ist ein poetischer geworden: die "Geistes-Unterhaltungen zur Bildung und Belustigung, in ganz neuen Fabeln und Erzählungen" sind nun auf seine eigne Kosten -- seines Beutels nicht weniger als seines Ruhms -- glüklicher Weise in diese elende Welt getreten und sind so beschaffen, daß sogar der Verfasser selbst sie stets mit erneuertem5 Vergnügen wieder lesen kan. Der Kaffeewirth Knol und der Terzius haben das Debit derselben aus den besten Absichten wirklich unter- nommen. In den Gedichten selbst sind einige Pasquille auf verschiedene Leute in Hof befindlich; die Vorrede aber sol, wenn ich ihn recht fasse, eines auf ihn selber sein. Gehring komt seit dieser Herausgabe oft nach10 Hof und ist der Meinung, daß zwischen Verwunderung und Be- wunderung in der That ein schlechter Unterschied ist; in Plauen hat er mit eignen Händen soviel Exemplare abgesezet, daß er oft gewünschet, [213]mehrere mitgenommen zu haben. -- Kurz sie sind so schlecht, daß die Leute hier, die ihren guten Geschmak nicht durch Empfindlichkeit für15 die grösten Schönheiten erhärten können, ihn nun durch den Abscheu vor den grösten Fehlern erweisen zu können das Vergnügen haben.
Solche kurze vergnügte Stunden wie neulich bei dir, werd' ich mir öfters stehlen und ich werde bald wieder auf einen Tag zu dir laufen, um zugleich den 2ten Theil der Geschichte der Wissenschaften von20 Meiners dir mitzubringen, den du mir so schnel wie es scheint schikken wirst als du ihn wieder begehrest. -- Den Trogenprediger hast du in Rüksicht des Herzens nicht zuviel gelobt; aber sonst hast du mich nach- geahmet. Du kanst dich nämlich darauf verlassen, daß ich von iedem, den ich lobe, die Sache offenbar (zuweilen mit Bewustsein) iedesmal25 übertreiben werde: ich glaube, den untermischten Tadel meines Bekanten alzeit durch vergrössertes Lob wieder vergüten zu müssen. --
Hast du den Schubart durchgelesen?
Lebe wol, einziger Freund meiner Seele, der mich am besten kent und bei dem allein ich das Fade, das Oberflächliche, Unmittheilende30 und Zusammenengende des Umgangs nicht fühlen darf.
Es ist schlim, daß Schnee da ist; aber wenn du nicht auf dem Schlitten iezt komst, so ists noch schlimmer und wenig zu sagen eben so schlim, wie diese Antithese.
[Spaltenumbruch]Hof den 9 März 86.[Spaltenumbruch]Richter
35
[Adr.] Herrn Herrn Adam von Oerthel in Töpen. Mit 3. Büchern.
iſt ein poetiſcher geworden: die „Geiſtes-Unterhaltungen zur Bildung und Beluſtigung, in ganz neuen Fabeln und Erzählungen“ ſind nun auf ſeine eigne Koſten — ſeines Beutels nicht weniger als ſeines Ruhms — glüklicher Weiſe in dieſe elende Welt getreten und ſind ſo beſchaffen, daß ſogar der Verfaſſer ſelbſt ſie ſtets mit erneuertem5 Vergnügen wieder leſen kan. Der Kaffeewirth Knol und der Terzius haben das Debit derſelben aus den beſten Abſichten wirklich unter- nommen. In den Gedichten ſelbſt ſind einige Paſquille auf verſchiedene Leute in Hof befindlich; die Vorrede aber ſol, wenn ich ihn recht faſſe, eines auf ihn ſelber ſein. Gehring komt ſeit dieſer Herausgabe oft nach10 Hof und iſt der Meinung, daß zwiſchen Verwunderung und Be- wunderung in der That ein ſchlechter Unterſchied iſt; in Plauen hat er mit eignen Händen ſoviel Exemplare abgeſezet, daß er oft gewünſchet, [213]mehrere mitgenommen zu haben. — Kurz ſie ſind ſo ſchlecht, daß die Leute hier, die ihren guten Geſchmak nicht durch Empfindlichkeit für15 die gröſten Schönheiten erhärten können, ihn nun durch den Abſcheu vor den gröſten Fehlern erweiſen zu können das Vergnügen haben.
Solche kurze vergnügte Stunden wie neulich bei dir, werd’ ich mir öfters ſtehlen und ich werde bald wieder auf einen Tag zu dir laufen, um zugleich den 2ten Theil der Geſchichte der Wiſſenſchaften von20 Meiners dir mitzubringen, den du mir ſo ſchnel wie es ſcheint ſchikken wirſt als du ihn wieder begehreſt. — Den Trogenprediger haſt du in Rükſicht des Herzens nicht zuviel gelobt; aber ſonſt haſt du mich nach- geahmet. Du kanſt dich nämlich darauf verlaſſen, daß ich von iedem, den ich lobe, die Sache offenbar (zuweilen mit Bewuſtſein) iedesmal25 übertreiben werde: ich glaube, den untermiſchten Tadel meines Bekanten alzeit durch vergröſſertes Lob wieder vergüten zu müſſen. —
Haſt du den Schubart durchgeleſen?
Lebe wol, einziger Freund meiner Seele, der mich am beſten kent und bei dem allein ich das Fade, das Oberflächliche, Unmittheilende30 und Zuſammenengende des Umgangs nicht fühlen darf.
Es iſt ſchlim, daß Schnee da iſt; aber wenn du nicht auf dem Schlitten iezt komſt, ſo iſts noch ſchlimmer und wenig zu ſagen eben ſo ſchlim, wie dieſe Antitheſe.
[Spaltenumbruch]Hof den 9 März 86.[Spaltenumbruch]Richter
35
[Adr.] Herrn Herrn Adam von Oerthel in Töpen. Mit 3. Büchern.
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iſt ein poetiſcher geworden: die „Geiſtes-Unterhaltungen zur Bildung
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auf ſeine eigne Koſten — ſeines Beutels nicht weniger als ſeines
Ruhms — glüklicher Weiſe in dieſe elende Welt getreten und ſind ſo
beſchaffen, daß ſogar der Verfaſſer ſelbſt ſie ſtets mit erneuertem 5
Vergnügen wieder leſen kan. Der Kaffeewirth Knol und der Terzius
haben das Debit derſelben aus den beſten Abſichten wirklich unter-
nommen. In den Gedichten ſelbſt ſind einige Paſquille auf verſchiedene
Leute in Hof befindlich; die Vorrede aber ſol, wenn ich ihn recht faſſe,
eines auf ihn ſelber ſein. Gehring komt ſeit dieſer Herausgabe oft nach 10
Hof und iſt der Meinung, daß zwiſchen Verwunderung und Be-
wunderung in der That ein ſchlechter Unterſchied iſt; in Plauen hat er
mit eignen Händen ſoviel Exemplare abgeſezet, daß er oft gewünſchet,
mehrere mitgenommen zu haben. — Kurz ſie ſind ſo ſchlecht, daß die
Leute hier, die ihren guten Geſchmak nicht durch Empfindlichkeit für 15
die gröſten Schönheiten erhärten können, ihn nun durch den Abſcheu
vor den gröſten Fehlern erweiſen zu können das Vergnügen haben.
[213]
Solche kurze vergnügte Stunden wie neulich bei dir, werd’ ich mir
öfters ſtehlen und ich werde bald wieder auf einen Tag zu dir laufen,
um zugleich den 2ten Theil der Geſchichte der Wiſſenſchaften von 20
Meiners dir mitzubringen, den du mir ſo ſchnel wie es ſcheint ſchikken
wirſt als du ihn wieder begehreſt. — Den Trogenprediger haſt du in
Rükſicht des Herzens nicht zuviel gelobt; aber ſonſt haſt du mich nach-
geahmet. Du kanſt dich nämlich darauf verlaſſen, daß ich von iedem,
den ich lobe, die Sache offenbar (zuweilen mit Bewuſtſein) iedesmal 25
übertreiben werde: ich glaube, den untermiſchten Tadel meines
Bekanten alzeit durch vergröſſertes Lob wieder vergüten zu müſſen. —
Haſt du den Schubart durchgeleſen?
Lebe wol, einziger Freund meiner Seele, der mich am beſten kent
und bei dem allein ich das Fade, das Oberflächliche, Unmittheilende 30
und Zuſammenengende des Umgangs nicht fühlen darf.
Es iſt ſchlim, daß Schnee da iſt; aber wenn du nicht auf dem
Schlitten iezt komſt, ſo iſts noch ſchlimmer und wenig zu ſagen eben ſo
ſchlim, wie dieſe Antitheſe.
Hof den 9 März 86.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/227>, abgerufen am 25.07.2024.
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