der Brief (ich wolte darauf ſchwören) alles
hinterbringen, was ich Ihnen doch verhalten wil. Er wird Ihnen
— Sie können mir glauben — ohne Bedenken die Bitte verrathen, die
ich im Namen meiner Mutter an Sie wagen wollen und die ich Ihnen 10
wol nicht zu eröfnen brauche, da ich mich mit ihr geſchikt ſchon zur
h. Anna gewandt. Dieſe Heilige, die wie die Katholiken glauben, ſich
mit der Vertheilung des Reichthums unter die Menſchen abgiebt —
ſie iſt ſonach die algemeine Kriegszahlmeiſterin und gefället mir ſehr
wegen ihrer kontanten Zahlung — dieſe hab’ ich nämlich ſo angeredet: 15
„Einen groſſen Gefallen thäteſt du mir und auch meiner Mutter freilich,
liebe h. Anna, wenn du es ſo machteſt und ihr wie geſagt zu dem
Vorlehn von 20 fl. vom H. Bürgermeiſter Köhler verhälfeſt. Sie wird,
um es dir noch einmal zu wiederholen, faſt überal gedrükt, verkant, ver-
läumdet, und ohne Hülfe gelaſſen; mancher verſchlimmert ſogar ihre 20
Lage heimlich, um die ſeinige zu verbeſſern, weil er ihr durch dieſe Ver-
ſchlimmerung endlich ihren Garten abzunöthigen hoft. Es iſt ia nicht
das erſte mal, daß du den H. Bürgermeiſter zu einem wolthätigen Ent-
ſchluſſe bewegſt. Ich thäte die Bitte ſelber, aber ich bin nur ein gemeiner
Satirenſchreiber und bin dabei zu närriſch angezogen; du hingegen biſt 25
ein Frauenzimmer und dem kan er es aus Höflichkeit weniger abſchlagen,
weil das ſchöne Geſchlecht auch eine ſchöne und mithin entſcheidende
Stimme hat. Erſcheine ihm im Traume oder in Geſtalt einer Predigt,
oder du kanſt auch heute abend zu ihm gehen und meine ganze Figur
annehmen, indem du ein Paar Beinkleider anlegſt, einen runden Hut 30
aufſezeſt und dein Haar verſchneideſt, ſo daß wahrhaftig ieder denkt,
ich wär’ es leibhaftig.“ Ich habe es Ihnen aber vorausgeſagt, daß
dieſer fatale Brief alles verrathen würde.
[217]
Und ich glaube gar, er offenbaret es Ihnen auch, wie ſehr ich Sie
ſchäze: ich wil es aber nicht hoffen; denn es wäre zu unſchiklich, iemand 35
ins Geſicht mündlich oder ſchriftlich zu loben, es müſte denn ein
Frauenzimmer ſein.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/231>, abgerufen am 27.11.2024.
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