der H. Pfarrer selbst, der nun auf keinem Folterpferde -- die Römer peinigten ihre Sklaven auf einem hölzernen Gaul -- und Stekkenpferd mehr sizet. -- Der Gärtner -- um Ihre Vergleichung fortzusezen -- den Sie wieder in eine neue Plantage geführet haben, kan im Garten ganz leicht arbeiten, wo er die Früchte zugleich geniesset und wartet, ia5 wo er wenig mehr thut als einige stechende Nesseln säen. -- Übrigens gefället mir zwar Ihre fruchtbare Geschäftigkeit; allein ich hätte doch gewünschet, daß Sie dem Geseze der Trägheit, nach dem sich alle Wesen des Universums richten, ein [wenig] mehr gehorchen möchten und ich sehe nichts ab, was Ihren Fleis mit einiger Wirkung ent-10 schuldigen könte, als etwan dies, daß Sie kein -- Geistlicher sind. [186]Inzwischen verdien' ich für diese Satire auf einen ganzen Stand den- noch einige Prügel. -- Nicht die Erfindung sondern die Wahl eines Titels wird mir sauer: hier lesen Sie aus: englischer Garten -- Mix- turen in der Orgel und Apotheke -- Kompagniehandlung -- Pan-15 theon -- Kongres -- Reiheschank, weil bald der Theolog bald der Jurist zu trinken giebt. Die Rathswahl überlass' ich Ihnen et com- pagnie. Eh' Sie also den Titel festgesezt: kan ich nicht an die Vorrede gehen, weil ich in dieser mich auf iene[n] mus beziehen können. Der H. Pfarrer, der bei seiner Appellazion an mich nicht bedachte, daß man20 ia nur an eine höhere Instanz appelliren darf. -- Übrigens müssen Sie ein 8 tägiges Stilschweigen für kein langes halten. Die 4 Wochen die ich bei Ihnen nicht zugebracht sondern genossen habe, gehören mit zu den Flitterwochen meines Lebens und kommen mit in meinen Freuden Gottesakker. Ich habe nämlich wie bekant in meinem25 Gedächtnisse einen Gottesakker angelegt, wo ich meine Freuden ein- grabe, damit mit der Zeit aus ihnen einige Blumen wachsen. Ich bin daher alzeit froh, wenn ich ein Vergnügen habhaft werde: denn ich kan es dan sofort in meine Freudenplantage schaffen. So oft ich nun der peinlichen Gegenwart den Rükken kehren mus: so begeb' ich30 mich in die Vergangenheit und besuche meine Freuden. Ein Engländer würde dieses ein Vergnügen Archiv oder einen Witwensiz der Freude nennen wollen; allein ich würde es nicht zulassen. Leben Sie so physi- kalisch wol als Sie moralisch wol leben; Ihre Gattin, an die mich oft mein Gaumen erinnert.35
N. S. Ich mus Ihnen hinterbringen, daß es hier weder an grossen Griechen noch an grossen Lateinern mangelt und es wäre zu wünschen,
der H. Pfarrer ſelbſt, der nun auf keinem Folterpferde — die Römer peinigten ihre Sklaven auf einem hölzernen Gaul — und Stekkenpferd mehr ſizet. — Der Gärtner — um Ihre Vergleichung fortzuſezen — den Sie wieder in eine neue Plantage geführet haben, kan im Garten ganz leicht arbeiten, wo er die Früchte zugleich genieſſet und wartet, ia5 wo er wenig mehr thut als einige ſtechende Neſſeln ſäen. — Übrigens gefället mir zwar Ihre fruchtbare Geſchäftigkeit; allein ich hätte doch gewünſchet, daß Sie dem Geſeze der Trägheit, nach dem ſich alle Weſen des Univerſums richten, ein [wenig] mehr gehorchen möchten und ich ſehe nichts ab, was Ihren Fleis mit einiger Wirkung ent-10 ſchuldigen könte, als etwan dies, daß Sie kein — Geiſtlicher ſind. [186]Inzwiſchen verdien’ ich für dieſe Satire auf einen ganzen Stand den- noch einige Prügel. — Nicht die Erfindung ſondern die Wahl eines Titels wird mir ſauer: hier leſen Sie aus: engliſcher Garten — Mix- turen in der Orgel und Apotheke — Kompagniehandlung — Pan-15 theon — Kongres — Reiheſchank, weil bald der Theolog bald der Juriſt zu trinken giebt. Die Rathswahl überlaſſ’ ich Ihnen et com- pagnie. Eh’ Sie alſo den Titel feſtgeſezt: kan ich nicht an die Vorrede gehen, weil ich in dieſer mich auf iene[n] mus beziehen können. Der H. Pfarrer, der bei ſeiner Appellazion an mich nicht bedachte, daß man20 ia nur an eine höhere Inſtanz appelliren darf. — Übrigens müſſen Sie ein 8 tägiges Stilſchweigen für kein langes halten. Die 4 Wochen die ich bei Ihnen nicht zugebracht ſondern genoſſen habe, gehören mit zu den Flitterwochen meines Lebens und kommen mit in meinen Freuden Gottesakker. Ich habe nämlich wie bekant in meinem25 Gedächtniſſe einen Gottesakker angelegt, wo ich meine Freuden ein- grabe, damit mit der Zeit aus ihnen einige Blumen wachſen. Ich bin daher alzeit froh, wenn ich ein Vergnügen habhaft werde: denn ich kan es dan ſofort in meine Freudenplantage ſchaffen. So oft ich nun der peinlichen Gegenwart den Rükken kehren mus: ſo begeb’ ich30 mich in die Vergangenheit und beſuche meine Freuden. Ein Engländer würde dieſes ein Vergnügen Archiv oder einen Witwenſiz der Freude nennen wollen; allein ich würde es nicht zulaſſen. Leben Sie ſo phyſi- kaliſch wol als Sie moraliſch wol leben; Ihre Gattin, an die mich oft mein Gaumen erinnert.35
N. S. Ich mus Ihnen hinterbringen, daß es hier weder an groſſen Griechen noch an groſſen Lateinern mangelt und es wäre zu wünſchen,
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den Sie wieder in eine neue Plantage geführet haben, kan im Garten
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wo er wenig mehr thut als einige ſtechende Neſſeln ſäen. — Übrigens
gefället mir zwar Ihre fruchtbare Geſchäftigkeit; allein ich hätte doch
gewünſchet, daß Sie dem Geſeze der Trägheit, nach dem ſich alle
Weſen des Univerſums richten, ein [wenig] mehr gehorchen möchten
und ich ſehe nichts ab, was Ihren Fleis mit einiger Wirkung ent- 10
ſchuldigen könte, als etwan dies, daß Sie kein — Geiſtlicher ſind.
Inzwiſchen verdien’ ich für dieſe Satire auf einen ganzen Stand den-
noch einige Prügel. — Nicht die Erfindung ſondern die Wahl eines
Titels wird mir ſauer: hier leſen Sie aus: engliſcher Garten — Mix-
turen in der Orgel und Apotheke — Kompagniehandlung — Pan- 15
theon — Kongres — Reiheſchank, weil bald der Theolog bald der
Juriſt zu trinken giebt. Die Rathswahl überlaſſ’ ich Ihnen et com-
pagnie. Eh’ Sie alſo den Titel feſtgeſezt: kan ich nicht an die Vorrede
gehen, weil ich in dieſer mich auf iene[n] mus beziehen können. Der
H. Pfarrer, der bei ſeiner Appellazion an mich nicht bedachte, daß man 20
ia nur an eine höhere Inſtanz appelliren darf. — Übrigens müſſen
Sie ein 8 tägiges Stilſchweigen für kein langes halten. Die 4 Wochen
die ich bei Ihnen nicht zugebracht ſondern genoſſen habe, gehören mit
zu den Flitterwochen meines Lebens und kommen mit in meinen
Freuden Gottesakker. Ich habe nämlich wie bekant in meinem 25
Gedächtniſſe einen Gottesakker angelegt, wo ich meine Freuden ein-
grabe, damit mit der Zeit aus ihnen einige Blumen wachſen. Ich
bin daher alzeit froh, wenn ich ein Vergnügen habhaft werde: denn
ich kan es dan ſofort in meine Freudenplantage ſchaffen. So oft ich
nun der peinlichen Gegenwart den Rükken kehren mus: ſo begeb’ ich 30
mich in die Vergangenheit und beſuche meine Freuden. Ein Engländer
würde dieſes ein Vergnügen Archiv oder einen Witwenſiz der Freude
nennen wollen; allein ich würde es nicht zulaſſen. Leben Sie ſo phyſi-
kaliſch wol als Sie moraliſch wol leben; Ihre Gattin, an die mich oft
mein Gaumen erinnert. 35
[186] N. S. Ich mus Ihnen hinterbringen, daß es hier weder an groſſen
Griechen noch an groſſen Lateinern mangelt und es wäre zu wünſchen,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/201>, abgerufen am 22.11.2024.
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