poetischer geworden und lies auf seine Kosten -- seines Beutels sowol als seiner Ehre -- etc. Er dachte bei der ganzen Sache gar nicht daran, daß in einem Kopfe, der vom h. Geiste inspirirt wird, nicht von Apollo inspirirt werden kan, und hofte gar, auf der Kanzeltreppe den Parnas zu ersteigen.5
154. An A. G. Meißner in Prag.
Wolgeborner, Hochzuverehrender Herr Professor,
Inzwischen würd' ich, wenn ich an Ihrer Stelle wäre, es auch sehr wol überlegen, ob ich es am Ende verdienet, einer geworden zu10 sein. Denn da alle Wesen aus Vorzügen und Mängeln bestehen; so begehret man von einem Professor am ersten, daß er beide an sich zu vereinen wisse und nicht ganz entblösset von den besten Fehlern eines [211]Gelehrten sei z. B. von leerer Wortkentnis, Kriechungsgeist etc.: man hat aber viele Ursache zu besorgen, daß Ihnen diese leztern völlig15 mangeln. Sind Sie überdies ganz gewis, daß Sie Ihren neuen Posten nicht vielleicht einem Manne weggenommen haben, der gänzlich dazu ungeschikt gewesen wäre? Ich wil es nicht wünschen; denn in diesem Falle würde er wirklich diesem gehöret haben, weil es hierin bei einzelnen Personen gar nicht anders als bei ganzen Völkern ist,20 wo nach Lessing das ungebildete Judenvolk die Bildung der übrigen Völker zu besorgen hatte. -- Dazu sind Sie iezt auf einmal wirklich im Himmel, welches in vielen Rüksichten äusserst gut sein mag. Denn in was sezen die grösten und längsten Philosophen den Himmel anders als in einer [!] Vermehrung der alten Tugenden mit neuen und was ist25 die Belohnung eines guten Herzens anders als die Verbesserung desselben? Sie dürften es mithin schwerlich läugnen, daß Sie mit einem neuen Himmel belohnet worden, da Sie in der That iezt so vielen Unterricht ertheilen können, welches die katholischen Lehrer unter die Tugenden und die 7. Werke der Barmherzigkeit zu zählen30 pflegen.
Doch ich lasse den Voitüre; und wünsche Ihnen aufrichtig, ohne Dekorazion und Zierbuchstaben, zu Ihrer neuen Stelle Glük, so wie denen, deren Lehrer Sie geworden. Wer wirklich Gutes zu thun sucht, den mus es mehr freuen, an einem Orte zu sein, wo er das Licht35
poetiſcher geworden und lies auf ſeine Koſten — ſeines Beutels ſowol als ſeiner Ehre — ꝛc. Er dachte bei der ganzen Sache gar nicht daran, daß in einem Kopfe, der vom h. Geiſte inſpirirt wird, nicht von Apollo inſpirirt werden kan, und hofte gar, auf der Kanzeltreppe den Parnas zu erſteigen.5
154. An A. G. Meißner in Prag.
Wolgeborner, Hochzuverehrender Herr Profeſſor,
Inzwiſchen würd’ ich, wenn ich an Ihrer Stelle wäre, es auch ſehr wol überlegen, ob ich es am Ende verdienet, einer geworden zu10 ſein. Denn da alle Weſen aus Vorzügen und Mängeln beſtehen; ſo begehret man von einem Profeſſor am erſten, daß er beide an ſich zu vereinen wiſſe und nicht ganz entblöſſet von den beſten Fehlern eines [211]Gelehrten ſei z. B. von leerer Wortkentnis, Kriechungsgeiſt ꝛc.: man hat aber viele Urſache zu beſorgen, daß Ihnen dieſe leztern völlig15 mangeln. Sind Sie überdies ganz gewis, daß Sie Ihren neuen Poſten nicht vielleicht einem Manne weggenommen haben, der gänzlich dazu ungeſchikt geweſen wäre? Ich wil es nicht wünſchen; denn in dieſem Falle würde er wirklich dieſem gehöret haben, weil es hierin bei einzelnen Perſonen gar nicht anders als bei ganzen Völkern iſt,20 wo nach Leſſing das ungebildete Judenvolk die Bildung der übrigen Völker zu beſorgen hatte. — Dazu ſind Sie iezt auf einmal wirklich im Himmel, welches in vielen Rükſichten äuſſerſt gut ſein mag. Denn in was ſezen die gröſten und längſten Philoſophen den Himmel anders als in einer [!] Vermehrung der alten Tugenden mit neuen und was iſt25 die Belohnung eines guten Herzens anders als die Verbeſſerung deſſelben? Sie dürften es mithin ſchwerlich läugnen, daß Sie mit einem neuen Himmel belohnet worden, da Sie in der That iezt ſo vielen Unterricht ertheilen können, welches die katholiſchen Lehrer unter die Tugenden und die 7. Werke der Barmherzigkeit zu zählen30 pflegen.
Doch ich laſſe den Voitüre; und wünſche Ihnen aufrichtig, ohne Dekorazion und Zierbuchſtaben, zu Ihrer neuen Stelle Glük, ſo wie denen, deren Lehrer Sie geworden. Wer wirklich Gutes zu thun ſucht, den mus es mehr freuen, an einem Orte zu ſein, wo er das Licht35
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poetiſcher geworden und lies auf ſeine Koſten — ſeines Beutels ſowol
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inſpirirt werden kan, und hofte gar, auf der Kanzeltreppe den Parnas
zu erſteigen. 5
154. An A. G. Meißner in Prag.
Wolgeborner,
Hochzuverehrender Herr Profeſſor,
Inzwiſchen würd’ ich, wenn ich an Ihrer Stelle wäre, es auch
ſehr wol überlegen, ob ich es am Ende verdienet, einer geworden zu 10
ſein. Denn da alle Weſen aus Vorzügen und Mängeln beſtehen; ſo
begehret man von einem Profeſſor am erſten, daß er beide an ſich zu
vereinen wiſſe und nicht ganz entblöſſet von den beſten Fehlern eines
Gelehrten ſei z. B. von leerer Wortkentnis, Kriechungsgeiſt ꝛc.: man
hat aber viele Urſache zu beſorgen, daß Ihnen dieſe leztern völlig 15
mangeln. Sind Sie überdies ganz gewis, daß Sie Ihren neuen Poſten
nicht vielleicht einem Manne weggenommen haben, der gänzlich
dazu ungeſchikt geweſen wäre? Ich wil es nicht wünſchen; denn in
dieſem Falle würde er wirklich dieſem gehöret haben, weil es hierin
bei einzelnen Perſonen gar nicht anders als bei ganzen Völkern iſt, 20
wo nach Leſſing das ungebildete Judenvolk die Bildung der übrigen
Völker zu beſorgen hatte. — Dazu ſind Sie iezt auf einmal wirklich im
Himmel, welches in vielen Rükſichten äuſſerſt gut ſein mag. Denn in
was ſezen die gröſten und längſten Philoſophen den Himmel anders
als in einer [!] Vermehrung der alten Tugenden mit neuen und was iſt 25
die Belohnung eines guten Herzens anders als die Verbeſſerung
deſſelben? Sie dürften es mithin ſchwerlich läugnen, daß Sie mit
einem neuen Himmel belohnet worden, da Sie in der That iezt ſo
vielen Unterricht ertheilen können, welches die katholiſchen Lehrer
unter die Tugenden und die 7. Werke der Barmherzigkeit zu zählen 30
pflegen.
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Doch ich laſſe den Voitüre; und wünſche Ihnen aufrichtig, ohne
Dekorazion und Zierbuchſtaben, zu Ihrer neuen Stelle Glük, ſo wie
denen, deren Lehrer Sie geworden. Wer wirklich Gutes zu thun ſucht,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/225>, abgerufen am 27.11.2024.
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