Unter die P. P. gehören auch die Titel, die Ihnen der Addres- kalender nicht ertheilt und die der Kopf und das Herz sich zueignet. -- Bei andern Menschen überseze ich die P. P. in praetermissis prae-5 termittendis.
Von den 2 Briefen, die ich hier an Sie schikke, wird nur der auf blauem Papier gedrukt: den andern heben Sie blos auf.
Sonst hab' ich Ihnen nichts Neues zu berichten, ausser etwan daß sich die Nachricht von der wirklichen Zerstöhrung Hofs am 11 Febr.10 leider immer mehr zu bewähren scheint. Ich wil wünschen, daß in diesem kurzen Raum zur Busse wir uns beide aufrichtig bekehren; besonders mus man wünschen, daß die Frau Pfarrerin selig werde, welche bisher zu viel Verstand für eine Christin hatte und daher durch ihren guten Kopf den Himmel einzubüssen waget, den sie durch ihr15 gutes Herz verdienen mag. Übrigens geschähe mir der gröste Ge- fallen, wenn ich noch nicht so bald in den Himmel käme: denn ich hätte gern vorher noch einmal den in Rehau geniessen mögen, wo ich so frei leben durfte und von keiner Höflichkeit zum Reden gezwungen[208] wurde, wenn ich schweigen wolte. Gieng aber das Erdbeben gar nicht20 vor sich und wären wir so glüklich, daß wir nicht erschlagen und ver- schüttet würden: so spräche ich Ihnen vielleicht in der nächsten Woche wieder zu und frisirte am Kopfe Ihrer geistigen Kinder weiter: denn zuweilen lässet sich einer sein Haar von einem andern schön aufdrehen und mit falschen Lokken zieren, nicht weil er selber nicht frisiren kan,25 sondern weil er es aus Bequemlichkeit nicht mag.
Leben und schlafen Sie wol. Ich bin seit meinem zwölften Jahre mit besonderer Hochachtung
Ew. Hoch Ehrwürden gehors. Diener und Freund30 [Spaltenumbruch]Hof den 7 Febr. 86.[Spaltenumbruch]J. P. F. Richter
149. An Aktuar Vogel in Schwarzenbach.
[Kopie][Rehau, 26. (?) Febr. 1786]
Um diesen Brief zusammenzubringen: must' ich mich sehr plagen und ich muste Papier, Dinte, Feder etc. wirklich dazu borgen; der35
148. An Pfarrer Vogel in Rehau.
P. P.
Unter die P. P. gehören auch die Titel, die Ihnen der Addres- kalender nicht ertheilt und die der Kopf und das Herz ſich zueignet. — Bei andern Menſchen überſeze ich die P. P. in praetermissis prae-5 termittendis.
Von den 2 Briefen, die ich hier an Sie ſchikke, wird nur der auf blauem Papier gedrukt: den andern heben Sie blos auf.
Sonſt hab’ ich Ihnen nichts Neues zu berichten, auſſer etwan daß ſich die Nachricht von der wirklichen Zerſtöhrung Hofs am 11 Febr.10 leider immer mehr zu bewähren ſcheint. Ich wil wünſchen, daß in dieſem kurzen Raum zur Buſſe wir uns beide aufrichtig bekehren; beſonders mus man wünſchen, daß die Frau Pfarrerin ſelig werde, welche bisher zu viel Verſtand für eine Chriſtin hatte und daher durch ihren guten Kopf den Himmel einzubüſſen waget, den ſie durch ihr15 gutes Herz verdienen mag. Übrigens geſchähe mir der gröſte Ge- fallen, wenn ich noch nicht ſo bald in den Himmel käme: denn ich hätte gern vorher noch einmal den in Rehau genieſſen mögen, wo ich ſo frei leben durfte und von keiner Höflichkeit zum Reden gezwungen[208] wurde, wenn ich ſchweigen wolte. Gieng aber das Erdbeben gar nicht20 vor ſich und wären wir ſo glüklich, daß wir nicht erſchlagen und ver- ſchüttet würden: ſo ſpräche ich Ihnen vielleicht in der nächſten Woche wieder zu und friſirte am Kopfe Ihrer geiſtigen Kinder weiter: denn zuweilen läſſet ſich einer ſein Haar von einem andern ſchön aufdrehen und mit falſchen Lokken zieren, nicht weil er ſelber nicht friſiren kan,25 ſondern weil er es aus Bequemlichkeit nicht mag.
Leben und ſchlafen Sie wol. Ich bin ſeit meinem zwölften Jahre mit beſonderer Hochachtung
Ew. Hoch Ehrwürden gehorſ. Diener und Freund30 [Spaltenumbruch]Hof den 7 Febr. 86.[Spaltenumbruch]J. P. F. Richter
149. An Aktuar Vogel in Schwarzenbach.
[Kopie][Rehau, 26. (?) Febr. 1786]
Um dieſen Brief zuſammenzubringen: muſt’ ich mich ſehr plagen und ich muſte Papier, Dinte, Feder ꝛc. wirklich dazu borgen; der35
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148. An Pfarrer Vogel in Rehau.
P. P.
Unter die P. P. gehören auch die Titel, die Ihnen der Addres-
kalender nicht ertheilt und die der Kopf und das Herz ſich zueignet. —
Bei andern Menſchen überſeze ich die P. P. in praetermissis prae- 5
termittendis.
Von den 2 Briefen, die ich hier an Sie ſchikke, wird nur der auf
blauem Papier gedrukt: den andern heben Sie blos auf.
Sonſt hab’ ich Ihnen nichts Neues zu berichten, auſſer etwan daß
ſich die Nachricht von der wirklichen Zerſtöhrung Hofs am 11 Febr. 10
leider immer mehr zu bewähren ſcheint. Ich wil wünſchen, daß in
dieſem kurzen Raum zur Buſſe wir uns beide aufrichtig bekehren;
beſonders mus man wünſchen, daß die Frau Pfarrerin ſelig werde,
welche bisher zu viel Verſtand für eine Chriſtin hatte und daher durch
ihren guten Kopf den Himmel einzubüſſen waget, den ſie durch ihr 15
gutes Herz verdienen mag. Übrigens geſchähe mir der gröſte Ge-
fallen, wenn ich noch nicht ſo bald in den Himmel käme: denn ich hätte
gern vorher noch einmal den in Rehau genieſſen mögen, wo ich ſo
frei leben durfte und von keiner Höflichkeit zum Reden gezwungen
wurde, wenn ich ſchweigen wolte. Gieng aber das Erdbeben gar nicht 20
vor ſich und wären wir ſo glüklich, daß wir nicht erſchlagen und ver-
ſchüttet würden: ſo ſpräche ich Ihnen vielleicht in der nächſten Woche
wieder zu und friſirte am Kopfe Ihrer geiſtigen Kinder weiter: denn
zuweilen läſſet ſich einer ſein Haar von einem andern ſchön aufdrehen
und mit falſchen Lokken zieren, nicht weil er ſelber nicht friſiren kan, 25
ſondern weil er es aus Bequemlichkeit nicht mag.
[208]
Leben und ſchlafen Sie wol. Ich bin ſeit meinem zwölften Jahre
mit beſonderer Hochachtung
Ew. Hoch Ehrwürden
gehorſ. Diener und Freund 30
Hof den 7 Febr. 86.
J. P. F. Richter
149. An Aktuar Vogel in Schwarzenbach.
[Rehau, 26. (?) Febr. 1786]
Um dieſen Brief zuſammenzubringen: muſt’ ich mich ſehr plagen
und ich muſte Papier, Dinte, Feder ꝛc. wirklich dazu borgen; der 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/222>, abgerufen am 17.02.2025.
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